LAIBACH: das Ende der Missverständnisse

Laibach (foto: Maya Nightingale)
Laibach (foto: Maya Nightingale)

Das slowenische Künstlerkollektiv LAIBACH und NSK werden seit jeher missverstanden. Sie haben allerdings auch alles dafür getan, dass das lange so bleibt.

Missverständnis 1: Laibach ist eine Band.
Waren sie nie und wollten sie nie sein. Zunächst gibt es keine festen Mitglieder von Laibach, sondern nur das Kollektiv. Bereits auf dem Album „Nova Akropola“ von 1987 findet sich der programmatische Song „Vier Personen“. Laibach besteht immer aus vier Personen, deren Namen Eber, Keller, Dachauer und Salinger sind, sobald sie dem Kollektiv angehören. Auf dem Album WAT von 2003, das die erste deutliche Erklärung des Laibach-Selbstverständnisses darstellt, erklären die Slowenen im Titelsong „We are no ordinary type of group, we are no humble popmusicians.“ Laibach sind im Kontext des Kollektivs Neue Slowenische Kunst, nie die Musikabteilung gewesen, sondern stets der propagandistische Arm.

Missverständnis 2: Laibach ist faschistoid.
Laibach sind Slowenen und singen deutsch. Sie benutzen den im Tito-Jugoslawien verpöhnten deutschen Namen Ljubljanas. Sie arbeiten mit Bannern, Fahnen, Symmetrie, Fackeln, Hirschgeweihen, Uniformen, brachialen Marschrhythmen und dem Volk-Begriff. Da lag es nahe, sie irgendwie mit dem (deutschen) Faschismus in Verbindung zu bringen. Vorausgesetzt man schaute nicht genau genug hin. Das LAIBACH-Kreuz geht zurück auf Malewitschs Gemälde „schwarzes Kreuz“, das eine Inkunabel der Sowjet-Avantgarde ist. Das Hakenkreuz aus Äxten auf dem Cover des „Opus Dei“-Albums stammt von John Heartfield. Laibach bedienten sich von Anfang an, aus verschiedensten Quellen, um den Rezipienten in die Irre zu führen. Der Effekt für jene, die sich vom ersten Eindruck täuschen ließen, aber noch einmal genauer hinsahen, war das Erschrecken über die eigenen allzu simplen Wahrnehmungs- und Denkmuster.

Missverständnis 3: Laibach sind ironisch.
Das Muster hinter dem Spiel mit Symbolen war nie ironisch. Der slowenische Philosoph Slavoj Zizek verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Ironie immer systemstabilisierend wirkt, weil es seine kritische Haltung innerhalb des Systems formuliert. Laibachs Ideologiekritik benutzt das Mittel der Überidentifikation. Indem Laibach sich mit der zu brechenden Ideologie so weit identifizieren, dass sie letztlich besser darin sind, als das tatsächliche System, lassen sie dessen Defizite zu Tage treten. Sie verweisen in der Überidentifikation auch auf die stets gleichen Muster der Ideologie. Legendär ist in diesem Zusammenhang die Anekdote, wonach Laibach an einem Plakatwettbewerb für das jugoslawische Staatsjubiläum teilnahmen und lediglich in einem Plakat des deutschen Faschismus die Fahne durch die jugoslawische ersetzten. Ein Umstand, der erst auffiel, als der Entwurf schon beinahe den Wettbewerb gewonnen hätte.

Missverständnis 4: Laibach sind eine Industrialband.
Völlig unbestritten, dass die ersten Laibach-Alben reiner Industrial waren. Doch mit „Jesus Christ Superstar“ gibt es auch ein Album, das sich beim Metal bedient, „Kapital“ ist von Drum’n’Bass und HipHop geprägt und das aktuelle „Spectre“ ist reine Popmusik. Mit „Under The Iron Sky“ produzierten Laibach den besten Bond-Song seit Jahrzehnten. Musikalisch ist Laibach nicht festzulegen, was wiederum auf Missverständnis 1 zurückverweist. Sie sind eben keine Band mit festzulegendem musikalischem Vokabular. Unglücklicherweise werden Laibach von Konzert-Veranstaltern immer noch im Wave/Industrial/EBM-Kontext verortet. Sehr schön ist allerdings bei Festivals dieser Couleur festzustellen, dass die Laibach-Fans mit den Fans von Bands dieses Kontextes nichts gemein haben. Das Laibach-Publikum kommt weitestgehend aus einem Kunstkontext und nimmt Laibach als Teil der gesamten NSK wahr.

Mit dem aktuellen Album „Spectre“ positionieren sich LAIBACH allerdings so politisch eindeutig wie nie zuvor. Es mag für Alt-Laibach-Fans etwas zu deutlich sein (auch zu poppig), ist aber vielleicht auch nur ein weiterer Schritt, der schon im nächsten Album wieder eine ganz andere Richtung nehmen kann.

Laibach spielen am 15.2. in der Zeche Bochum.

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