Update: Linkspartei ändert Namen der Veranstaltung – aus Kapitalistischer Barbarei wird Barbarei

Update: Auf Initiative der Linkspartei wurde nun der Name der Veranstaltung geändert. Aus „1945 – Befreiung von der kapitalistischen Barbarei“ wurde nun „1945 – Befreiung von der Barbarei“:

nabert_barbarei

Auf Facebook wird die Veranstaltung (Stand: 18.12.2014 16.25 Uhr) weiter unter dem alten Namen beworben. Dehm scheint sich für das was Kipping sagt, nicht weiter zu interessieren:

FB_barbarei

Update Ende

Das alte Motto, dass wo Dieter Dehm drauf steht Dummheit drin ist, wird sich nach dem „Friedenswinter“ am vergangenem Wochenende erneut am 15. Januar bewahrheiten. Dehm ist Gastgeber beim Jahresauftakt der Europäischen Linken in Berlin, der unter dem Motto „1945 – Befreiung von kapitalistischer Barbarei“ steht.

kapitalismus_feier

Offenbar eine von jeder Geschichtskenntnis ungetrübten Anspielung auf die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands 1945.  Das erschreckende ist, dass auf diese Veranstaltung nicht nur sich linksradikale gebenden Schnulzsonnier Dehm moderiert wird, sondern das auch Linkspartei Politiker wie Gregor Gysi oder Dietmar Bartsch auftreten. Ein weiterer Beleg dafür, dass der politische Wahnsinn in der Linkspartei keine Minderheitenposition ist.

Erschreckend ist dabei, dass schon durch den Titel der Nationalsozialismus verharmlost wird. Er wird als eine Entgleisung des Kapitalismus dargestellt und seine Verbrechen somit nicht  mehr als Einzigartigkeit beschrieben. Kapitalistische Barbarei? Gibt es – Schutzzölle gegen Waren aus der Dritten Welt zum Beispiel. Barbarisch ist der Kapitalismus, wenn er sich nicht an seine eigenen Ideen hält, den Kapitalismus selbst nicht ernst nimmt. Mit dem was die Nazis getan haben, kann man all das nicht vergleichen.

Zudem wird der Nationalsozialismus für die Kritik am Kapitalismus instrumentalisiert.   Das ist nicht neu, aber dass ändert nichts daran, dass es historisch falsch ist. Der Nationalsozialismus hatte wie der Kommunismus einen großen Feind: Die liberale, kapitalistische Demokratie. Und die gingen, im Gegensatz zu der Sowjetunion, kein Bündnis mit den Nazis ein.

Der Nationalsozialismus war nie eine kapitalistischen Ideologie. Sein  wirtschaftliches Modell beruhte auf Raub und sein Ziel war eine rassistische Ständegesellschaft, an der jeder Arier an seinem Platz seine Aufgaben im Sinne der Allgemeinheit zu erledigen hatte. Die Finanzwirtschaft verachteten die Nazis als Teil des „raffenden“ im Vergleich zum „schaffenden“ Kapital.

Die Nazis waren erklärte Feinde des Marktes und zwangen den besetzten Ländern Preisdiktate auf, um sie billig auszuplündern.  Man kann das in Götz Alys Buch Hitlers Volksstaat nachlesen. Zu den am meisten von diesen Plünderungen betroffenen Ländern gehörte Griechenland. Es ist eine Schande, das Alexis Tsipras von Syriza  sich als Grieche an dieser Verharmlosung des Nationalsozialismus beteiligt.

in demokratischen, freien Staaten lebten nach dem Ende des Nationalsozialismus natürlich nur die Menschen, die in den kapitalistischem Teil Europas lebten, bei alle anderen wechselte die Diktatur – vom Nationalsozialismus zum Stalinismus.

Die Menschen in Europa wurden 1945 vom Nationalsozialismus befreit, nicht von irgendeiner „kapitalistischen Barbarei“. Der ideologischer Kern des Nationalsozialismus war nicht der Kapitalismus, es war der Antisemitismus, der ihn von anderen Diktaturen wie dem Stalinismus unterschied.

Das alles ignoriert dieser erbärmliche  Aufruf. Christian Graf von Krockow brachte es im Vorwort  seiner Churchill-Biographie auf den Punkt:

„Die Alternative zum Kommunismus war nicht der Faschismus (oder umgekehrt), sondern den wirklichen Gegenpol bildeten die liberalen westlichen Demokratien (…). Und der exemplarischen Gegenspieler Hitlers war nicht Stalin, sondern Winston Churchill“

Wer wissen will, was sich hinter dem Schlagwort „verkürzte Kapitalismuskritik“ verbirgt, muss sich das Motto der Veranstaltung anschauen – dort wird es in einem Satz klar gemacht.

