Bislang hatte der Grund, warum man die Ohren schließen sollte, wenn sich die Linkspartei zum Thema Musik äusserte, nur einen Namen: Dieter „Lerryn“ Dehm, einen grauenhaften Musikanten, dessen Kompositionen das Zeug dazu hatten, die frischeste Milch sauer werden zu lassen. Nun ist ein zweiter dazu gekommen: Horst Schmitt.
In einem Antrag für den Parteitag der Linken am 15. Februar in Hamburg hat Schmitt beantragt, dass auf Parteitagen künftig nicht mehr die Internationale gespielt werden soll:
Aussetzung der akustischen oder gesanglich musikalischen Intonierung des Liedes “Die Internationale“ innerhalb der Partei DIE LINKE, bis ein Ergebnis über die zukünftige Anwendung und Verwendung vorliegt, da die gesangliche musikalische Intonierung des Liedes “Die Internationale“ zwar kämpferisch ist, aber auch militaristisch, gewalt- und kriegsverherrlichend ist, ein Symbol des Kapitalismus darstellt und Militarismus ein Element des rechten politischen Spektrums ist, genauso wie die deutsche Nationalhymne.
Doch Schmitt reicht es nicht, die Internationale als Kapitalisten-Hymne zu entlarven. Auch Techno bekommt sein Fett weg:
Monoton rhythmische Musik findet sich beim Militär, und diente mit monotonen Trommelschlägen in der Geschichte beim Einsatz von Menschenschlachten. Sie ist Symbol des Kapitalismus, da es die Zählweise von Geld 1 Euro, 2 Euro, 3 Euro usw. Aber auch die Musikrichtung Techno gehört dazu, da dort die monotone technologische Zählweise 01 01 01 01 … ist, woraus sich ein monotoner Musikrhythmus ergibt, der somit auch eine moderne Interpretationsform des Militarismus ist. Daraus erklären sich auch die Besucher von sogenannten Techno-Loveparades, die vorwiegend aus dem konservativen bis rechtspolitischen Spektrum kommen. Wer auf ein Techno-Konzert geht, geht nicht auf ein Rock-Konzert und anders herum genauso. Es sind zwei verschiedene Kultur- und kulturpolitische Welten. Während die Besucher von Techno-Konzerten vorwiegend aus dem konservativen und rechten Spektrum kommen, sind die Besucher von Rock-Konzerten im linkspolitischen Bereich zu Hause.
Alles klar: Und die Besucher von Frei.Wild, Störkraft und den Onkelz haben sich die ganzen Jahre immer verlaufen und wollten eigentlich auf einen Rave.
Friedensmusik oder Friedenslieder, melodisch gesungen zu melodischer Musik, dagegen sind immer melodisch und sind damit linkspolitisch.
Haben aber offenbar schwere Auswirkungen auf das Gehirn – wie Schmitts Antrag beweist.
Beispiel ist das Musikstück “Money“ der englischen Formation Pink Floyd. Geld, symbolisch für den Kapitalismus, wird am Anfang bewusst negativ monoton rhythmisch hervorgehoben und dargestellt und im Instrumentalteil bekämpft durch Saxophon und mit der aggressiven melodischen Spielweise der E-Gitarre sowie dem melodischen Gesang, die den Kampf gegen den negativen Kapitalismus darstellt und mit Breaks so der monotone Rhythmus gebrochen wird. Ziel des Liedes ist mit ihrer konfrontativen Musik wachzurütteln und aufzurütteln gegen den Kapitalismus.
Und die Millionen, die Pink Floyd mit dem Stück verdient hat, waren ein belangloser Kollateralnutzen.
Aber auch die jüngere deutsche Musikgeschichte wird analysiert:
Anders dagegen das Lied “Hoch auf dem gelben Wagen“, das seinerzeit von dem ehemaligen Bundespräsidenten Scheel, angehöriger der FDP gesungen wurde. Dieses Lied wurde gezielt eingesetzt, da es mit einem unbedeutendem Text aber von der musikalischen Grundintention monoton rhythmisch, damit militaristisch, kriegsverherrlichend und Symbol der Nationalisten wie Rechten ist, um rechtspolitische Wählerschichten verdeckt anzuspielen und zu gewinnen.
