„Les gens sont fous, les temps sont flous“ – Jacques Dutronc
„Grabbed you by the guilded beams – uh, that’s what tradition means“ – Morrissey
Letzte Woche war zu lesen, dass die Zielgruppe dieser Seite hier großteils aus allein stehenden Männern um die 50, die wohl auch noch an ihren Arbeitsplätzen sitzen, besteht. Kein Wunder, dass meine Quote nicht stimmt! Da bin ich dann mal ganz tief in mich gegangen und habe überlegt, was ich dieser Art Menschen, und dann noch aus dem Ruhrgebiet, zu lesen geben könnte. Das war keine schöne Zeit.
Zudem bin ich in der Hauptstadt dieses Staates hier letztens noch für einen Hamburger gehalten worden! Also, klar, das kennt man auch von hier: Relativ gut gelaunte Leute kommen irgendwo rein und benehmen sich eben nicht so in der mittlerweile typisch unzufrieden-großspurigen Art der Immer-noch-gottweißwie-Privilegierten-mit-(bestimmt genetisch bedingter)Verlustangst – und schon fragen die Eingeborenen: „Wo kommt Ihr denn her?“ oder einfach „Hamburg, ne?“. Auf ersteres antwortet man wahrheitsgemäß und muss dann mit Fußballvereinen prahlen, die einem total egal sind. Auf zweitereres erwidert man einfach „Nein.“ Und bekommt noch ein ungefragtes „Wegen dem Akzent!“ als Zugabe.
Später am Wochenende habe ich mir dann noch von einer Wienerin mit Sitz Berlin angehört, wie großkotzig und weltfremd sich Bands von der Ruhr andernorts benehmen – und ich erwiderte, dass ich ja gerne einen Film über Festland in Mexico drehen würde, aber dass das Goethe Institut das genau nun wohl eben nicht finanzieren wird. Aber 22 Agenten aus Libyen rausholen, das können diese Leute. Oder waren das wieder nur Menschenrechtler, christliche Missionare oder gar Journalisten? Künstler vielleicht? Gut, dass da die Identitäten immer so eindeutig sind!
Apropos eindeutige Identitäten: Nachdem ja ein crossgender-Linksparteimitglied aus Mülheim nicht nur letztes Jahr von sich reden machte, erklären uns jetzt die body politics eines Menschen aus Baden-Württemberg mal Teile der deutschen Nachkriegsgeschichte in ganz kurz, aber deutlich: Horst Strub war Mitglied (räusper) der NPD, nahm dann die Operation vor, und nun ist Monika Strub in der Linkspartei. „Ich habe mit der NPD vollständig gebrochen“, sagte Strub, „ich bin eine aufrichtige Sozialistin.“ Warum macht sich nicht mal ne volllinke Frau zu nem vollrechten deutschen Mann? Macht die Welt nicht einfacher? Hm. Jedenfalls: Wenn sich so die Bälle zwischen den „Extremen“, äh „unvereinbaren Gegensätzen“ zugespielt werden, dann ist das hier wirklich eine Musterdemokratie! Dialektik, die rockt! Müssen wir da noch „Wer wenn nicht wir“ (RAF und so) gucken, wo Sex, Crime, Rebellion und Faschismus sich noch schön experimentell zwischen mehreren Körpern abgespielt haben? Vielleicht. Der sexy deutsche Bürgerkrieg da im 20. Jahrhundert, ne? Wir erinnern uns vage. Gab ja auch noch ein Revival dazu nach 1989. (Warum heißt der Film eigentlich nicht „Bitte alle, nur nicht Ihr!“? Ah, Dialektik, ne?) Der Kino-Tipp der Woche sei aber doch eher „Der Plan“ nach „Adjustment Team“ von Philip K. Dick. Bitte im Original gucken!
Erinnert zusammen genommen so manch gebildeten Ruhrgebietsbürger vielleicht an Langhans bei Maischberger und wie er ernsthaft behauptete, das Internet wäre quasi ein Katalysator für eine neue Stufe des Menschseins. Kein Internet? Kein Mensch! Aber diese Sorte ständig flüssiger Typen braucht ja immer eine klare harte Währung und ganz viel „Volkskörper“, das haben sie sich bei ihren Eltern abgeschaut.* Müsste etwa in Ihrem Alter sein, dieser Typ, oder? Grüße an die Familie! So, und jetzt aber wieder Energiepolitik machen, ne? Intervenieren! Intervenieren! Weg vom Schreibtisch!
Reisefotos: Jens Kobler (feat. u.a. Harrison Ford in „Blade Runner“)
*In dieser Sendung über Sex, Geld, Macht und Berlusconi fehlte denn natürlich auch der extrem nahe liegende Bezug zu den neo-patriarchalen Studentenkasten (nicht nur) im Italien der Sechziger – wie es u.a. in dem (mittelmäßigen und an Tabuzonen immer noch reichen) „Rebellion und Wahn“ von Peter Schneider ansatzweise nachzulesen ist. Stattdessen gab es mal wieder „Körperarbeiterinnen“ als Heldinnen des Pazifismus. Genau: F*** den Mussolini Jr.! Bzw. in Deutschland lieber „Fickt das System“. (Frank Spilker von Die Sterne: Westfale. Dann Hamburg. Dann auch mal Berlin.)