 

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Donngal
Donngal
9 Jahre zuvor

Ich finde es verstörend dass sich auch in meinen Augen hochintelektuelle Menschen wie Konstantin Wecker und Roger Willemsen an einer Veranstaltung mit so einem Motto beteiligen.

Thorsten Stumm
9 Jahre zuvor

Ich bin auch entsetzt über die Teilnahme von Roger Willemsen…..habe in kürzlich noch in „Das Duell“ auf n-tv gesehen und da war er brilliant….das schützt scheinbar vor Dummheit nicht…. und der Wecker naja…wenn der singt laufen auch die härtesten Stalinisten weg….

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

„-Ismen“ sind ja ziemlich vage begriffliche Gebilde. Genau genommen sind sie irgendwo auf halbem Weg zwischen historischem Individualnamen und abstraktem Allgemeinbegriff steckengeblieben. Nach ihrem „Wesen“ zu fragen heißt einen Pudding an die Wand nageln wollen.

Aber man kann sagen, dass es den Leuten da geht wie in der berühmten Story von den Blinden und dem Elefant: Jeder nimmt den Aspekt wahr, der ihn persönlich betrifft. Und so war für die Kommunisten ganz zu recht das „Wesen“ des Nationalsozialismus ein terroristischer Antikommunismus, wogegen für die Juden das „Wesen“ ganz zu Recht ein terroristischer Antisemitismus war.

Aber hat es Sinn, aus solchen subjektiven Definitionen etwas Absolutes herauskonstruieren zu wollen? Und müsste man dann nicht auch fragen, was der Nationalsozialismus für die Nationalsozialisten selber war?

Wie gesagt, man kann sich diese Wörter so zurechtlegen, dass der „Kapitalismus“ mit dem „Nationalsozialismus“ nichts zu tun hat. Aber netterweise könnte man dazusetzen, dass die konkreten deutschen (und nicht nur deutschen) Kapitalisten mit den konkreten Nationalsozialisten eine Menge zu tun hatten. Oder?

Annette Jost
Annette Jost
9 Jahre zuvor

Kleiner Typo: Es müsste „11. Januar“ heißen statt „15. Januar“

Es ist nur sehr schade, dass solche Entlarvung von Kampfparolen nicht in den verbreiteteren Medien erfolgt…

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

„Salons mit Videoübertragung: 5 Euro“
Proseccoschlürfend und Scampihäppchen-haltend an einer Video-Wall vorbei flanieren – das ist Antikapitalismus pur ala 2014/15….

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Wie können sich solche respektablen Leute wie Esther Bejarano, Roger Willemsen, Oskar Lafontaine, Dietmar Bartsch und Gregor Gysi nur auf eine solche Veranstaltung mit dieser Parole einlassen?

Ich bin geschockt, wie man so nah an diesen ominösen Dehm, einen Gesinnungsgenosse Jebsens, heranrücken kann, der bereits bei mehreren montäglichen Mahnwachen aufgetreten ist und sich bei der jüngsten Friedenswinter-Demo einen besonders pfiffigen Spruch ausgedacht hat, den er zusammen mit Mährholz („dieses Geldsystem, in dem wir festhängen, ist nicht in Stein gemeißelt, ihr Lieben“), und Jebsen beim Tragen des Fronttransparents der Demo ruft: „Gauck, Gauck, der nichts taugt, außer nur zum Kriegsklamauk!“

Zum Thema selbst: Unbestritten hat sich ein Teil des deutschen Großkapitals (eben das „nicht raffende“) mit den Nazis verbündet bzw. war selbst braun gesonnen und hat sowohl vom Holocaust als auch von Krieg und Unterdrückung Europas profitiert.

Aber wie groß war der Anteil der deutschen Arbeiterklasse und des deutschen Kleinbürgertums an der Machtergreifung der Nazis? Er war zwar nicht so finanzkräftig wie der von Thyssen und Krupp, dafür aber zahlenmäßig ziemlich machtvoll. Stichwort Märzgefallene.

Und warum haben die Nazis in ihrem Raub- und Vernichtungsfeldzug eigentlich nicht vor dem jüdischen Großkapital und Vermögen halt gemacht, wenn sie doch angeblich vor allem gute Kapitalisten waren?

