Skandal! Hier ist der Fotobeweis: Die hyperultramegastalinistische Zeitung UZ ist heimlicher Sponsor des Duisburger Traumzeit-Festivals! (Und ein Geschäft in Rüttenscheid steckt offensichtlich auch in dem Sumpf!) Und sonst? Letzte Woche habe ich mal gesagt, ich würde morgens nach dem Mail-Abrufen meist tagesschau.de anklicken, denken „Ja, schön, Ihr könnt mich mal“ und dann aufstehen. Nicht nur dass ich das mit Blogs ebenfalls öfter so mache, es stimmt auch nicht ganz. Manchmal bekomme ich nämlich Puls und gucke wie ich damit umgehe. Zum Beispiel beim Thema Geld für irgendeine Art von Kultur. (Übrigens habe ich diesen Text großteils schon am Freitag und Samstag geschrieben.)
Ich erzählte mal an anderer Stelle von einem Umsonst-Festival in Leipzig, bei dem gar nicht so üble Songwriter direkt zum Publikum sprachen, ein Gefühl von Solidarität in der Luft lag und friedliche Stimmung herrschte – ohne Dünkel und Hipness und ebenso ohne Derbheitswettbewerbe und Abstumpfungsberieselung. Und natürlich auch ohne jede Chance für verbeamtete C-Promis, dadurch ins Fernsehen zu kommen. So etwas ist an der Ruhr nicht vorstellbar. Die – nicht meine Wortwahl – „(Ex-)Asis“ an der Ruhr erlauben solche Dinge nicht. Umsonst bedeutet hier automatisch dumm, und alles läuft vor allem in den Bahnen von Stadtmarketing und Konzern-PR. Das ist eine üble Melange aus Großspurigkeit und Stumpfsinn, die hoffentlich nicht nur mich an finsterste Zeiten erinnert.
Nun hätten die Kulturschaffenden die Möglichkeit das zu ändern, aber eine ihrer Währungen ist nun einmal die Hipness. Deshalb gehen sie lieber unverhohlen Kommunen oder Großkonzerne anbetteln, um weiter irgendwelche „coole Scheiße“ abzuliefern, als dass sie sich auch nur ansatzweise trauen, zum Beispiel etwas für arme Menschen zu machen. Erste Regel der Popper und Ex-Studenten: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern! Die Theaterleute verstehen manchmal dass das nun nicht sehr Brecht wäre, und dann sieht man plötzlich „echte Katernberger“ auf der Bühne. Und das finden die „(Ex-)Asis“ dann wieder gut. Also ist dann „Kulturarbeit an sozialen Brennpunkten“ kurz mal hip. Reality TV on stage oder so. Klingt so bescheuert wie es ist. Bringt nichts außer dass sich noch mehr Vorstädter kurz noch mehr wie King Louie geben und die Kultursozialarbeiter den Heiligenschein so ganz in echt fühlen können.
So werden an der Ruhr diese ganzen unzivilisierten Großkotze für die Chefetagenbespaßung hergestellt. Die RWE-Belegschaft und die Stadtbeamten feiern schön bei der Duisburger Traumzeit, während ein Meidericher Citymanagement auf dem Markt des Stadtteils gerade mal eine Countryband vor sich alkoholisierenden Anwohnern aufbieten kann. Bochum total, Essen.Original? Alles Abfüllstationen, Stumpf-Entertainment. Und genau da zeigen dann die Abteilungsleiter den Sekretärinnen, was sie eigentlich für tolle Horste sind. So funktioniert voll durchhierarchisierte rechte Kulturpolitik denn auch „im Kleinen“.
Und wenn mal jemand einmal eine nette, eher unstudentische Veranstaltung ohne Megalomanie, Vollmedienbestrahlung und eingeplanter Sauferei machen würde? Die Leute würden ja womöglich Gefühle herannahen spüren, die sie fürchten. Wenn sie nicht vorher schon etwas von „langweilig“ gemurmelt hätten, als diese Sache dräute die eine Depression sein könnte, im Volksmund aber „Muße“ genannt wird. Man würde sich umschauen, mit wem man eigentlich tagtäglich zu tun hat. Man wäre einmal unter fremden Leuten ohne Augen und Ohren an Bühne und Boxen und Münder und Nasen an Bechern zu haben. Das wäre ja fürchterlich, nicht wahr? Genau, iPod- und Handyverbot gäbe es auf dieser Veranstaltung. Natürlich keine Kameras und Laptops. Zwei kleine Verkaufsstände. Leise Musik und eben nicht von einer Bühne herab. Das würde alles sogar kaum etwas kosten. Wahrscheinlich würden die Ruhr-Städte das gar nicht erlauben. Da würden die Nachbarstädte doch lachen!
Und wahrscheinlich möchten wir alle uns unsere Straßen-Nachbarn gar nicht in so einem Ambiente antun. Und deshalb klappt das auch alles so wie beschrieben. Solidarisch ist man hier im Kulturbereich in den allermeisten Fällen nur im und für den Stumpfsinn und/oder als Jubelruhries für die Extravaganzen der mittleren Erfüllungsgehilfenetage. Das Feigenblatt heißt „Off-Szene“ und hängt in der Regel auch am Tropf der Kommune. Umso klammer die Kassen, desto rechter die Kultur. Denn kaum jemand außer manchen Programmkneipen spielt das Spiel ohne Kommune/Konzerne. Wie mag es dazu bloß gekommen sein? (Falls wer zum Beispiel auch nur ein Theaterstück kennt, in dem die äh herrschende Klasse der Region auf die Schippe genommen wird, und das nicht á la Karneval: Bitte mir dringend mailen. Oder bei Interesse: Ich schreib Ihnen direkt eines, in dem zum Beispiel der grüne Bürgermeister von Essen samt Frau beim gegen-Nigeria-sein vorkommt. Oder so. Danke!)
Fotos: Jens Kobler