Landesverrat: Versager gegen Netzpolitik

Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl Foto: Agnieszka Krolik Lizenz: CC BY-SA 4.0
Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl Foto: Agnieszka Krolik Lizenz: CC BY-SA 4.0

Generalbundesanwalt Harald Range ermittelt gegen den Begründer des Blogs Netzpolitik, Markus Beckedahl und den Autor Andre Meister wegen des Verdachts auf Landesverrat. Das ist nichts anderes als ein Angriff auf die Pressefreiheit. 

Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass in Deutschland wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen Journalisten ermittelt wird: War es in den 60er Jahren der Spiegel, der in das Visier des Generalbundesanwalts geriet, ist es nun das Blog Netzpolitik, sein Betreiber Markus Beckedahl und sein Autor Andre Meister. Auf Netzpolitik wurden Dokumente über Pläne zur Ausweitung der Online-Überwachung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlicht. Das erstattete Anzeige und nun ermittelt der Generalbundesanwalt nicht nur gegen die Quellen von Netzpolitik, sondern gegen das Blog selbst.

Das Ziel der Ermittlungen ist offensichtlich: Die Einschüchterung von Journalisten, die im Bereich der Geheimdienste arbeiten. Der ausgewählte Gegner vermeintlich schwach: Kein großer Verlag mit einer exzellenten Rechtsabteilung im Hintergrund, sondern ein spendenfinanziertes Blog.

Für Beckedahl sind die Ermittlungen ein Einschüchterungsversuch wegen der Aufklärungsarbeit,  die Netzpolitik im NSA-Skandal geleistet hat: „Wir haben jetzt den Verdacht, dass sie durch solche Strafanzeigen scharf schießen gegen diejenigen, die dazu beitragen wollen, diesen größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit mit aufdecken zu wollen.“

Ich habe mich nie großartig über den NSA-Skandal aufgeregt. Dass die USA die Bundesregierung ausspioniert, ist für mich die normalste Sache der Welt. Erinnert man sich einmal kurz daran, dass Deutschland im vergangenen Jahrhundert zwei Mal im Krieg mit den USA und ihren Verbündeten lag, den USA1917 durch den uneingeschränkten U-Boot Krieg den Beitritt in den  ersten Weltkrieg aufzwang  und dem Land 1941 den Krieg erklärte,  sollte man sich darüber nicht allzu sehr wundern. Andere Länder haben nun mal ein gutes Gedächtnis. Aber in der Angelegenheit ernsthaft  ermitteln ist ebenso  die normalste Aufgabe des Bundesstaatsanwaltschaft. Das hat Generalbundesanwalt Harald Range (FDP) indes nicht getan. Ein Versagen, allerdings nicht nur eines von Range: Der Generalbundesanwalt ist ein politischer Beamter, er hat die, „kriminal- und sicherheitspolitischen Ansichten und Ziele der jeweils amtierenden Bundesregierung“ zu teilen und kann jederzeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn er es nicht tut. Sein Chef ist Justizminister Heiko Maas (SPD). Das ein Verfahren wie das gegen Netzpolitik hinter seinem und dem Rücken des Restes der Bundesregierung aufgenommen wurde, ist nicht vorstellbar. Hinter dem Knecht Range steckt der Herr Maas, was dem Skandal, den das Verfahren bedeutet, eine weitere politische Dimension gibt.

Gegen Netzpolitik stehen gleich mehrere Versager:  Ein Generalbundesanwalt, der es nicht schafft, gegen die NSA zu ermitteln, ein Minister, der ihn in dieser Frage stützt und ein Bundesamt für Verfassungsschutz, das bis heute weder genau weiß wie viele Islamisten aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ziehen um zu morden und im NSU-Verfahren mehr mit Verschleierung und Schutz des eigenen Personals als mit Beiträgen zu Aufklärung beschäftigt ist.

Bei aller  Unterstützung für Netzpolitik, ist für mich klar, wer am Ende die Verlierer sein werden: Nicht Markus Beckedahl und Andre Meister, sondern Generalbundesanwalt Harald Range, Justizminister Heiko Maas  und das Bundesamt für Verfassungsschutz und sein Leiter Hans-Georg Maaßen. Es gibt mehr  Gründe, den Gerichten in diesem Land zu vertrauen als Maas, Maaßen und Range.  Der Angriff auf Netzpolitik sollte genau diese Konsequenzen haben: Das Ende der Karrieren der drei, die nun ein weiteres Mal gezeigt haben, dass sie ihren Aufgaben nicht gewachsen sind und die, anstatt ihren Job zu machen, ihr Mütchen an Netzpolitik kühlen. Der Angriff auf die Pressefreiheit ist nicht zu entschuldigen und darf als Konsequenz nichts anders als die Entlassung von Maas, Maaßen und Range haben. Die Suche nach einer „Anschlussverwendung“ sollte nun begonnen werden.

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keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Wir haben Sicherheitsbehörden und Politiker, die gerne den gläsernen Bürger sehen wollen. Jede Kommunikation soll überwacht werden.
Die Frage ist, warum dies der Fall sein soll und was es -abgesehen von hohen Ausgaben – bringt. Andere Staaten haben damit auch nichts erreicht.

Dieselben Behörden sind nicht in der Lage, einfache Einbrüche aufzuklären, bekannte Extremisten bzw. kleine extremistische oder krimnelle Gruppen selektiv zu überwachen oder auch No go areas und andere Hotspots aufzulösen.
Damit fehlen fehlen die Basics.

