Liberale Migranten gegen Ferda Ataman als Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung

Ferda Ataman Foto: Heinrich-Böll-Stiftung Lizenz: CC BY-SA 2.0


Zahlreiche liberale und säkulare Muslime und Migranten haben sich mit einem offenen Brief an die Bundestagsfraktionen gewandt. Sie wollen nicht, dass Ferda Ataman zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt wird.

Zu den Unterzeichnern gehören Seyran Ates, Rechtsanwältin, Autorin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee, Ali Ertan Toprak, der Bundesvorsitzender Kurdische Gemeinde Deutschland und die ehemaligen Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 15.06.2022 wurde Frau Ferda Ataman dem Bundestag als „Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“ vorgeschlagen. Über ihre Wahl muss der Bundestag abstimmen. Wir empfehlen aus den nachfolgenden Gründen dringend, diesen Vorschlag zu überdenken.

Rassismus ist ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem, das nicht für Partikularinteressen missbraucht werden sollte. Jede Form von Diskriminierung muss bekämpft werden. Frau Ataman blendet jedoch sowohl den Rassismus gegenüber nicht muslimisch geprägten MigrantInnen wie auch gegenüber Minderheiten aus der Türkei, Menschen aus Asien, aus Südamerika oder slawischen Ländern aus, wie auch den von MigrantInnen selbst ausgehenden Rassismus gegenüber anderen ethnisch-religiösen Minderheiten. In den letzten Jahren hat sich Frau Ataman häufig gegenüber MigrantInnen diskriminierend geäußert, die ihre politischen Meinungen nicht teilen. Anstatt den Mut dieser Stimmen zu loben, durch Kritik einen demokratischen Diskurs innerhalb ihrer sogenannten Gemeinschaften zu fördern und sich gegen Selbstjustiz in Form von Morddrohungen zu stellen, verhöhnt Frau Ataman bedrohte migrantisch gelesene Personen. Zudem fordert sie explizit, migrantische Stimmen wie Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad aus dem Diskurs auszuschließen.

Anstatt Gewaltformen innerhalb der migrantischen Gemeinschaften, wie etwa Zwangsverheiratung u.v.m., sachlich zu thematisieren, wertet Frau Ataman unter anderem eine renommierte Journalistin mit Migrationshintergrund mit despektierlichen Äußerungen ab, die auf diese Themen wie archaische Strukturen in den migrantischen Communities aufmerksam macht. Besonders grausam daran ist, dass Frau Ataman damit den Schutz von mehrfach diskriminierten vulnerablen Personen verhindert und zu deren weiterer Diskriminierung beiträgt.

Mit ihrem Schwarz-Weiß-Denken sorgt Frau Ataman nicht nur für Spaltung und Ressentiment in der Gesellschaft, sondern legitimiert sogar Diskriminierung.

Wie soll eine Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Diskriminierung bekämpfen, wenn sie auf Polarisierung setzt?

Sowohl als Publizistin als auch als Vorsitzende des Vereins „Neue Deutsche Medienmacher“ setzt sich Frau Ataman für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien ein. Ein an sich unterstützenswertes Anliegen. Allerdings geht es auch hier nicht um sichtbare Vielfalt, sondern ausschließlich um „südländisch gelesene“ Menschen. Ist das nicht eine Form der Ächtung gegenüber diversen, von Diskriminierung betroffenen „weiß gelesenen“ BürgerInnen?

Sogar im Hinblick auf gewählte Abgeordnete scheut sich Frau Ataman nicht, eine Beurteilung nach ethnischen Merkmalen vorzunehmen. Für sie zählt Repräsentation nach phänotypischen Merkmalen statt demokratischer Repräsentanz, womit sie zudem migrantisch gelesenen Personen eine Vielfalt demokratischer Meinungen abspricht und sie schlicht auf ihr Äußeres reduziert. Dieser Ansatz widerspricht nicht nur demokratischen Prinzipien, sondern ist an sich rassistisch.

Frau Ataman scheut sich weiter nicht davor, ganzen Berufsgruppen pauschal Rassismus zu unterstellen, indem sie zum Beispiel suggeriert, medizinisches Personal werde migrantische Personen eher sterben lassen.

Außerdem verlangt Frau Ataman, den Phänomenbereich des Antisemitismus nicht mehr gesondert zu betrachten, sondern lediglich als Unterkategorie von Rassismus, dabei betonen Experten wie zum Beispiel Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin, wie wichtig die Unterscheidung ist, um Antisemitismus effektiv bekämpfen zu können.

Die fehlende Sachlichkeit im Diskurs von Frau Ataman und das offensichtliche Ignorieren bis Verharmlosen von Diskriminierungsformen gegenüber zum Beispiel säkularen MigrantInnen weckt Zweifel an ihrer Qualifikation als „Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“.

