In seiner Osterrede kündigt NRW-Ministerpräsident Laschet erste, vorsichtige Schritte in Richtung Normalisierung an. Er folgt damit dem von der Landesregierung eingesetztem Expertenrat, der eine teilweise Rückkehr in 3-Phasen vorsieht. Laschet wir sein Expertenrat sind vorsichtig. Sie versprechen nicht zu viel, betonen die Risiken des Vorgehens und prognostizieren Rückschläge. Irgendwann, das ist klar, müssen die strengen Regeln gelockert werden. Doch ist das eine Frage, bei der ein Landespolitiker vorgehen muss? Sind die Lockerungen von Regeln nicht eher Entscheidung, über welche die Bundesregierung – gemeinsam mit den Ministerpräsidenten und in Abstimmung mit den europäischen Partnern entscheiden sollte? Die Coronakrise ist kein regionales Problem und ihre Lösung kann ebenfalls nicht regional sein. Laschet will CDU-Vorsitzender werden, ein Amt, dessen Inhaber den Anspruch haben muss, als Kanzler anzutreten. Er platziert sich mit seiner eher liberalen Haltung gegen seinen bayerischen Amtskollegen Markus Söder und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zur Vorsicht mahnt.
Weder im Papier der Experten noch in Laschets Rede finden sich Gründe, Anstoß zu nehmen. Der Grund, dies trotzdem zu tun, ist ihre bloße Existenz. Lascht weckt Hoffnungen, die er nicht erfüllen kann. Der Druck auf alle Verantwortlichen in der Krise ist groß – gemeinsames, abgestimmtes Handeln macht Sinn. Wer jetzt vorprescht, und sei es nur, in dem er ein Ende der Einschränkungen in Aussicht stellt, beginnt ein Vabanquespiel mit den Erwartungen der Menschen. Es ist nicht die Zeit, in der man als Politiker so etwas tun sollte.
Gemeinsames Handeln macht eben nur begrenzt Sinn.
In Bayern ist die Situation komplett anders als insbesondere in MeckPomm.
Herr Söder hat eine andere Situation zu verantworten als Frau Schwesig.
In Spanien ist die Lage anders als in Deutschland. Andere Länder überwinden die Starre.
Hierbei erhöht insbesondere Österreich die Schlagzahl.
Irgendwann muss auch Frau Merkel den Bürgern erklären, was sie mit den erheblichen Einschränkungen konkret bei jeder Maßnahme bewirken will und warum das nicht mit geringeren Einschränkungen möglich sein soll. Notfalls werden Gerichte die Grundrechtseinschränkungen über einen langen Zeitraum nicht mehr durchwinken. Herr Laschet betont die negativen Auswirkungen der aktuellen Situation nur ansatzweise.
Das Virus verschwindet nicht! Schockstarre hilft nicht.
Als Söder in die umgekehrte Richtung vorangeschritten ist, wurde er dafür gelobt. Härte kommt in Deutschland schon immer besser an als Liberalität. Vor allem wenn die Bevölkerung auf "alternativlos" eingestimmt ist.
"…Wer jetzt vorprescht,… Es ist nicht die Zeit, in der man als Politiker so etwas tun sollte."
Sehe ich auch so.
@ Ke
Den Verweis darauf, dass Österreich die Maßnahmen jetzt lockert, hört man öfter. Aber: In Österreich waren die Beschränkungen bis jetzt auch härter als in D, das muss in Betracht ziehen, wenn man Österreich als Beispiel nennt. Genau genommen stellt die "Lockerung" in Österreich sowas wie eine Angleichung an die Restriktionen in den meisten Bundesländern Deutschlands dar.
Ich halte es für verkehrt, diffuse Hoffnungen zu schüren, ich denke, man kann den Leuten schon die Wahrheit zumuten.
Ich habe letztens einen sehr klugen Kommentar von Mai Thi Nguyen-Kim zum Thema gesehen, der gewisse Vorgaben für eine Lockerung umrissen hat, Reproduktionsquote deutlich unter 1,0, um die Infizierungsketten wieder verfolgen zu können z. B., und wieder hochfahren der Restriktionen wenn sich die Zahlen wieder verschlechtern – was nicht notwendigerweise heißen muss, dass dann wieder "alles auf Start" geht, man hat in den vergangenen Wochen schließlich schon Erfahrungen gemacht und dazugelernt.
