Für FDP-Chef Christian Lindner ist klar, wer der nächste Bundeskanzler wird: Armin Laschet von der CDU. Offen sei nur noch, wie die nächste Koalition aussieht und wer der nächste Finanzminister wird: er selber oder Robert Habeck von den Grünen.
Auf dem Bochumer Konrad-Adenauer-Platz, mitten im berühmten Kneipenviertel Bermuda-Dreieck, spricht Lindner vor rund 200 Zuschauern. Auffallend viele von ihnen sind in ihren zwanziger und dreißiger Jahren, die trotz des ersten Erstligaspiels des VfL Bochum im nahen Ruhrstadion bei sonnigem Wetter dem FDP-Chef zuhören.
Lindner ist überpünktlich da, wartet im Publikum noch brav die Reden der drei lokalen FDP-Bundestagskandidaten ab. Nur eine kleine Schar politischer Gegner findet sich ein, sie sind kaum lautstark, halten ein paar Plakate hoch und kommen kaum durch.
Klimapolitische Widersprüche
Trotzdem sind sie gefundenes Fressen für Christian Lindner, der sie sich vor allem beim Thema Klimaschutz vornimmt. Genüsslich zählt er ihnen die Widersprüche grüner Klimaforderungen auf: Die Menschheitsaufgabe Klimaschutz benötige in erster Linie eine starke Wirtschaft, die das Geld und die Innovationen für die Klimawende erarbeiten müsse.
Mehr Staat und mehr Verbote führten zu mehr Bürokratie und damit zu weniger Klimaschutz, so Lindner. Ein Mehr an Verzicht sei zwar ein persönlich respektables Verhalten, es könne aber kaum als Maßstab herhalten für die vielen Milliarden Menschen in China und Indien, die nichts haben, worauf sie verzichten könnten. Er stelle sich die Gesichtsausdrücke des indischen Premierministers und des chinesischen Ministerpräsidenten vor, wenn Annalena Baerbock ihnen Konsumverzicht nach deutschem Vorbild zum Schutze des Klimas empfehle.
Vorbild USA
Erfolgreicher dürften da die Amerikaner sein, so Lindner, die auf innovative Grüntechnik setzen, die sie nicht nur den Indern und Chinesen verkaufen wollen, sondern auch mit Hilfe der US-Banken kreditfinanzieren wollen. So würden die Amerikaner gleich doppelt verdienen an diesem „Geschäft des Jahrhunderts“. Deutsche Verzichtsmentalität würde dagegen kein Exportschlager werden.
Afghanistan, Corona, Steuern
Zu seinem eigentlichen Kernthema kommt Christian Lindner erst nachdem er Afghanistan (Militäreinsätze von außen für Nation Building sind erfolglos, nicht wiederholen), die Corona-Pandemie (kein neuer Lockdown im Herbst, keine neuen Freiheitseinschränkungen, die Schäden seien jetzt schon groß genug – bitte sich impfen lassen) und Steuern (keine Erhöhungen, sondern Entlastungen für den Mittelstand) abgearbeitet hat.
Kernthema Finanzen
Sein Kernthema aber ist die die Finanzpolitik und da besonders die Schuldenbremse. Wie man nach dieser Pandemiekrise auf die Idee kommen kann, Steuern erhöhen zu wollen, ist Lindner ein Rätsel. Man bräuchte keine Steuererhöhungen, sondern Entlastungen in der Mitte der Gesellschaft, mit einer Ausnahme: Google, Apple, Facebook, Amazon, die in der Krise viel verdient hätten, sollen endlich ihren Beitrag zur Finanzierung der Gemeinschaft leisten.
Schuldenloch für die Jugend
Die Pandemie habe ein Riesenloch in den Staatshaushalt gerissen, so Lindner weiter. Das belastet in erster Linie die junge Generation, die das wird bezahlen müssen. Die Schulden von heute schnüren die Freiheit in der Zukunft ein. Das sei alles andere als eine nachhaltige Politik.
Schuldenbremse
Man könne in dieser Situation, nachdem schon so viele neue Schulden aufgetürmt wurden, nicht noch mehr Schulden machen und dafür die Schuldenbremse aufweichen wollen. Die Begründung, wir brauchen mehr Schulden für mehr Investitionen, stimme einfach nicht, so Lindner. In Deutschland sei noch nie ein Vorhaben daran gescheitert, dass im Staatshauhalt Geld fehlte.
Intelligenter Staat statt mehr Schulden
Beispiel Digitalpakt für Schulen: Das Geld ist zum großen Teil immer noch im Bundeshaushalt vorhanden. Es habe nicht an Geld gemangelt, sondern die Verwaltungsvorschriften sind so kompliziert, dass das Geld nicht in den Schulen ankäme. Lindner: „Wir brauchen nicht höhere Schulden für mehr Investitionen, sondern wir brauchen einen intelligenteren Staat für mehr Investitionen.“ Die Schuldenbremse müsse deshalb erhalten bleiben in Deutschland, auch als ein Signal an Europa.
