Landtagswahl NRW: Koalitionen jenseits der Parteien-PR

Rot-grün oder schwarz-gelb? Die von den Kommunikationsprofis der Parteien propagierten Regierungsoptionen sind nach dem 9. Mai unwahrscheinlich. Zeit, sich Gedanken über die Möglichkeiten und Probleme der zwei realistischen Koalitionsopitionen zu machen.

Über zwei Themen reden die Politiker nicht nur in NRW sehr ungern: Über die harten Sparmaßnahmen, die wahrscheinlich nach  der Landtagswahl in NRW auf allen Ebenen erfolgen werden und über die realistischen Koalitionsoptionen.

Schaut man sich die Umfragen der vergangenen Monate an, ist es wahrscheinlich, dass es weder für schwarz-gelb noch für rot-grün reichen wird. Die Linkspartei ist seit August 2007 in  keiner Umfrage mehr unter fünf Prozent gewesen. Ob es gelingen wird, sie aus dem Parlament rauszuhalten, darf man bezweifeln. Kommt es nach der Wahl zu rot-rot-grün? Ich glaube es nicht. Auch wenn SPD, Linkspartei und Grüne ein Interesse daran haben, dass solche Bündnisse in Zukunft eine Option sein werden, ist die Linkspartei in NRW ein denkbar schlechter Partner. Ein Bündnis mit den Politsektierern in NRW würde ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene eher beschädigen als stützen. Das wollen Grüne, SPD und auch die Linkspartei in Berlin nicht. Also wenden wir uns den beiden realistischeren Optionen zu: Der großen Koalition und schwarz-grün.

Große Koalition
In vielen Bereichen stimmen SPD und CDU überein: In der Industriepolitik sind die Unterschiede gering. Beide Parteien wollen, dass die Industrie in NRW ihre Großprojekte umsetzen kann. Bei allem Streit um das Verfahren: Auch die SPD will, wie die CDU, neue Kohlekraftwerke in NRW, will die Energieversorger nicht übermäßig belasten und ist an attraktiven Rahmenbedingungen für die Großindustrie interessiert. In der Bildungspolitik könnte sich die SPD durchsetzen. Rüttgers hat schon im vergangenem Jahr gegenüber einer SPD-Oberbürgermeisterin erklärt, er wisse, dass es in der Schulpolitik nicht so weiter gehen könne. Längeres gemeinsames Lernen könnte so ein Erfolg der SPD in den Koalitionsverhandlungen werden, und dass Rüttgers sein Amt riskiert, um die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern, darf bezweifelt werden. Kleinere Änderungen bei Hartz IV würden auch mit Rüttgers gehen.

Schwarz-grün
Schwarz-grün in NRW würde sowohl für CDU als auch für die Grünen neue Koalitionsoptionen im Bund eröffnen und ist somit für beide eine strategisch interessante Koalition. Inhaltlich passt das nicht? Die Grünen würden mit der CDU dafür sorgen, dass die große historische Leistung der Landesregierung, der Kohle-Ausstieg, nicht angerührt werden würde. In der Bildungspolitik könnte Rüttgers nachgeben und auch die Studiengebühren könnten fallen. Beim Atomausstieg könnte Rüttgers  nachgeben. von Beust in Hamburg und Müller im Saarland haben das auch schon getan. Dafür würde die Union in den beiden Feldern Wirtschaft- und Sozialpolitik die Oberhand behalten. Würde Rüttgers das erste schwarz-grüne Bündnis in einem großen Bundesland hinbekommen, könnte er  auch versuchen sich 2014 in das Bundespräsidialamt zu verabschieden: Er wäre für CDU, FDP und Grüne in der Bundesversammlung wählbar. Wenn Merkel mitspielt…

Wir als Wähler sollten nun über diese Bündnisoptionen diskutieren und nicht über die Vorgaben aus den Wahlkampfzentralen, die am 9. Mai um 18.00 Uhr ohnehin nichts mehr wert sein werden.

