Lilith – Monolog mit Maria Wolf im Theater der Gezeiten

Lilith Foto: Manuel Parada López de Corselas Lizenz: PD

Von unserer Gastautorin Carola Osburg

Sehen:
Ich sehe eine Tote, hingestreckt auf einem Stuhl. Die Arme hängen über den Lehnen. Ich sehe eine Tote, die zurückgezwungen wird ins Leben. Ein Herzschlag, noch nicht ihrer, der sie zwingt zu atmen. Ich sehe eine Untote, sich an etwas erinnernd, die jemanden anruft und das fällt ihr schwer. Ich sehe eine Frau, schön, verstört und bemitleidenswert. Ich sehe eine Frau, eiskalt, berechnend und erbarmungslos. Ich sehe eine Frau, die ein Mädchen imitiert. Ich sehe eine Angestellte, die mit ihrem Chef hadert. Ich sehe einen Dämon, der Gott befiehlt. Ich sehe eine Tote, die ein Herzschlag durchzuckt, der nicht mehr ihr gehört.

 

Hören:
Ich höre ein Röcheln, das sich entrüstet anhört. Ich höre eine Erzählung über Essenzen, die es nur in Menschen gibt. Essenzen, die Leben schenken. Leben, das vor tausenden Jahren erstmalig erlosch und immer und immer wieder neu erweckt wird. Mit dem unstillbaren Durst nach diesen Essenzen. Ich höre von den, mal mehr, mal weniger erfolgreichen Versuchen, mit den Essenzen den Köper lebendig zu halten. Ich höre Zweifel. Ich höre Bestimmtheit. Ich höre Hass, Unverständnis, Flehen, Locken, Schmeicheln und Befehlen.

Ich höre das Ende: „Nein“ 

Denken:
Maria Wolf, großartig.  Geschminkt wie ein Stummfilmstar, agiert sie vor einer beinahe leeren Kulisse und zieht mit ihrer Mimik in den Bann, sobald sie den Kopf heben darf. (Das dauert aber einige Minuten, nicht ungeduldig werden.) Sie betritt den Zuschauerraum und die Frage, ob sich Lilith als nächsten Essenzgeber jemanden aus dem Publikum erwählt, ist ob Wolfs körperbetontem Spiel angebracht. Der Text bietet Geschichten, die erzählt werden; Fragen, die aufgeworfen werden; und Feststellungen, die anschaulich argumentiert werden. Nur einmal wird es zu pathetisch, nämlich als Lilith all das Unrecht, das jemals an Frauen begangen wurde, mit Hilfe eines Knüppels in einen Mann zurückprügelt.

 

Empfehlen:
Ja! Hingehen, angucken! Aber machen Sie sich darauf gefasst, dass Lilith Sie an dem Abend noch ein Stück begleitet.

Nächste Vorstellungen 4. Nov und 19. Nov.

Theater der Gezeiten, Bochum

Wer mehr wissen will:

www.zeitmaul.de

 

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[…] Lilith: Monolog mit Maria Wolf im Theater der Gezeiten … ruhrbarone […]

udo höppner
13 Jahre zuvor

treffend beschrieben und beurteilt! autor: w. danielczok!

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