Mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) stehen gleich zwei prominente Politiker aus Nordrhein-Westfalen unter Plagiatsverdacht.
Norbert Lammert und Marc Jan Eumann stehen unter Plagiatsverdacht – beide sollen bei ihrer Doktorarbeit gegen die Regeln wissenschaftlicher Arbeit verstossen haben. Während der Ausgang des Verfahrens bei Lammert noch offen ist und die Ruhr Universität auf seinen Wunsch gerade erst mit der Überprüfung seiner Doktorarbeit begonnen hat, ist Eumann schon einige Schritte weiter: Die TU-Dortmund hat ihr Prüfverfahren beendet und empfiehlt den Entzug des Doktortitels. Eumann wehrt sich dagegen, erklärte, dass sein Doktorvater den Titel seiner in Teilen mit der Doktorarbeit identischen Magisterarbeit kannte. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich indes sein Doktorvater – am Ende, das hat Eumann schon mitgeteilt, werden in seinem Fall die Gerichte entscheiden müssen.
Doch um die Vorwürfe gegen Lammert und Eumann geht es in diesem Text nicht. Es geht darum, wie sie
öffentlich auf die Vorwürfe reagieren. Beide sind sie mächtige Politiker, haben ganze Apparate hinter sich, die ihnen zuarbeiten. Diese Apparate sind Teil des Staates, sie stehen in erster Linie dem Amt zur Verfügung, nicht der Person die dieses Amt inne hat.
Lammert ist das bewusst: Die Pressemitteilung, in der er auf die Plagiatsvorwürfe reagierte findet sich auf seiner Homepage, nicht auf den Seiten des Bundestages. Er stellt damit klar: Nicht der Bundestagspräsident steht unter Plagiatsverdacht, sondern der Abgeordnete Norbert Lammert.
Anders bei Eumann: Auf seiner Homepage findet sich kein Hinweis zu seiner Reaktion auf das Plagiatsverfahren. Eumann lässt reagieren – und zwar die Pressestelle der Staatskanzlei:
Eumann trennt nicht zwischen sich und dem Staat, für ihn ist das Eins und das scheint die Landesregierung ebenfalls so zu sehen. Der Staat als Beute – eine vermeintliche Petitesse zeigt den Unterschied zwischen Eumann und Lammert.
[…] NRW-Medienstaatssekretär Eumann will in Sachen Doktortitel notfalls vor Gericht ziehen (RP-Online) – Siehe auch den Ruhrbarone-Artikel Lammert, Eumann und eine Frage des Stils. […]
Ihr beleuchtet da einen interessanten Aspekt, der in den vergangenen Verfahren (insbes. dem in Düsseldorf) nie medial betrachtet wurde. Weiter so.
An dieser Stelle aber auch eine kleine Kritik: Ihr seid nicht die Einzigen, die unreflektiert die Wendung übernehmen, dass die RUB auf Lammerts Wunsch aggiert. Das ist falsch. Die zuständige FAKULTÄT (merke: Promotionsrecht ist Fakultätsrecht) an der RUB MUSS tätig werden, wenn entsprechend belastbare Hinweise vorliegen. Ob ein Betroffener das will oder nicht. Lammert fährt an der Stelle das gleiche Manöver wie Schavan. Alles Weitere sollte nun bitte bei der Fakultät liegen, die hoffentlich ihre Sache genauso ergebnisoffen und ordentlich macht wie ihre Kollegen es in Düsseldorf getan haben. Das wünsche ich der Universität, den Studierenden und auch Lammert. Der Rest der bereits bis auf die Knochen blamierten Wissenschaftswelt – Allianz, Wissenschaftsorganisationen, Vertreter anderer Hochschulen und (sich selbst berufeende) Experten – möge bitte schweigen. (Ach, und ob sich irgendwer plagiiert fühlt ist – mit Blick auf die Äusserungen zweier Autoren in der Sache – ebenfalls völlig egal.) Sollte Lammert das Urteil nicht akzeptieren können, bleibt ihm der Gang vor Gericht.
P.S.: Ach, kann mir mal einer sagen, warum Kreti und Pleti promovieren, wenn sie dann weder wissenschaftlich tätig sind, noch sich dem impliziten Kodex der ewigen Überprüfung unterwerfen wollen?
Meine Frage ist, haben nur Politiker, Abgeordnete bei dem Doktortitel gemogelt, um in der Karriere weiter zu kommen, oder kommt es weit aus häufiger vor.