So etwas macht durchaus Hoffnung – aber eben keine falsche.
Das sind klare Vorgaben, gut begründet, so solls sein.
"Härte kommt in Deutschland schon immer besser an als Liberalität."
Einmal das (vor allem das!) und dann kommt noch Kurzsichtigkeit dazu: Ich habe mich jetzt mehrfach mit harten Verfechtern des Lockdowns unterhalten. Keine Angst, per Telefon und selbst dann mit zwei Meter Abstand zur Freisprecheinrichtung ;-).
Was ich immer wieder gehört habe, waren keine abwägenden Argumente zu "flatten the curve" oder Herdenimmunität, sondern: "Ich will nicht krank werden". Das mag sehr anekdotisch sein, spiegelt aber vieles wieder, was ich auch in großer Zahl online lese. Die Motive sind gar nicht so komplex. Wohl nur deswegen ist ein recht perspektivarmer Lockdown zu verkaufen. Man denkt, dass es reicht, wenn der Kopf im Sand steckt. Irgendwann wird der Virus einfach weg sein. Wenn wir jetzt zuhause bleiben. Und bis dahin zahlt der Staat ja für alles. Auch den Strom, der bekanntlich nur aus der Steckdose kommt. Notfalls bringt sicherlich Söder noch Klopapier vorbei. Und die Wirtschaft soll sich mal nicht so anstellen, wir machen jetzt einfach so lang große Netflix-Party, bis alles vorbei ist. Danach geht's dann einfach weiter, als sei nie etwas gewesen.
Klar, killt die deutsche Wirtschaft ab. Ob das übrigens mit einem ewigen Festhalten am Lockdown oder einem ständigem hin-und-her erreicht wird, ist egal.
Wenn dann der Impfstoff entwickelt wird, kaufen wir den durch Tauschhandel mit Spargel.
Kurzsichtig ohne Ende, aber dafür 'humanitär' und so.
Dass es keinen Alt-Zustand geben wird, ist klar.
Es gilt nun seit Wochen, einen Weg zu finden, wie unter den Bedingungen, die eine Virusübertragung möglichst verhindern werden, ein Leben weitmöglichst funktionieren kann.
Das ist in vielen Fällen durchaus ohne großes Risiko möglich, es erfordert aber Disziplin und auch eine staatliche Überwachung, um insbesondere Menschenansammlungen in Räumen wirksam zu verhindern.
Eine besonderer Priorität muss dabei der Schutz der Risikogruppen sein. Ebenso muss auch deutlich erklärt werden, wie hoch das Risiko für versch. Gruppen ist, schwer zu erkranken bzw. zu sterben. Aber auch ältere Menschen haben das Recht, am Leben teilzunehmen.
Wer möchte bei geringer statistischer Restlebenserwartung hauptsächlich in einer Wohnung verbleiben?
So richtig spannend wird für mich das Thema Schule, da die Kinderbetreuung auch Basis für viele weitere Tätigkeiten der Eltern ist. Leider habe ich diesbzgl. -abgesehen von der Expertengruppe- nur wenige Vorschläge gesehen, die lösungsorientiert sind. Die meisten Interessensgruppen erklären wieder mal nur, was alles nicht geht.
P.S.: Die Vorschläge zum Unterricht sind eigentlich so offensichtlich, dass ich sie auch vor ein paar Tagen in einem KOmmentar vorgeschlagen hatte. Ich bin nur erstaunt, dass nicht auf die "unterrichtsfreie Zeit" (Ferien) als Kapazitätserweiterung eingegangen wird.
@5 S Scheidle
Ich sehe die Reproduktionszahl, die aktuell lt. RKI bei ca. 1,3 liegt, für die Nachverfolgbarkeit nicht als besonders wichtig an.
Hier interessieren doch eher die aktiven Fälle und deren Entwicklung. Die Repoduktionszahl ist für die Dynamik wichtig, aber fürs Tracking sind es die absoluten Fälle. Für die Gesundung ist es der Durchseuchung der jeweiligen Risikogruppen (viele -insbesondere jüngere Menschen- bekämpfen das Virus ohne große medizinische Hilfe) und die Kapazitäten des Gesundheitssystems.
