HoGeSa Demo: Nach Landtagsdebatte appeliert CDU an Innenminister Ralf Jäger zurückzutreten

HoGeSa-Hooligan, Foto: Copyright 2014 Felix Huesmann
HoGeSa-Hoologan, Foto: Copyright 2014 Felix Huesmann

Gestern debattierte der Innenausschuss im Landtag NRW zu den Ausschreitungen und Gewaltexzessen bei der Anti-Salafisten-Demo von Hooligans und Rechtsextremen am 26. Oktober in Köln. Die Innenausschusssitzung ergab wenig Erhellendes (die Ruhrbarone berichteten). Weder die konkrete Aufarbeitung des Polizeieinsatzes, noch die Fehleranalyse angesichts der mangelhaften Planungen im Vorfeld des Demo, waren für die Abgeordneten der CDU ausreichend. Sie legten Innenminister Ralf Jäger den Rücktritt mit deutlichen Worten nahe. Einen eigenen HoGeSa-Untersuchungsausschuss forderten sie hingegen nicht.

Allerdings sieht die CDU Innenminister Ralf Jäger in der politischen Verantwortung für die Ereignisse. Im Vordergrund steht für sie die offensichtliche Fehleinschätzung der Polizei zur Anzahl anreisender Hooligans und Rechtsextremer – angesichts der Bewerbung der Demonstration in den sozialen Netzwerken, tatsächlich erstaunlich. Der CDU-Landtagsabgeordnete Werner Lohe legte den Rücktritt nahe, indem er fragte: „Was muss eigentlich noch alles passieren, bis der Minister erkennt, dass er nach den von ihm als Oppositionspolitiker selbst postulierten Maßstäben schon längst hätte zurücktreten müssen?“

Die Maßstäbe hatte Ralf Jäger aus Sicht der CDU in der Vergangenheit hoch angesetzt. Weil Jäger in seiner Zeit als Oppositionspolitiker mit harscher Kritik und Rücktrittsforderungen an die damals regierenden Parteien nicht gegeizt hatte, trug er den Spitznamen „Jäger 90“. Als stellvertretender Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, hatte er die damalige Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) gleich mehrmals, u.a. nach dem Foltermord an einem 20-jährigen Häftling im Siegburger Gefängnis zum Rücktritt aufgefordert. Das haben einige nicht vergessen und legen nun dieselben hohen Maßstäbe an seine Amtszeit an.

HoGeSa Demo, Foto: Copyright Felix Huesmann
HoGeSa Demo, Foto: Copyright Felix Huesmann

Die CDU kritisierte gestern, dass gegenüber den 4.800 Hooligans und Rechtsradikalen insgesamt nur knapp 1.300 Polizisten – im engeren Gefahrenbereich sogar nur 646 Beamte und Beamtinnen, dem tobenden Mob gegenüber gestanden hatten. Der Rest der Einheiten verteilte sich auf sieben andere Bereiche. Ein ungleiches Kräfte-Verhältnis, das Jäger zunächst auf erstaunliche Weise interpretiert hatte: Das Polizeikonzept sei „richtig“ gewesen sei und die Lageeinschätzung „präzise“. Angesichts der durch die gewalttätigen rechten Hooligans verursachten Verletzungen bei 49 Polizeibeamtinnen und -beamten, kann das allerdings nicht sein.

Auch angesichts der hohen Anzahl verletzter Polizisten ärgert sich die CDU darüber, das der Minister gestern versuchte, die Verantwortung an die Kölner Polizei abzuschieben. Die CDU findet das Herausmogeln aus der politischen Verantwortung unwürdig und zudem „eine Unverschämtheit gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten, die in Köln ihre Knochen hinhalten mussten und deren oberster Dienstherr Innenminister Jäger ist.“ So hatte man bereits Anfang November eine aktuelle Stunde beantragt und eine schriftliche Stellungnahme von Innenministerium Jäger eingefordert. In der Stellungnahme hiess es „dass der zuständige Polizeiführer die Gewaltexzesse nicht erwartet habe“.

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HoGeSa Demo in Köln, Foto: Copyright Felix Huesmann

Das verwundert auch deswegen, weil die Kombination aus Rechtsextremismus und Fußball allen bekannt sein sollte. Einer der Protagonisten ist Siegfried Borchard („SS-Siggi“), der als Mitglied der NRW-Partei „Die Rechte“ nicht nur politisch-rechts agiert, sondern auch als Mitglied der Borussenfront in der Hooliganszene aktiv ist. Als friedliebender Zusammenschluss harmloser Fußballfans ist diese Gruppierung bisher nicht aufgefallen – aus ihrer Gesinnung machen sie kein Geheimnis. Bei einem Freundschaftsspiel in Marl riefen sie „Hoch die nationale Solidarität“ . Im Signal-Iduna-Stadion sorgten BVB-Fans mit einem riesigen Solidaritäts-Banner für die inzwischen verbotenen Nazi-Kameradschaft NWDO (Nationaler Widerstand Dortmund) für Ärger. Das müsste Jäger eigentlich bekannt sein – er selbst hatte den NWDO verboten.

Häppchenweise Klarheit und Zahlenspiele

Also waren die Vorbereitungen für den Hooligan-Aufmarsch in Köln wirklich nur ein polizei-handwerklicher Fehler? Mittlerweile wurden 134 Verfahren eingeleitet und 78 Tatverdächtige identifiziert. Dass im Landtag dennoch allen Ernstes das Wort „schwere Jungs“ im Zusammenhang mit den Gewalttätern fiel, zeigt, dass die falsche Einschätzung des Gefahrenpotentials möglicherweise auch an der fehlerhaften Bewertung des engen Schulterschlusses von manchen (!) Fußballfans und mit der Hooliganszene und Rechtsextremisten.

