Quelle: Flickr.com, Foto: Kris Aus67CC BY 2.0
Manchmal kann ein Symbol viel stärker sein als jede Ideologie. Die Warnweste ist ein sehr gut gewähltes Symbol. Jeder hat sie in seinem Auto. Jeder gehört zum potentiellen Kreis der gelben Westen, solange er nicht gerade von einem Chauffeur gefahren wird, wie der Präsident.
Die Weste lässt sich schnell anlegen und wieder ablegen – um sich den Protest anzuschließen braucht es nur einen Handgriff. Nachdem man seine Wut herausgelassen hat, wird man genauso schnell wieder unauffällig. Man braucht keine Dreadlocks oder Glatze, um zu dieser Bewegung dazuzugehören. Die Weste ist grell und sorgt für Aufmerksamkeit, das ist sowieso ihre Funktion. Und sie hat einen konkreten Bezug zum Anstoß des Protestes, schließlich ging es um Benzinpreise.
Darüber hinaus hat es aber auch eine ironische Konnotation, wenn die Protestierenden gerade diese Warnwesten anlegen, da das Mitführen einer solchen verpflichtend ist. So wie früher nach dem Warndreieck, fragt die Polizei mittlerweile gerne nach der Warnweste und manch einer hat sich über diese weitere Einmischung des Staates geärgert. Ausgerechnet die Warnweste zum Symbol zu machen, ist so ähnlich, als würde man ein Rauchverbotszeichen nehmen oder eine Steuererklärung, nur viel plakativer.
Unter so einem starken Symbol braucht es, wenigstens für den Moment, keine Ideologie, um Hunderttausende zu versammeln. Bei den Gilets jaunes marschieren Linke wie Rechte, Gewerkschaftler und Schüler und vor allem Leute, die einfach unzufrieden sind, ohne zu behaupten, dass sie wüssten, wer dafür verantwortlich zu machen ist. Sie sind nicht gegen die Ausländer oder gegen den Kapitalismus oder gegen die Umweltzerstörung, sondern tatsächlich für etwas: für niedrigere Benzinpreise, für höhere Mindestlöhne, für bessere Renten. Und ein Teil von ihnen ist einfach nur wütend und will randalieren.
Das ist in gewisser Weise ehrlich. Die meisten, die sich einer Ideologie anschließen, sei es dem Neoliberalismus, dem Rechtspopulismus, dem Christentum oder der grünen Heilslehre, wünschen sich auch nur, dass etwas besser wird. Und sie suchen nach einer Möglichkeiten zu behaupten, sie wüssten, wie das geht. Gut, viele suchen bei der Gelegenheit auch noch eine Möglichkeit, sich selbst über andere (Arme, Reiche, Fremde) zu erheben.
Neue Parteien, wie einst die Piraten und jetzt die AfD, zeugen von der Sehnsucht der Menschen nach frischen Antworten auf Probleme, für die es noch keine Lösung gibt. Leider liegt – wie momentan bei den Rechten – dabei oft jener vorne, der am lautesten schreit. Sich nicht von einer Lehre vereinnahmen zu lassen, sondern einfach nur klarzustellen, was man als Ergebnis sehen will, hat da einen gewissen Charme.
Andererseits wird jeder Lösungsansatz den ein verantwortlicher Mensch wählt, einer ideologischen Strömung zuzurechnen sein, und in dem Moment, wo sich die Mehrheit darauf einigt, wen sie damit beauftragen will, entscheidet sie sich für eine Ideologie. Der deutsche Ableger der Warnwestenbewegung ist bereits ein Pfuhl aus Reichsbürgern und AfD-Anhängern. Die Gelbwesten in Frankreich hingegen sind ein Wutausbruch ohne Richtung (außer vielleicht “da oben”), zusammengehalten von einem starken, leuchtenden Symbol. Aber es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis sie sich entweder wieder zerstreuen oder vereinnahmt werden.
"Wir werden vom System ausgebeutet. Wir sind wie Sklaven. Und wir haben jetzt eine regelrechte Diktatur."
Stéphanie, eine junge Krankenpflegerin, https://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-gelbwesten-101.html
"Nach seiner Tätigkeit im Finanzministerium arbeitete Macron im Pariser ’Institut Montaigne‘, einer wirtschaftsliberalen Denkfabrik. Eingeführt von Serge Weinberg, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von ’La Redoute‘ und Verwaltungsratspräsidenten von ’Sanofi‘, und Jacques Attali erhielt er 2008 mit 31 Jahren eine Position als Investmentbanker bei der Pariser Investmentbank ’Rothschild & Cie‘.[10][11][12] Zwei Jahre später wurde er Partner (associé-gérant) bei Rothschild. Im Jahr 2012 begleitete Macron eine der größten Übernahmen des Jahres, den Kauf der Säuglingsnahrungssparte des US-Pharmakonzerns ’Pfizer‘ durch den Nahrungsmittelkonzern ’Nestlé’ für 11,9 Milliarden US-Dollar.[13][14]"
Emmanuel Macron, https://de.wikipedia.org/wiki/Emmanuel_Macron
Während der Linke Mélenchon in Frankreich erkennt, daß er sich mit seiner Bewegung "La France insoumise" hinter diese Bewegung der gelben Westen stellen muß, ist die Parteiführung der deutschen sogenannten Linken gegen sie.
Die Kipping-Rixinger-Linke will nicht, weil die Rechte auch da ist und überläßt der Rechten ihr ureigenes Feld. Damit disqualifiziert sie sich für alle Zeiten, denn es ist anzunehmen, daß die Rechte bei den nächsten hundert sozialen Aktivitäten immer dabei sei will und wird. Und dann?
Tschüß Linke?
Wahrscheinlich.
Das ist mir alles zu komplex.
Wir haben Probleme, die gelöst werden müssen. Dabei ist es mir vollkommen egal , mit welcher Ideologie eine für mich logische Problemlösung begründet werden kann. Eine für mich logische Lösung wird auch nicht falsch, wenn sie eine mir unsympathische Gruppe ebenfalls vorschlägt.
Warum muss man eine politische Richtung haben? Warum sollen neu Strömungen diese Kateforisierung mitmachen? Nur weil etablierte Parteien sich wohl fühlen, wenn sie den Wahlkampf von vor 50 Jahren wiederholen können?