Klar: Viele Neonazis weinen ja noch immer der sozialliberalen Koalition der 70er hinterher.
Ein wunderbarer Antrag – und so dumm…
„Friedensmusik oder Friedenslieder, melodisch gesungen zu melodischer Musik, dagegen sind immer melodisch und sind damit linkspolitisch.“
Das stimmt. Die haben damals in der Zone wirklich schöne Lieder gesungen. Aber die waren leider genau so verstaubt und piefig, wie der Honecker und seine Gerontokraten!
Quark!
Über die Gleichung monoton = kapitalistisch/militärisch vs. melodisch = antikapitalistisch/antimilitärisch freuen sich bestimmt auch so NDP-Blödelbarden wie Rennicke und lachen sich ins Fäustchen.
Dass insbesondere Techno in seinen Anfangstagen zutiefst subversiv war, dass die Rhythmus- und Noise-Gewitter von Industrialbands wie Throbbing Gristle in Kombination mit der Verwendung von politisch aufgeladenen Symbolen reinster Anarchismus waren und dass Hendrixs Version von Star Spangled Banner ein ganzes System mit einer E-Gitarre dekonstruierte vergisst Herr Schmitt wohl.
Liest sich alles ein wenig wie der Jahresbericht des Ministeriums für Kultur vor dem Politbüro der SED.
Danke, habe herzlich gelacht 🙂
Ist das Real, oder Satire?
Wenn das Reals ist, dann fange ich schon mal an melodisch zu singen: Sag mir wo du stehst…
Ich freue mich schon auf das Album „Hannes Wader singt melodische Arbeiterlieder“! 😉
Das war bestimmt der Betreiber vom Postillon, der hat sich auf den Parteitag geschmuggelt. 😉
Geil! Die beste musik-soziologische Analyse seit langem!
Vielleicht sollte der Genosse Horst mal auf nen Egotronic Konzert gehen…
Achja, und hier grade gefunden, die absolute Hymne des Turbokapitalismus:
Mir hat „sag mir… “ immer gut gefallen, selbst heute noch, obwohl ich ganz gewiss nicht mehr die politischen Vorlieben habe, wie zur Zeit der Weltfestspiele 73. Lebt Hannes Wader noch? Nachher modelt der noch den „Tankerkönig“ nach politisch-melidiösen Politbürobeschlüssen um. Wäre nix neues, auch der bekannte Musikfachmann Walter „niemand hat die Absicht eine neue Melodie zu erfinden“ Ulbricht war ja ebenfalls als Kritiker modernen Liedgutes unterwegs. Er ließ sogar einen neuen Tanz erfinden, den „Lipsi“, so genannt, weil er in Leipzig das Licht der Tanzwelt erblickte. Kein Scherz, im Gegensatz wohl zu obigem Artikel.
Oh, wie selten dumm.
[…] Wie die „Ruhrbarone“ berichten, soll ein Genosse namens Horst Schmitt hinter der Idee stecken und seine Erklärung beinhaltet die These, dass ausgerechnet die […]
Experten sind die Leute die überall ihren Senf dazugeben aber von nix ne Ahnung haben. Deren Meinung interessiert mich ebensoviel wie Kochsendungen im Fernsehen oder schwachsinnige Sendungen wie das Dschungelcamp.
In Bezug auf Hannes Wader kann ich Entwarnung geben. Gott sei Dank. Er lebt, Gefahr, dass er den Tankerkönig nach irgendwelchen Politbürobeschlüssen ummodelt, besteht NICHT mehr. Allerdings sagt er in der TAZ, dass man ihn z.Zt seiner DKP-Mitgliedschaft tatsächlich zu Liedern gezwungen habe.
Die Milch wird sauer, dass Bier wird schal, im Fernsehn singt die Linkspartei, sang einst Floh de Cologne, oder doch so ähnlich
[…] P.S.: Zu spät ist mir aufgefallen, dass es bereits einen anderen Artikel bei den Ruhrbaronen zu diesem Thema gibt. sr_adspace_id = 1000007954907; sr_adspace_width = 300; sr_adspace_height = 250; […]