Foto: Landtag NRW

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Dieter Carstensen
14 Jahre zuvor

Den Inhalt des Kommentars teile ich. In der Tat ist Die Linke NRW gesondert zu betrachten. Mein Eindruck ist, daß sie der Linken bundesweit mehr schadet als nutzt. Die Linke Bund habe ich gewählt, die Linke NRW halte ich für unwählbar.

Es kann tatsächlich nicht im Interesse der Bundeslinken liegen, die aus zig Sektierergrüppchen zusammengewürfelte NRW Linke mit ihren zum Teil abstrusen politischen Forderungen in einer NRW Landesregierung zu sehen.

Die Linke NRW wäre damit inhaltlich und personell mit ihrer Laiendarstellertruppe vollkommen überfordert. Eine rot-rot-grüne Regierung könnte kein Jahr überleben.

Würden die gewählten NRW linke Abgeordneten eine realistische Sachpolitik in der Regierung betreiben, würde ihre vollkommen unrealistische Basis vollkommen auseinanderbrechen und die Abgeordneten ohne Basis dastehen.

Da sie das nicht können, sind sie also zu einer unrealistischen Politik verdammt!

Und wer will mit einer Partei koalieren, die zu all dem anderen politischen Unsinn auch noch eine Sarah Wagenknecht von der kommunistischen Plattform zur Wahl aufgestellt hat, die nach höchstrichterlicher Rechtssprechung des Oberlandgerichts Hamburg, gemäss einem Bericht der „Magdeburger Volksstimme“ als „NEO – Stalinistin“ bezeichnet werden darf?

Link zum Artikel: https://vsdigital.volksstimme.de/Olive/ODE/MDX/LandingPage/LandingPage.aspx?href=TURYLzIwMTAvMDMvMDQ.&pageno=Ng..&entity=QXIwMDYwOQ..&view=ZW50aXR5

Es läuft meiner Einschätzung nach auf schwarz-grün hinaus, was ja auch die Quintessenz Ihres Artikels ist, alle anderen Optionen halte ich für unrealistisch.

Andreas
14 Jahre zuvor

„Würde Rüttgers das erste Schwarz-Gelbe Bündnis in einem großen Bundesland hin bekommen“ – Es muss schwarz-grün heißen 😉

Nun zum Thema: Aktuell hat auch schwarz-grün wieder keine Mehrheit mehr.
Dass die CDU inhaltlich für die Macht vieles mitmacht, ist schon bekannt.
Aber ob Rüttgers mit der SPD (mit den Grünen wäre etwas anderes) eine „Einheitsschule“ um den Kampfbegriff zu wählen, mitträgt, wäre nach dem Wahlkampf schon sehr großes Winden…

BesorgterBürger
BesorgterBürger
14 Jahre zuvor

vorletzter Satz im Rüttgers-Abschnitt, da ist wohl ne falsche Farbe genannt… 😉

Ansonsten erstmal Zustimmung.
Rot-Grün und Schwarz-Gelb sind nur Optionen, falls es die Linkspartei nicht in den Landtag schafft. Schafft sie es, ist Rüttgers der Ministerpräsidentenposten weiterhin sicher.
Anders als mein Vorkommentator halte ich jedoch die Große Koalition für wahrscheinlicher als Schwarz-Grün, da die SPD wahrscheinlich billiger zu haben sein wird als die Grünen und die SPD in ihrem einstigen Stammland nicht weiterhin in der Opposition sitzen will…
so kommt es mir zumindest vor, wenn ich Vertreter beider Parteien hören…

Rechen-Genie
Rechen-Genie
14 Jahre zuvor

Tippe auch auf eine grosse Koalition.

Viel wichtiger wäre mir aber, dass Antisemiten wie Dierkes nicht in den Landtag kommen.

Koalitionär
Koalitionär
14 Jahre zuvor

„Würde Rüttgers das erste Schwarz-Gelbe Bündnis in einem großen Bundesland hinbekommen….“

Wohl nur ein „freudscher verschreiber“ von Herrn Laurin?

Detlef Obens
14 Jahre zuvor

Ich teile die Analyse des Autors ebenso, wie ich den Kommentar von Dieter Carstensen (#1) voll inhaltlich mittrage.