Die alte, sich linksradikal gebende Theorie, der deutsche Faschismus sei lediglich konsequenter Kapitalismus Richtung Barbarei gewesen, ist so dumm wie geschichtsvergessen.

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Rainer Möller (3) stimmt, die Theoriefrage ist schwierig zu beantworten. Da müßte ich schon im Besitz der absoluten und beweisbaren Definition für Faschismus sein, um dazu etwas zu sagen.
Aber wenn mir wiederholt auffällt, daß die Linkspartei in dieser Zusammensetzung immer in die Kritik geraten wird, kann ich nur wiederholen, daß daß gesamte Projekt Linkspartei genau wegen dieser unüberbrückbaren Konstellation niemals aus dem Quark kommen kann.
Insofern scheint mir die Veranstaltung schon mißlungen, obwohl sie noch gar nicht stattgefunden hat.
Und das gilt sogar dann, wenn die Eintrittskarten alle verkauft würden.

werner müller
werner müller
9 Jahre zuvor

hm, hätte da ja auch einiges einzuwenden gegen deine argumentationen. aber dehm als linksradikalen zu bezeichnen. ne das geht nun echt zu weit. so mies darf mensch gestandenen libertären linksradikalen nicht mitspielen…

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

Kalter Kaffee bei den Enkeln des Kommunismus. DIe haben immer noch die KomIntern Definition von Dimitroff / Kuusinen im Kopf. Also allerfeinsten Stalinismus 😉

JoS
JoS
9 Jahre zuvor

Die Verbindung zwischen dem Faschismus und dem Kapitalismus, im übrigen auch dem Stalinismus, wird eigentlich auf Grund seines autoritären Charakters gezogen. Die Einzigartigkeit des Faschismus – und die Frage, ob der Hitlerismus überhaupt eine faschistische Ideologie ist, muss man da schon ausklammern – wird übrigens auch dann nicht tangiert, wenn man den Faschismus als eine besonders grauenhafte Spielart des Kapitalismus begreift. Ich kann ja verstehen, dass einem Sprigerredakteur alles links jenseits der CDU suspekt erscheint. Aber dann kann man die Linkspartei vielleicht an Stellen angreifen, an denen sie Unsinn macht, und muss sich nicht auf die stumpfen Parolen des ‚Linksfaschismus‘ einlassen, wie sei allenthalben aus den Blogs der radikalen Rechten tönen. Ganz merkwürdige Entwicklung bei den ruhrbaronen…

JoS
JoS
9 Jahre zuvor

Das kommunistische Konzept des ‚Sozialfaschismus‘ und das neurechte Konzept des ‚Linksfaschismus‘ sind vollkommen divergente Konzepte. Kumuliert im negativen Begriff des ‚Gutmenschen‘, der bei den ruhrbaronen ja sehr zentral ist, geht es hier um einen autoritären Tugendterror. Auch das ein gängiges Thema in der Jungen Freiheit und bei den ruhrbaronen. Was die oben genannten Punkte betrifft, so solltest du wissen, dass unterschiedliche Überlegungen zu einem gleichen Ziel führen können. Die Ablehnung der Todesstrafe ist ein schönes Beispiel dafür. Gleichwohl können auch divergierende ideologische Konzepte mittelfristig gleiche Ziele haben.

Die meisten autoritären Staaten sind keine Demokratrien, das ist richtig, denn es ist eine Tautologie. Richtig ist sogar: Ein offen autoritärer Staat ist per definitionem keine Demokratrie. Kapitalistisch funktionieren sie dennoch. Zumindest wenn man einen realistischen Blick auf den Kapitalismus wirft und nicht eine anarcho-kapitalistische Utopie, wie sie auf diesem Blog auch schon einmal kolportiert wurde.

Entsprechend setzt deine Antwort meinem Kommentar leider wenig entgegen. Den Faschismus als eine Spielart des Kapitalismus zu sehen bleibt eine durchaus begründet vertretbare These. Zu behaupten, dass der Raub dem Kapitalismus gegenübergestellt sei ist weiterhin überhaupt eine deiner gröbsten Fehlannahmen. Gerade das Prinzip der immer wieder währenden ursprünglichen Akkumulation lässt sich eben nur mit Raub im weiteren Sinne verwirklichen. Und vom Finanzkapitalismus reden wir da noch garnicht.