Wer schon die einfachen Fälle nicht aufklären kann, wird auch mit Software oder mehr Überwachung nichts erreichen. Andere Länder haben dies eindurcksvoll bestätigt. Viel Geld für Überwachung, aber keine nachweisbaren Erfolge für den Aufwand.

Die aktuelle Situation der Innen- und Justizpolitik in Deutschland/NRW ist eine Katastrophe.
Es wird Zeit, dass der Bürger dieses Vorgehen der Politik stärker bekämpft. Es bleibt zu hoffen, dass hiermit eine Initialzündung geschaffen wird.

Für die Demokratie insbesondere ohne erkennbare Opposition in den Parlamenten kommt der Presse eine besondere Bedeutung zu. Die Pressefreiheit muss deshalb unbedingt geschützt werden.

Was soll diese Aktion?

Nansy
Nansy
9 Jahre zuvor

Zitat: "Ich habe mich nie großartig über den NSA-Skandal aufgeregt. Dass die USA die Bundesregierung ausspioniert, ist für mich die normalste Sache der Welt. Erinnert man sich einmal kurz daran, dass Deutschland im vergangenen Jahrhundert zwei Mal im Krieg mit den USA und ihren Verbündeten lag, den USA1917 durch den uneingeschränkten U-Boot Krieg den Beitritt in den ersten Weltkrieg aufzwang und dem Land 1941 den Krieg erklärte, sollte man sich darüber nicht allzu sehr wundern. Andere Länder haben nun mal ein gutes Gedächtnis….."

Eine etwas gezwungene Rechtfertigung für die NSA-Überwachung der USA! Als wenn es nur Deutschland und seine Politiker wären, die von den USA ausgeforscht, überwacht und ausspioniert würden – die USA brauchen keine geschichtlichen Gründe, um Regierungen in aller Welt zu überwachen und auszuspionieren…..

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
9 Jahre zuvor

Ich weiß nicht, ob mir Range leid tun soll. Ich mein, wenn er gegen die "NASA" (O-ton Range) ermittelt und keine Beweise findet, dass die "SNA" (O-Ton Range) Merkel ausspioniert, während die Beweise so offensichtlich sind, dass es niemand bestreitet bzw. die NSA ja auch noch Stolz auf ihre Arbeit ist… das wirkt sehr senil.

Maas ist auch eine herbe Enttäuschung. Innenminister sind meist die größten Hard-Liner, Rechts-Außen, die man finden kann. Die denken, Menschen, die was zu verbergen haben, gehören präventiv eingesperrt… nur das Bundesverfassungsgericht und die Justizminister schützen uns da in der Regel. Aber Maas ist ja schon umgekippt bei der Vorratsdatenspeicherung….

Und anstatt dass man sich empört, dass das Bundesverfassungsgericht immer häufiger beschlossene Gesetze kippen muss, beschwert sich die CDU, das BVerfG würde sich zu sehr in die Politik einmischen…

Maaßen… außer seinem Versagen im Amt, belügt der auch gerne das Parlament. Wenn man sich anschaut, welche Geheimdienst-Skandale es gibt und welche Hürden der Geheimdienst-Ausschuss im Parlament auferlegt bekommt, kann man nur feststellen, dass Geheimdienste keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen. Was für mich als Radikal-Demokraten nur heißen kann, schnellstmöglich reformieren oder abschaffen. Der jetzige Zustand ist unhaltbar.

Ich schließe mich an, alle Drei dürfen und sollten gehen. (inkl. de Maizière, der als Innenminister die Geheimdienste zu verantworten hat)

Sigrid Herrmann
9 Jahre zuvor

"ein Bundesamt für Verfassungsschutz, das bis heute weder genau weiß wie viele Islamisten aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ziehen um zu morden und im NSU-Verfahren mehr mit Verschleierung und Schutz des eigenen Personals als mit Beiträgen zu Aufklärung beschäftigt ist."

Man muss sich das tatsächlich fragen. Die immer wieder aufscheinende Dysfunktionalität ist schwer erklärbar, deswegen tut man das wohl nicht.

"Die Suche nach einer „Anschlussverwendung“ sollte nun begonnen werden."

Zumindest bei einem dürfte die schon klar sein: Es gibt keine.

"Früher hätte ein sozialdemokratischer Justizminister sein Schweigen nach so einem Debakel, nach so einer öffentlichen Desavouierung durch untergebene Ämter vermutlich genutzt, um eine wohlformulierte Entlassungsbitte zu formulieren. […] Noch nicht einmal in so einem läppischen Fall hat Maas den nötigen Einfluss, Generalbundesanwalt Range zu bremsen. "

http://blogs.faz.net/deus/2015/07/31/heiko-maas-und-die-spd-werden-auch-mal-verraten-2767/

Hat er ihn nicht oder nutzt er ihn schlicht nicht? Kann ja sein, dass er Ranges und Maaßens Sicht nicht nur offiziell mitträgt.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass sich hinter der BND-Fassade an der Chausseestr. in Mitte nur noch miserable Provinzvolksbühnen-Schauspieler aufhalten, die in der Tradition des potemkinschen Dorfes einen Nachrichtendienst vorgaukeln, den es so gar nicht mehr gibt und dessen zentrale Aufgaben schon längst an die USA abgegeben wurden. Anders kann man sich diesen Dillentatismus, der sich ja bis hinunter in die jeweiligen regionalen BKA-Staatsschutzabteilungen – z.B. die in Dortmund – fortsetzt, doch gar nicht mehr erklären.

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