Anstatt der Vielfalt von migrantischen Stimmen Gehör zu verschaffen, versucht sie, andere Meinungen mit Diffamierungen zu ersticken.

Dies sind nur wenige Beispiele von Frau Atamans Positionen, die unmissverständlich zeigen, wie sie Gewalt und Diskriminierung innerhalb der Migrationsgesellschaft übergeht, den Islamismus und nationalen Rechtsextremismus bagatellisiert und Menschen in Kategorien einordnet, also pauschal diskriminiert. Es sind allerdings genug Beispiele, die deutlich darauf hinweisen, dass Frau Ataman die ungeeignete Besetzung für diese Stelle ist.

Bei der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollte es in erster Linie nicht um Politkrawall gehen, sondern um den Schutz der Betroffenen und die Aufklärung der Gesellschaft.

Als MigrantInnen und von verschiedenen Diskriminierungsformen Betroffene fühlen wir uns von Frau Ataman nicht vertreten. Ganz im Gegenteil. Dabei gibt es zahlreiche aufgeklärte, differenzierte und unbelastete KandidatInnen, die dieses Amt übernehmen können.

Wir fordern Sie daher auf, eine/n geeignete/n Kandidatin/en aufzustellen, der/die Diskriminierung verhindert statt fördert.

Mit freundlichen Grüßen

Naïla Chikhi, Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung
Rahima Valena, Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung
Fatma Keser, Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung
Krystyna Grendus, stv. Sprecherin der BAG Säkulare Grüne
Seyran Ateş, Rechtsanwältin, Autorin, Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee
Anna Staroselski
Mina Ahadi, Zentralrat der Ex-Muslime in Deutschland
Dr. Necla Kelek, Soziologin, Publizistin, Frauenrechtlerin
Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender Kurdische Gemeinde Deutschland
Halina Bendowski, Publizistin, Frauenrechtlerin
Dr. Elvira Groezinger, Secretary, Scholars for Peace in the Middle East (SPME)
Cem Erkisi, Landesvorstand der GEW Berlin
Güner Balci, Publizistin
Dr. Lale Akgün, Dipl. Psychologin, Autorin und MdB a.D.
Hellen Vaziry, Dipl. Ing. (FH), Nachrichtentechnik, Frauenrechtlerin
Fatoş Aytulun, Diplom-Sozialarbeiterin
Birgül Akpinar, Mitglied im Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg und Vorsitzende des Netzwerkes Integration der CDU Baden-Württemberg
Davina Ellis, Autorin
Erol Özkaraca, Anwalt, Laizist
Nuschin Rawanmehr, Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin, Vorstandssprecherin der Iranischen Gemeinde Deutschland e.V.
Hourvash Pourkian, International Women in Power
Véronique Le Métayer, Rentnerin
Fahime Farsaie, Schriftstellerin, Journalistin
Ferdos Dini, Mediator, Krankenschwester
Rafiee Fatemeh, Erzieherin/Rentnerin
Santillan Bagherzadeh, Mitglied Integrationsrat Stadt Bergisch Gladbach
Parvaneh Djafarzadeh, Pädagogin
Parisa Azami, Erzieherin
Akhtar Ghasemi, Journalistin
Monireh Kazemi, säkulare Frauenrechtlerin
Parvin Ebrahimzadeh
Maryam Nouri
Nosrat Barani

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Ellen Widmaier
2 Jahre zuvor

Danke für den Abdruck dieses offenen Briefes, das ist eine wichtige Information. Es ist noch nicht zu spät, da der Bundestag die Abstimmung über Fr. Ataman verschoben hat. Ich halte den Personalvorschlag Ataman nicht nur für misslungen, sondern für die gezielte Provokation einer linksidentitären radikalen Strömung, die der Bundestag keinesfalls unterstützen darf. Dass Fr. Ataman den Antisemitismus nicht mehr als eigenständig benennen und bekämpfen will, gehört zum Kern der Ideologie, die die Judenhetze auf der aktuellen documenta 15 (Sascha Lobo: „Antisemita 15“) in Kassel ermöglicht hat.

Daniel
2 Jahre zuvor

Wo ist das Problem ?
Ataman passt doch genau in das antisemitische Program der antiimperialistischen documenta.
Wer glaubt denn hier noch an Zufall ?
Dies ist alles gewollt.

trackback

[…] Kritiker werfen ihr „Stammtischniveau“ vor und mangelnde Kritik an Erdogan, noch andere mangelnde Berücksichtigung von solchen Menschen mit Migrationshintergrund, die weiß sind (also  […]

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