@Nobby
Die Frage ist wirklich interessant, immerhin hat ja Eumann nicht nur von der TU Dortmund einen Doktortitel bekommen, sondern in zeitlich greifbarer Nähe auch die TU Dortmund umgekehrt von dem Ministerium, in dem Eumann als Staatssekretär arbeitet, einen Haufen Geld für Forschungszwecke erhalten, die wiederum für Eumanns Zukunftsprojekt einer Journalismusstiftung die Grundlage bilden sollten. Universitäten erhalten nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch von Firmen und Unternehmen ungeheure Mengen Geld für Forschungszwecke und wieso sollte es da nicht ähnliche Wechselwirkungen geben wie in der Politik???
Vermutlich sind Politiker aber für Medien und Plagiatsjäger wesentlich interessanter, weil man sie in der Öffentlichkeit besser kennt und bei ihnen einen höheren „Schaden“ anrichten kann. Die damit einhergehende „Schaden“-freude ist folglich wesentlich größer als bei einem mehr oder weniger unbekannten Doktor aus der freien Wirtschaft.
——
Zum Text noch folgendes:
Es gibt noch einen Unterschied im Stil zwischen Lammert und Eumann. Während Lammert auf größtmögliche Transparenz setzt und trotz seines Urlaubes die Öffentlichkeit über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert, setzt Eumann auf größtmögliche Intransparenz. Da wo Eumann aufgrund seiner Position als Staatssekretär für Medien in der Lage ist, eine Berichterstattung über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verhindern, findet definitiv auch keine Berichterstattung über seine derzeit diskutierte Doktorarbeit statt.
Das ZDF beispielsweise hat es bislang noch kein einziges mal fertig gebracht, über den Fall Eumann zu berichten. Selbst als jüngst die Vorwürfe gegen Lammert bekannt wurden, fielen den Mainzelmännchen aus der Pfalz lediglich die Namen zu Guttenberg und Schavan ein. Eumann ist Mitglied des ZDF Fernsehrates… Guuudn N‘ Aaabend!
Man kann ja vielerlei Meinung sein. In die Beurteilung einer Sachlage spielen auch stets Vorüberzeugungen hinein. Die sollte man zuweilen mit der Realität konfrontieren.
SchmiTT hat unter #2 schon darauf hingewiesen, dass für Doktorgradentziehungen die Fakultäten gesetzlich zuständig sind. Die obige Aussage „Die TU-Dortmund hat ihr Prüfverfahren beendet und empfiehlt den Entzug des Doktortitels.“ ist daher so vereinfachend, dass sie falsch ist. Auch falsch ist es, wenn die FAZ schreibt „Die TU Dortmund will dem nordrhein-westfälischen Medienstaatssekretär nun den Doktortitel aberkennen.“
Warum das falsch ist, versteht man, wenn man sich mit den vorgeschriebenen Verfahrensabläufen auseinandersetzt. Ich habe das Verfahren im Fall Lammert gerade detailliert erläutert:
https://erbloggtes.wordpress.com/2013/08/04/wie-die-universitat-bochum-mit-norbert-lammert-verfahrt/
Das wird sich noch hinziehen, denn es ist komplex. Auch der Fall Eumann ist noch nicht erledigt, denn das dortige Verfahren beruht auf den gleichen gesetzlichen Vorschriften. Und bisher ist man in Dortmund über ein Vorverfahren noch gar nicht hinaus gekommen.
Die Substanz der Vorwürfe habe ich in anderen Artikeln diskutiert.
Nicht nur der Umgang mit den Plagiatsvorwürfen unterscheidet Marc Jan Eumann von Norbert Lammers, sondern auch die Qualität der Doktorarbeit.
In der WAZ ist heute zu lesen:
„Die Universität Bochum wird kein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades von Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnen. Das beschloss das Rektorat der Hochschule auf der Grundlage einer eingehenden Prüfung, wie die Ruhr-Universität am Mittwoch mitteilte.“
Lammert darf also seinen Doktortitel genauso wie Steinmeier behalten. Hier geht’s zum ganzen Artikel:
https://www.derwesten.de/politik/bundestagspraesident-lammert-von-plagiats-vorwuerfen-entlastet-id8640973.html
Damit dürften die Plagiatsvorwürfe gegen den Bundestagspräsidenten vom Tisch sein, während gegen Eumann ein Verfahren zur Aberkennung eingeleitet wurde, bei dem sich die Frage stellt, wieso sich die TU Dortmund soviel Zeit damit lässt. 4 Monate ist‘ s her…