Das die NRW-Linke unwählbar ist, so wie sie sich derzeit darstellt, dürfte vielen mittlerweile klar sein. Auch, das eine SPD auf Treibsand bauen würde, sollte sie sich mit der linken Gruppierung einlassen. Die SPD hat schwere Fehler gemacht, auch Heute noch, sie wird auch in NRW weiter Federn lassen müssen. Ob die enttäuschten SPD-Wähler allerdings ihre Stimme als gut aufgehoben bei den Linken betrachten können, ist sicher äusserst fragwürdig.

Die Rüttgers-CDU und die Mövenpick-Partei scheinen offenbar ihre Anhängerschaft bestens zu mobilisieren. Denn wie wäre es sonst möglich, das Schwarz-Gelb nach der Heute veröffentlichten Umfrage, wieder in absoluten Stimmen die Nase vorn hat?

Aber für uns WählerInnen wird es verdammt schwer. Wer bekommt letztendlich meine Stimme und wofür und warum? Sind wir, das Wahlvolk, nur noch eine Masse an Stimmen und Prozentevergeber, und die Parteien bestimmen am Ende selbstständig, wer wie viele Stimmen und Wähler von wem im Tausch erhält? Sorgt meine Stimme wohl möglich am Ende dafür, das ein Politsektierer der Linkspartei ministrabel wird?

Sollte die NRW-Linke unter der magischen 5%-Grenze bleiben, was ja in jedem Fall ein großer und historischer Erfolg für sie wäre, gemessen am letzten Landtagsergebnis (damals noch WASG/PDS), würde es nach Einschätzung vieler Demoskopen für Rot-Grün reichen. Kommen sie rein, wird vieles möglich. Oder unmöglich?

Aber wie sagt Reich-Ranicki, nach Bertold Brecht, immer:

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen – Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

„Die Abgrenzung der SPD von der Linkspartei hat seiner Ansicht nach bislang zu keiner Abwanderung potentieller Linken-Wähler zur SPD geführt.“

Ist nicht von mir, sondern von dem Leib-und-Magen-Demoskopen der Schröder-Steinmeier-Gabriel-SPD, Gen. Güllner. Aber die SPD grenzt sich lieber schön ab und wird noch dankbar sein, Juniorpartner des Arbeiterführers spielen zu dürfen.

Güllners neueste Umfrage, es wurde hier schon erwähnt, sieht keine schwarz-grüne Mehrheit mehr. Eine Ampel wäre aber möglich, oder eine schwarz-links-gelbe Mehrheit. Wollen „wir als Wähler“ wirklich über Bündnisoptionen diskutieren, die uns die spin doctors oder die Demoskopen vorgeben? Oder wollen wir nach Inhalten wählen und dann Koalitionen schmieden?

Thomas Nückel
Thomas Nückel
14 Jahre zuvor

Wer auf Umfragen schielt, kann auch gleich in die Glaskugel schauen. Schon vor der letzten Bundestagswahl waren nach den Umfragen Zweierbündnisse ausgeschlossen und angeblich nur Jamaica, eine Ampel oder die große Koalition möglich. Am Wahltag wurde noch Umfrageschwachsinn getwittert. Und dann gab es einen deutlichen schwarz-gelben Sieg, obwohl fünf Parteien im Bundestag sind. Derzeit führt (FORSA vom 21.4.) übrigens Schwarz-gelb mit 46 zu 43 vor Rotgrün bzw. Rotrotgrün mit 48 zu 46 vor Schwarz-Gelb.
Alles ist offen. Herrliche Zeiten für Wettbüros. Aber vergeßt die Umfragen. Es gibt Staaten, die verbieten Umfragen (bzw. dessen veröffentlichung) kurz vor Wahlen. Die Menschen sollen aus ihrem politischen Herzen heraus wählen und nicht nach evt. bestellten Zahlenspielen.

Beate
Beate
14 Jahre zuvor

Ich habe das mit dem Sparen nicht so recht verstanden.

Also welche Produkte oder Dienstleistungen sollen nach der Wahl in NRW nicht mehr produziert oder angeboten werden?

Oder meinen sie etwas ganz anderes Strukturänderungen in den Produktions- und Dienstleistungsangeboten?