Die Absolutzahlen der Fälle ist seit Tagen relativ konstant.
Die Krankenhausbetten im Intensivbereich wurden für Corona Patienten reserviert. Dafür müssen andere OPs verschoben werden. Wenn das Verschieben immer ohne Risiko ist, könnte man den Sinn der Behandlungen anzweifeln.
Wenn wir weitere Schritte in Richung "Leben mit dem Virus" jetzt nicht gehen, wann dann?
Als Zeichen,dass er da ist, könnte man auch Masken in Räumen verpflichtend machen.
Man sollte bei allem was man tut das Vermehrungspotential dieses Erregers nicht unterschätzen. Am 05.03.2020 hatten wir in Deutschland offiziell gut 400 Infizierte. Am 05.04. waren es bereits 100.000. Natürlich benötigen wir ein Ausstiegsszenario aus dem Lockdown. Aber ergreift man jetzt die falschen Maßnahmen, dann kann die Situation schnell außer Kontrolle geraten. Im besten Fall muss man mit den massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft neu beginnen, und im schlechtesten Fall drohen uns dann noch immer spanische oder italienische Verhältnisse.
Was die aktiven Infektionen angeht, so ist die Zahl zwar mittlerweile zurückgegangen, aber wir sind noch immer auf einem sehr hohen Niveau, im fünfstelligen Bereich. Armin Laschets Verhalten erinnert da ein wenig an das eines quengeligen Kindes, "Mama, wann sind wir endlich da?". Hat man jetzt zwei, drei Wochen mehr Geduld, dann muss man eventuell das, was wir jetzt machen, nicht in einigen Wochen oder Monaten wiederholen.
Zudem gibt es leider in Verbindung mit Sars-CoV-2 noch zahlreiche offene Fragen. So ist beispielsweise bekannt, dass Kinder und Jugendliche deutlich seltener offen an Covid-19 erkranken. Einige Experten gehen aber davon aus, dass es hier "stille Infektionen" geben könnte. Junge Menschen zeigen keine Symptome, aber sie geben den Erreger trotzdem an ihre Umgebung weiter. In diesem Fall könnte die frühzeitige Öffnung der Schulen zu einem Desaster führen. Gerade größere Schulzentren könnten so zu "Virenschleudern" werden. In den Fluren, in den Treppenhäusern, in den Pausenhallen steht man dicht gedrängt, und in den Klassenzimmern gibt es keinerlei Möglichkeit, ausreichend auf Abstand zu gehen. Wieso wartet man hier nicht etwas länger ab und verlängert ggf. das Schuljahr? Urlaubsreisen werden in diesem Sommer wohl eh meist ausfallen.
Der Auftritt unserer Landesregierung in der Öffentlichkeit ist leider eh suboptimal. Das Bild von Armin Laschet mit falsch aufgesetztem Gesichtsschutz beispielsweise bleibt haften. Und auch der Auftritt von Professor Streeck vor den Feiertagen wirkte seltsam deplatziert. Seine Arbeit an sich kann ich nicht beurteilen. Aber das was man dort der Öffentlichkeit präsentierte, wirkte noch unausgegoren. Dazu auch noch die Unterstützung durch Medienexperten, die eigentlich im Bereich des Boulevard-Journalismus zu Hauses sind. Ein zweiseitiges, mittlerweile wohl zurück gezogenes Papier, in dem noch nicht einmal die Schreibweise von Sars-CoV-2 und Covid-19 konsistent war. Da hätte man besser die Feiertage nutzen sollen, seine Hausaufgaben zu machen. Vor die Medien hätte man dann in der jetzt begonnen Woche treten können.
@Ulrich #10
"…Gerade größere Schulzentren könnten..zu "Virenschleudern" werden. In den Fluren, in den Treppenhäusern, in den Pausenhallen steht man dicht gedrängt, und in den Klassenzimmern gibt es keinerlei Möglichkeit, ausreichend auf Abstand zu gehen…" Das ist die Befürchtung vieler und deswegen ist dieser Gedanke, dass in Schulen schon wieder unterrichtet werden könnte, für mich keine Option.
