Der Publizist Tobias Huch engagiert sich seit Jahren gegen Islamisten und für die Freiheit der Kurden. Nun werten radikale Muslime und Erdogan-Fans sein Buch auf Amazon runter.
Thomas Jefferson war einer der führenden Intellektuellen seiner Zeit: Der spätere US-Präsident war einer der Hauptverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der Begründer der amerikanischen Archäologie und ein Erfinder: Jefferson entwickelte ein Chiffriegerät und eine bewegliche Garderobe. Jefferson gilt auch als einer der Begründer der historischen Jesusforschung: In seinem Buch „The Life and Morals of Jesus of Nazareth„, auch als Jefferson Bibel bekannt, versuchte er sich an einer historisch korrekten Beschreibung des Lebens Jesus und strich alle übersinnlichen Stellen der verschiedenen Evangelien. Der Publizist Tobias Huch übersetzte nun die Jefferson Bibel. Das Buch verkauft sich gut, Huchs Autoreneinnahmen gehen an die von ihm gegründete Liberale Flüchtlingshilfe.
Doch auf Amazon polarisiert das Buch die Hobby-Kritiker: Während 45 Prozent Huchs Übersetzung 5 Sterne geben, werten sie 55 Prozent mit nur einem Stern ab. Schaut man in die Kritiken fällt auf, dass offenbar Islamisten und Erdogan-Anhänger sich bemüßigt fühlen, sich kritisch über das Buch zu äußern: „Nicht zu empfehlen falsch übersetzt liest lieber mal den Koran wenn ihr das wahre wissen wollt.“, „Der Autor diese Buches sympathisiert mit der linksmarxistischen Terrororganisation (YPG) und ist für die neusten Brandanschläge auf Moscheen in Deutschland mitverantwortlich.“ und „Hat nix mit Bibel zu tun“ lauten einiger der zahlreichen schlechten Kritiken. Immer wieder tauchen dieselben Formulierungen auf, beim lesen erkennt man schnell: Hier läuft eine Kampagne gegen Huch. Erfolgreich ist die Hetze gegen Huch nicht: In der Kategorie „Christentum & Theologie“ steht die Jefferson-Bibel auf Platz acht.
Das Buch ist sicherlich historisch interessant für die amerikanische Geschichte, Geschichte der Aufklärung u.ä. Als Zugang zum Neuen Testament ist es sicher weniger geeignet, da Jefferson sich bei der Auswahl in seiner Schnipselarbeit schließlich von seinen eigenen Überzeigungen leiten ließ. Und, ganz banal, gibt es schließlich seitdem 200 Jahre weiterer Forschung zum Neuen Testament.
Daher halte ich es für mehr als gewagt, dem Buch nachträglich (denn er stammt ja wohl nicht von Jefferson?) in der deutschen Übersetzung den Untertitel "Der wahre Kern des Neuen Testaments" zu geben. Das ist aus heutiger Perspektive doch eher abwegig.
Jefferson, Jefferson, dös war doch der, nach dessen Tod an die 100 Sklaven aus seinem Besitz verkauft wurden, um Schulden zu begleichen. Immerhin, ein paar Kindern aus seinem Samen, "schenkte" er die Freiheit. Wie auch bei Hawking ist zu sehen, dass, nun ja, große Geister schnell zu Geisterfahrern werden.
#1 paule t.
Wenn heute noch die Bibel auf dem Niveau von vor 200 Jahren diskutiert wird, liegt dies zunächst mal nicht in der Verantwortung der außenstehenden Religionskritiker, da müssen sich in Deutschland die Kirchen schon an die eigene Nase fassen.
Für den Osten gilt gewissermaßen das Gegenteil: wer heute noch seine Aufklärung nach Art der Dachdeckersgattin für den Stand der Dinge hält, ist auch selbst schuld.