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (#11)

Wenn das schon feststeht, brauchen „wir als Wähler“ ja auch nicht mehr wählen zu gehen. Oder?

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (#13)

Ist bekannt. Ihren Artikel habe ich ja auch kommentiert. 🙂

„Und dann ist das Wahlrecht eine so gute Sache, dass man es auch wahrnehmen sollte.“

So wie man Sport treiben und sich gesund ernähren sollte?

Das Wahlvolk ist in diesem Land der Souverän. Wahlen (und Abstimmungen) sind das einzige Mittel des Souveräns, seine Staatsgewalt auszuüben – werfen Sie mal einen Blick ins Grundgesetz! Wer die Leute wählen gehen lässt, ohne dass auch nur der Hauch einer Chance auf einen Politik- (nicht nur Regierungs-) wechsel besteht, oder wer die Inhalte festzurrt und zur Ablenkung über Koalitionsoptionen diskutieren lassen will, der nimmt die bevorstehende Landtagswahl nicht wirklich ernst und trägt zur allgemeinen Demokratieverdrossenheit bei.

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (#15)

Sie meinen offenbar, die Parteien unterschätzten, dass die Bürger bereit seien, die ihnen von den Parteien unisono servierten Konzepte (Haushalte sanieren, Steuern senken, weitere Sozialstaatsreformen, weitere Deregulierung und Privatisierung) zu akzeptieren.

Sie reiten ein totes Pferd. Immer weniger Menschen glauben an diesen Hokuspokus. Je schneller Straßen und Städte verfallen, desto rapider schwindet auch der neoliberale Irrglaube. Zur Demokratie gehört es auch, dass die Volksvertreter die Einsichten der von ihnen Repräsentierten einmal nachvollziehen.

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Stefan Laurin

Mein Pferd hieße Soziale Marktwirtschaft – es ist aber ähnlich tot wie das Ihre, denn es wird von den Eliten nicht mehr gewünscht.

Und wo genau wollen Sie in die öffentlichen Ausgaben noch einschneiden?

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (#19)

Sie wissen aber schon von dem Zusammenhang zwischen Deregulierung, Privatisierung und „Staatsverschlankung“ einerseits und der Sozialisierung von faulen Krediten und Unternehmensverlusten andererseits, oder?

Ihrer Privatisierungsagenda sollten Sie vielleicht doch abschwören, hm?

Beate
Beate
14 Jahre zuvor

Da bin ich mal gespannt, wenn das Land Personal abbaut und weniger Dienstleistungen und Waren nachfragt, wie weit dass trägt.

Die Chemiegewerkschaft hat praktisch einer Lohnkürzung zugestimmt, wer soll für die öffentliche Hand als Nachfrager in die Bresche springen?

Abgesehen davon, dass es Zeit braucht öffentlich Bedienstetein privat Bedienstete , Bankangestellte, umzuschulen.

Schließlich stehen den öffentlichen Schulden gleichhohe Guthaben gegenüber.

Und von den Zinszahlungen auf diese Guthaben, die zum grossen Teil im Bankbesitz sind, lassen sich hunderttausende ABM-Beschäftigte im Bankensektor finanzieren.

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crimejournal
14 Jahre zuvor

Zu #14 steht etwas von Souverän, wie dieses seine einzige Form der Staatsgewalt ausüben könne, versehen des Hinweis, sich diese Erkenntnis im Grundgesetz noch mal anzuschauen. Erstens: Unsere Verfassung ist nur etwas fürs Volk, das müsste eigentlich der letzten Jahre nun jeder bemerkt haben auch ohne sich in den Leichenkellern der Staatsgewalten auszukennen. Und des weiteren steht da nirgendwo wie der Souverän nur könne oder dürfe und das er es nur so wie dort erklärt könne, im Gegenteil steht es dort ganz anders. Da steht sogar, daß dieser Souverän das nicht nur darf, sondern gar verpflichtet wäre im Falle. Unsere Demokratie ist nicht mehr passiv, sie ist wehrhaft. Und schon oft ist versucht worden eben jene Passagen des GG zu beseitigen.

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