In der letzten Woche hat der Netzweltwutbürger mal wieder mehr genervt als so manche politische Entscheidung in Deutschland. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.
Der Netzweltwutbürger arbeitet sich nämlich immer an konkreten Personen ab: Der Verteidigungsminister. Der Außenminister. Der Premierminister. Und das könnte in manchen Fällen sogar zu interessanten Fragestellungen führen, wenn der Netzweltwutbürger nämlich einmal die Beziehungen zwischen diesen Leuten überdenken und noch etwas Weiteres bedenken würde, was er meist verdrängt, weil er sich sonst nicht selbst inszenieren kann: Politiker wissen vieles früher als der Medienkonsument.
Auf einer ganz netten Geburtstagsparty gestern gab ich zum Beispiel zum Besten, zu Guttenberg (oder jemand anderes) könnte ja dieses Doktortitel-Ding als eine Art Ausstiegsszenario selbst permanent parat gehabt haben. Und dann fiel mir ein: Westerwelle steht für das „Nein“ zum Libyen-Einsatz und zu Guttenberg muss sich weiter mit Afghanistan herumschlagen? Das wäre doch – in einer Parallelwelt sozusagen – eine spannende Vorstellung. Denken Sie doch einmal kurz darüber nach, wenn Sie mögen.
Und weiter: Denn natürlich ist einschlägigen Kreisen bekannt, dass die U.S.A., Frankreich und Großbrittanien schon länger diese National Front for the Salvation of Libya (oder whoever) unterstützen. Pikanter Weise tun dann auch noch die von Al-Qaida so, als seien sie auch auf Seiten der Revolution, Demokratiebewegung, der Rebellen, blabla in Libyen. In Afghanistan also gerüchteweise gegen, in Libyen mit Al-Qaida zusammen operieren? Tja, Stellvertreterkriege haben etwas Merkwürdiges, vor allem wenn permanent verschiedenste Player aufgebaut und dann wieder niedergeknüppelt werden. Und das kommt natürlich dem Couchpotato in ständiger Pogromstimmung entgegen. Panis et circenses. Sweet bird of truth. (Schade, dass F.S.K. in Düsseldorf nicht „Patrona Namibiae“ gespielt haben. Kann ich Ihnen nun leider nicht verlinken. Ist aber auf „Son of Kraut“.)
Die anscheinend von Allmachtphantasien geplagten Netzweltwutbürger fühlen sich also für alles zuständig. Aber zum Glück zählen Taten und nicht Worte. Also verwandeln sich diese Menschen schnell mal in Unterstützer von Kriegsparteien, die vielleicht sogar gegen ihre Interessen operieren. Ob dann in punkto Intervention und Diplomatie, wie so oft, auch mal einer Rollenverteilung „good cop – bad cop“ gemäß operiert werden könnte – was die EU mittlerweile gut unter sich alleine kann – das ist diesen Leuten egal. Sie schämen sich neuerdings vorgeblich lieber, Deutsche zu sein, wenn Deutschland nicht bombt. Bahrain? Elfenbeinküste, etc.? Kann man sich nicht mit produzieren, wie unpopulär! Aber eigentlich müsste man da überall mal für Orrrdnung sorgen, mit der neuen Berufsarmee, denn dafür ist die ja da? Da geht im Kopf einiges schief.
Zählt man dies und jenes zusammen und nimmt die Tatsache hinzu, dass natürlich auch mit Libyen Diplomatie betrieben wurde in den letzten Tagen, dann sollten m.E. sogar Zweifel bestehen, ob das ganze Waffengeklirre überhaupt so eindeutig in zwei klare Kriegsparteien aufzuteilen ist. Aber auch das ist den Pogromfreunden egal. Sie wollen ihre Söhne, Töchter und Nachbarn anscheinend vor allem im Krieg sehen. With a hard-on for war.
Welcher Rassismus (als Post-Kolonialismus) darin immer noch steckt, diese „Primitiven da unten“ vor allem als Rohstofflieferanten zu betrachten, die erst einmal „unser Niveau“ erreichen sollen! Und erst wenn „die da unten“ dann mal ihren Berlusconis und Sarkozys und Obamas und Westerwellemerkelgabrielkünastgysis so glauben, wie es der Netzweltwutbürger tut, erst dann sind sie demokratiefähig, ne? Und so schützt man auch Israel am besten? Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich auf einen Sommer, in dem ich mich nicht ansatzweise als Kriegspartei fühlen muss. Wer das lieber anders hat, bitteschön. Sie sichern ja nur klug argumentierend und mit ein wenig Verve den zukünftigen Lebensstandard in Europa und wählen ja auch an der Tankstelle immer die richtige Sorte, ne? Danke, ich komme auch gut zu Fuß klar, mir wird es schon nicht schlechter gehen. Schönen Sonntag!
Reisefotos: Jens Kobler (feat. u.a. F.S.K. im zakk)