Wie Odysseus
Die Schuldenbremse abschaffen wäre eine Einladung für Politiker, in Wahlkämpfen Versprechen zu machen, die in Wahrheit nicht finanzierbar seien. Lindner: „Die Schuldenbremse schützt uns, so wie einst sich Odysseus an den Mast hat ketten lassen, damit er nicht den Sirenenklängen erliegt. Unsere Schuldenbremse kettet unsere Politiker an die wirtschaftliche Vernunft.“
CDU orientierungslos
Die politischen Konkurrenten kriegen dann auch der Reihe nach ihr Fett ab: Lindner sagt, Achim Laschet drehte steuerpolitische Pirouetten, dass einem schwindelig werde. Auf die CDU sei bei Schulden und Steuern kein Verlass: „Ohne die FDP am Kompass ist die CDU orientierungslos.“
Habecks Kreativität
Besonders schießt er sich auf Robert Habeck ein, der sich in der Presse schon als nächster Finanzminister feiern ließe. Habeck wolle mehr Schulden für mehr Investitionen. Da Habeck aber ein Schriftsteller von begnadeter Kreativität sei, habe er dieses linke Mantra intellektuell überwunden: Habeck sieht das eigentliche Problem im Begriff Schuldenbremse an sich, weil darin das Wort Schulden enthalten sei. Schulden würden mit Schuld verbunden, man würde sich also moralisch schlecht fühlen, wenn man Schulden machen würde.
Kredite statt Schulden
Und deshalb sei Habecks Vorschlag, nicht mehr von Schulden zu sprechen, sondern von Krediten. Denn im Begriff Kredit steckt das lateinische „credere“ also Glaube drin. Und Glauben bedeutet Vertrauen, etwas Positives. Deshalb solle man künftig nicht mehr von Schulden sprechen, sondern von Krediten. Lindner süffisant: „Ich muss ohne Neid sagen: Als Begriffsklempner ist mir Robert Habeck überlegen!“
Prognose Bundestagswahl
Für die Bundestagswahl wagt Lindner eine Prognose, „aus dem Bauch heraus“, wie er sagt:
- Annalena Baerbock wird nicht die nächste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
- Olaf Scholz hat es seit Wochen erfolgreich geschafft, Saskia Esken und Kevin Kühnert vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Trotzdem wird er nicht der nächste Bundeskanzler werden.
- Am Ende werden CDU/CSU die stärkste Fraktion werden und den Bundeskanzler stellen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Armin Laschet Bundeskanzler.
Offen sei nur noch, welche Koalition kommen wird und wer unter Laschet Finanzminister wird, Robert Habeck oder Christian Lindner.
Was er nicht ausspricht, aber seine Zuhörer spüren lässt: Der Märchenonkel oder der Schuldenbremser, der oder ich.
Zuviel Text für einen hochfrequenten Heißluftumverteiler, der im Bedarfsfall vor der Verantwortung im Land oder dem Bund wegläuft …
„Ohne die FDP am Kompass ist die CDU orientierungslos.“ (so Lindner siehe Text oben)
Aber hätte NRW ohne die Ministerin Gebauer (FDP) irgendetwas gefehlt?
Lindner wird doch wieder irgendeinen Ausweg finden, damit er nicht mit dem Versagen seiner Partei -wie in NRW- in Verbindung gebracht wird.
Die FDP braucht kein Mensch. In NRW hätten wir bei den vielen Fehlentscheidungen in der Familien-/Schulpolitik der letzten Zeit sicherlich eine bessere Ausgangsbasis.
OK, die Chance , dass Laschet/Laumann Wege gefunden hätten, falsche Entscheidungen zu treffen, ist natürlich groß.
Aha. Danke für die Zusammenfassung der Thesen von dem Dampfplauderer… Ich lasse diesen Wahlkampf wegen des politischen Personals vollkommen an mir vorüberziehen. Zurecht.
Lieber gar nicht hinsehen als schlechtes sehen… oder so… Lindner hat ja nicht eine originelle Idee im Angebot. Hat die FDP eigentlich für oder gegen den Afghanistan-Einsatz gestimmt. Das es mit dem Nation-Building nicht so weit her war, haben andere ja schon vorher gesehen. So etwa die Franzosen,.die 2015 abzogen.
Man vergleiche den fast schon unterwürfigen Tonfall in diesem Artikel mal mit ähnlichen Artikeln über die SPD, Die Linke oder gar die Grünen. Falls noch irgendjemand daran zweifelte, dass dies hier immer mehr ein CDU/FDP-Wahlkampfblog wird, ist hier der endgültige Beweis. Eigentlich schade, in früheren Jahren waren die Ruhrbarone parteipolitisch nicht so stark festgelegt.
#1:
Ich habe großen Respekt für jede Partei, die lieber auf Geld und Pöstchen verzichtet als sich zum Büttel der Grünen zu machen. Hoffentlich bleibt die FDP nach der Wahl so standfest wie 2017!
Neu war 2017, dass die sog. Liberalen,die in Wirklichkeit beinharte Dogmatiker in Sachen Kapitalismus sind, tatsächlich mal auf Posten und Geld verzichtet haben. Das war einer neu entwickelten Angst vor der Verantwortung geschulde, also auch nicht so wirklich ein Renner. Und was das Geld angeht: wie sieht eigentlich der Spendeneingang bei den Gelben aus?
Einmal abgesehen davon, daß niemand eine Politik unterstützen muß, die er für falsch hält. Die FDP hat sich an 2013 erinnert, als sie m.A. wegen ihrer Zustimmung zu Eurorettung und Energiewende aus dem Bundestag geflogen ist. Was die Grünen und ihre medialen Hilfstruppen natürlich 2021 gerne zum zweiten Mal gesehen hätten, daher die Wut über die Verweigerung des liberalen Selbstmords im Jahr 2017.