@Wolfram Obermanns:
Ich habe ja nicht Jeffersons Text dafür kritisiert, dass er auf dem Niveau von vor 200 Jahren ist. Das wäre auch absurd, denn das kann ja gar nicht anders sein; und wie ich ebenfalls gesagt habe, ist er ja aus anderen Gründen auch sicher interessant.
Nur ist es eben abwegig, _heute_ ausgerechnet in diesem Text, dem nun mal die seither betriebene Forschung über das NT fehlt und der selbst unter Vorannahmen aus einer sehr bestimmten weltanschaulichen Perspektive zusammengestellt wurde, den "wahre[n] Kern des Neuen Testaments" zu sehen. Und da der Untertitel offenbar so nicht im Original verwendet wird, sondern in der deutschen Ausgabe hinzugefügt wurde, ist es eben eine solche heutige, abwegige Bewertung.
Inwieweit für diese Bewertung nicht Übersetzer/Autor oder sein Verlag (der vielleicht einen verkaufsträchtigeren Titel wollte) verantwortlich sind, sondern "die Kirchen", müssten Sie noch ein bisschen näher erläutern.
Upps. Ersetze im letzten Satz "Autor" durch "Herausgeber".
#4 paule t.
Ich habe befürchtet, daß mein Kommentar mißzuverstehen ist.
Ein 200 Jahre alter Text verhandelt diesen in einer für seine Zeit innovativen Weise. Eine Zeit in der noch zu klären war, was science überhaupt ist, in der die Bibel "Gotteswort" und nicht "Gotteswort in Menschenwort" war.
Im 21.Jh. einen poetischen Text auf die Inhalte zu reduzieren, die man für vereinbar mit naturwissenschaftlichen Wissen hält, weist auf ein Leseverständnis hin, das man auf einer Klippschule lernt.
Es ist dies die Lesekompetenz und das Textverständnis von Kreationisten, aber auch Richard Dawkins & Co und eben Huch. (Der auch anderweitig durch seine "Brillianz" auffällt. Jetzt stellt sich die Frage, ist Huch ein Beispiel am anderen Ende der Skala dafür, wie die Postleitzahl über den nominellen Bildungserfolg entscheidet, oder verarscht er sein von ihm für dumm verkauftes Publikum.)
Ich vermute bis hier hin sind wir uns in etwa einig. Dies ist bei meinem obigen Kommentar nicht deutlich geworden
Derart reduzierte Lesekompetenz prägt seit etwa 20 Jahren die veröffentlichte Religionskritik. Profilieren kann sich diese Dünnbrettbohrerei, weil auch Gegenüber eher selten große Leuchten zu finden sind. Happy-Clappy-Wir-haben-uns-alle-lieb-und-singen-ein-Lied-Religionsunterricht auf evangelischer, panisch auf Linie achtende Lehrer und Priester auf der anderen Seite. (Evangelische Predigten spielen bei gegebene Gottesdienstbesuch schon lange eine tendenziell geringe Rolle).
Über allem eine katastrophale Außenwirkung bei großen Themen sowohl bei katholens wie evangelischer Kirche. Das eine wie das andere kann ich noch konkreter ausführen, falls das notwendig sein sollte.
Worauf ich also hinauswill ist, wenn die Botschaft blöd genug verbreitet wird, hält sie das Publikum für blöd und meint, eine dann angemessen blöde Kritik wäre substanziell.
Ah, ok, das Ihre Kritik in die Richtung ging, hatte ich nicht erkannt. Die Kritik in Richtung Huch ist ja genau meine; wobei ich das einschränke auf den Untertitel, inwiefern sich dessen Tendenz ansonsten in der Herausgabe spiegelt, weiß ich mangels Lektüre ja nicht. Und, ja, diese Kritik Richtung Kirche ist mindestens bedenkenswert.
[…] Lösung kam aus Mainz. Tobias Huch, heute liberaler Aktivist im Bereich der Menschenrechte und Autor, startete irgendwann – ich […]