Auch die FDP hatte bei der Landtagsdebatte am 5. November harsche Kritik geübt. Robert Orth (FDP) meinte in Blick auf Jägers Rolle, wenn ihm die Verantwortung des Amtes zu schwer belaste, dann solle er sich doch davon befreien. Eine indirekt Rücktrittsforderung. Sogar einen Untersuchungsausschuss (PUA) erwog man bei den Liberalen. Doch das hält die CDU nicht für das richtige Instrument – mit diesem scharfen Schwert solle man besser nicht zu inflationär umgehen, heisst es in Landtagskreisen.

Der CDU-Landtagsfraktion reiche es, wenn Jäger endlich die Zahlen auf den Tisch legt. Denn die Abgeordneten wurden von dem berichtenden Vertreter der Sicherheitsbehörden nur häppchenweise informiert. Bemerkenswert ist, dass das notwendige Wissen vorhanden ist: Der Berichterstatter kam mit dicken Akten samt Einsatzberichten unter dem Arm in den Landtag. Verständlich, dass sich die CDU fragt, warum man die Informationen dann „einzeln aus der Nase ziehen“ musste, da sie nicht in dem schriftlichen Bericht stehen. Dafür hatte man den Bericht schliesslich angefordert. Lapidare Antwort auf die Hinweise auf fehlende Punkte im Bericht waren dann unter anderem: „Das habe ich vergessen“.

Vergessen ist in diesem Fall schlecht, da sich die konkreten Zahlen schon allein dann ändern, wenn man beispielsweise von den 1300 Polizisten die 300 Beamten und Beamtinnen abzieht, die allein dafür eingesetzt waren, die Gegendemonstranten zu schützen. „1300 gegen 4800“ klingt zwar besser, ist aber nicht die Wahrheit.

In dem ca. 30 Seiten langen Bericht, der gestern den Abgeordneten vorgelegt worden war, fehlte also genau das: Die harten Fakten. Die FDP beantragte ein Wortprotokoll der Innenausschuss-Sitzung, das in einigen Wochen vorliegen wird. Vielleicht bringt das mehr Klarheit.

CDU fragt: Ist der Innenminister noch zumutbar?

Die Bröckchen-Informationspolitik des Innenministers möchte die CDU jedenfalls nicht länger hinnehmen. Theo Kruse, innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, machte gestern eine umfassende Gesamt(ab)rechnung auf: „Der Innenminister wird seiner politischen Verantwortung zum wiederholten Male nicht gerecht. Er zeigt sich einmal mehr überfordert. Widersprüche ziehen sich wie ein roter Faden durch die Amtszeit des Innenministers. Egal ob nach der Loveparade, nach den Zwischenfällen in Flüchtlingsunterkünften, nach Ausschreitungen am Rande von Fußballspielen oder nach der unsäglichen HoGeSa-Demo in Köln – immer werden von Minister Jäger gleich mehrere „Wahrheiten“ aufgetischt. Frau Kraft muss die Frage beantworten, ob sie den Bürgerinnen und Bürgern wie auch den Polizistinnen und Polizisten einen solchen Innenminister weiter zumuten kann.“

Andere fragen sich das nicht erst jetzt, sondern bereits, als der Skandal um die Misshandlung in NRW-Flüchtlingsunterkünften durch die Sicherheitsleute bekannt geworden war. Doch Innenminister Jäger äußerte sich gestern in der Ausschusssitzung mit einem positiven Blick in die Zukunft: „Wir werden alles unternehmen, um diesem Treiben ein Ende zu bereiten.“ Manche im Landtag glauben, dass das beste Unternehmen, um das Treiben zu beenden, sein Rücktritt wäre.

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der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Wer meint noch länger an Ralf Jäger als Innenminister festhalten zu können, der muss schon ganz schön grün oder rot hinter den Ohren sein. Bedauerlichweise trifft das auf 128 von 237 Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag zu.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
10 Jahre zuvor

Aktuell wird dann über das Chaos bei Abschiebungen berichtet.

http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-meschede-eslohe-bestwig-und-schmallenberg/chaos-bei-abschiebungen-aus-nrw-fuenf-stunden-von-hagen-bis-berlin-id10059717.html

Die nächste Folge „Neues aus dem Innenministerium NRW“ gibt es dann….

Aber für Frau Kraft und die rot-/grünen Abgeordneten scheint alles OK zu sein.

Hubi
Hubi
10 Jahre zuvor

Dann müsste der Innenminister von Niedersachsen auch zurücktreten, da es in Hannover sogar einen versuchten Totschlag gab.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Hubi: Jäger soll nicht zurücktreten, weil es Gewalttaten auf der Demo in Köln gab, sondern weil er im Gegensatz zu seinem niedersächsischen Kollegen im Düsseldorfer Landtag überhaupt keine Kontrollen, keine Pläne oder Organisationsstrukturen vorweisen und belegen kann, die so wie in Hannover gegen Rechtsextreme und Schläger wirksam sind. Lieber hat er keine Ahnung oder lügt ganz simpel.

Eddy G.
Eddy G.
9 Jahre zuvor

Die Berserker Pforzheim sind kein Aushängeschild für die HoGeSa! Recherchiert mal bitte ordentlich!

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