"…Der Auftritt unserer Landesregierung in der Öffentlichkeit ist leider eh suboptimal. Das Bild von Armin Laschet mit falsch aufgesetztem Gesichtsschutz beispielsweise bleibt haften…" Da können Sie sicher sein!
Wenn die Regierungszeit der jetzigen NRW-Landesregierung ab heute beendet wäre, bliebe mir nur Reul positiv in Erinnerung. Mit Laschet, Laumann, Stamp, Gebauer usw. bin ich mehr als unzufrieden.
"Vabanque" bei einer angekündigten Trippelschrittstrategie? Das ist ein Widerspruch in sich.
Der Weg raus aus dem Stillstand muß gesucht werden, keiner weiß wie der funktioniert. Genau deswegen versucht fast jeder sich hinter einer höheren Instanz zu verstecken, Bürgermeister hinter dem Land, das Land hinter dem Bund, der Bund und alle zusammen hinter DER Wissenschaft, der WHO, hinter DEN Experten – außer Klein-Laschet.
Und weil fast jeder auf den großen Zampano wartet ist Laschet so in der Kritik.
Gerade ist hier bei Euch ein Artikel eingestellt, der die Diskussion nach den Kosten des Stillstands einfordert (https://www.ruhrbarone.de/was-ist-der-preis-der-massnahmen/182951). Ein Preis ist z.B. drohende Kurzarbeit im hiesigen (Witten) Krankenhaus, das möglichst alle Betten für das eine Problem freihalten muß. Schlau gell!
In einem anderen Artikel wurde entlang der Kriegsmetapher argumentiert. Da wäre Maginot-Linie nicht das schlechteste Analogon zum Stillstand – frißt Ressourcen, bindet Kräfte am falscher Stelle, ist im Zweifelsfall am falschen Ort stark befestigt, macht aber einen guten Eindruck und ist propagandakompatibel und nimmt Denken und Verantwortung ab.
Ein Grund warum es in D nicht so schlimm wie in F läuft, ist der Föderalismus, die Verantwortlichkeit der Landesregierungen. Als im Elsaß die Katastrophe ihren Lauf begann, mußte die Präfektin Entscheidungen in Paris abwarten. Im Ergebnis waren Ba-Wü, Rheinlandpfalz und das Saarland genauso schnell zur Stelle wie die TGV's, die die Kranken vom Hotspot im übrigen Frankreich verteilten.
Natürlich ist Corona eine globale Herausforderung. Man muß dabei aber die Restriktionen der jeweiligen Akteure im Blick behalten. Wenn z.B. die WHO China und seinen "Clown ohne Kleider" (Ren Zhiqiang) über den grünen Klee hinweg lobt, dann hat das Gründe, die nicht gesundheitspolitisch hinterlegt sind. Einer davon ist, daß Ren Zhiqiang heute verschwunden ist und ebenso wären etwaige Informationen aus China, welcher Güte die auch immer sein mögen, im Orkus entschwunden, was für die WHO ein noch größeres Problem wäre, als stimmig geschönte Statistiken. Peinlich, daß dies die westliche Presse ganz überwiegend nicht herauszuarbeiten versteht, sondern sich in Phantasien zur Überlegenheit der Diktatur, am Führprinzip und in feuchten globalen Gleichschaltungsphantasien ergeht.
Der Krankheitsverlauf ist regional in seiner Quantität völlig unterschiedlich. Eine optimale Reaktion würde darum regionale Antworten finden wollen. Das setzt Zutrauen zu und Kompetenz in den Großstädten und Kreisen voraus. Davon kann man nicht immer ausgehen. Ein umfassendes nationales Versagen auf allen Ebenen wie in Italien gibt es in Deutschland aber auf jeden Fall schon mal nicht. Mein Zutrauen in die hiesigen Stadt- und Kreisregierungen ist aber auch begrenzt. Sinnvoll wäre also ein Pflichtenkanon und Rahmenplan für das Land inklusive Kann-Regelungen für die nachstehenden Instanzen. Meistens regelt sich dann sowas von selbst. Die Zweifler halten sich in gesunder Selbsteinschätzung an übergeordnete Stellen, die Macher probieren Dinge aus.
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