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

@ Jos Die CDU ist doch links … , starker Staat, Mindestlohn, Frauenquote, Kernenergie-Ausstieg etc. 😉
OK, die Linkspartei übertrifft die CDU noch in ihrer ideologischen Einseitigkeit und ist schon länger (einseitiger) links …
Was sollte an einer „rechten“ Position denn per se so falsch sein?
Aber links von der GroKo sollte einem vernünftigen Menschen zu recht(sic!) suspekt sein 😉

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Wenn man eine Geschichtsdiskussion über den Linksradikalismus führt, muss man allerdings erwähnen, dass der Komintern-Kongress von 1935 in Moskau die Theorie des Sozialfaschismus verwarf und sie als mitverantwortlich für die Schwächung der Arbeiterbewegung in den Jahren vor 1933 machte, die die Machtergreifung der Nazis begünstigt, wenn nicht sogar ermöglicht hatte.

Dieser Umschwung setzte bereits 1934 ein, als die französische KP einen antifaschistischen Aktionspakt mit den Sozialisten schloss – unter dem Begriff der „Volksfront“. Auch die spanische Republik kurze Zeit von einer solchen Volksfront regiert, bis sie den Bürgerkrieg gegen die Franco-Faschisten verlor, die stark von der Unterstützung Hitler-Deutschlands lebten.

Nach 1935 suchten die einzelnen nationalen KPen für einige Jahre nach Aktionsgemeinschaften mit Sozialisten, Sozialdemokraten und anderen antifaschistischen liberalen und bürgerlichen Kräften und arbeiteten sich so aus der ursprünglichen politischen Isolation heraus.

Diese auch theoretische Öffnung durch die Volksfrontpolitik, die neue, intelligente Faschismusanalysen (im Sinne der Frankfurter Schule z. B.) hervorbrachte, änderte allerdings nichts an der Hegemonie der Stalinisten in den KPen. Das Endziel, die Errichtung eines Sozialismus nach sowjetischem Vorbild, wurde nicht verändert. Und im Zuge der stalinistischen Säuberungen Mitte der 30er Jahre gerieten auch zahlreiche Funktionäre der Komintern ins Visier des Diktators und wurden Opfer von Schauprozessen, Verfolgung und Mord.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@jos (#12)

Der Begriff des Linksfaschismus wurde einst von Jürgen Habermas, dem Adorno- und Frankfurter Schüler, als politischer Kampfbegriff gegen die totalitären Tendenzen im SDS bzw. der APO in den 1960er Jahren verwendet – in Anlehnung an die Totalitarismustheore von Hannah Arendt, die alles war, aber nicht „neurechts“.

Andreas Günther
Andreas Günther
9 Jahre zuvor

Der Titel wurde geändert in „Befreiung von Barbarei“, das gezeigte Flugblatt ist zurückgezogen.

bob hope
bob hope
9 Jahre zuvor

Kapitalismuskritik muss keine kommunistischen oder stalinistischen Züge tragen und Kapitalismus funktioniert auch in autoritären Regimen. Gerade das 20. Jahrhundert ist voll von Beispielen: Spanien, Portugal, Griechenland, Argentinien, Brasililien und natürlich Chile – dort nicht nur mit politischer Unterstützung der USA: Die „Chicago Boys“ waren zum Beispiel unter Pinochet maßgeblich am kapitalistischen Umbau Chiles beteiligt. Deregulierung und Staatsterror waren dort nur zwei Seiten einer Medaille. Die „Chicago Boys“ waren maßgeblich von Hayek beeinflusst, der ja bei den Ruhrbaronen auch kein Unbekannter ist.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Es mag ja sein, dass man 35 die Sozialfaschismustheorie vordergründig als schädlich anerkannte. Nur tauchte diese hübsche Theorie als „Sozialdemokratismus“ spätestens nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD wieder auf – mit höchst unschönen Folgen für die, die unter selbiges Verdikt fielen. In „der Partei neuen Typs“ war für Sozialdemokraten und sozialdemokratisches Gedankengut kein Platz. Jeder sich reumütig gebende Nazi hatte in der SBZ/DDR bessere Karten als ein „Schumacheranhänger“ oder gar ein „Agent des Ostbüros der SPD“.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und keine Staatsform. Der einzelne Kapitalist neigt deswegen jenseits seiner politischen Vorlieben dazu, mit d e n Herrschenden, egal welcher politischen Coleur, zu kooperieren, die die Reproduktion und Erweiterung seines Kapitals ermöglichen und sichern. Der Kapitalismus als Ganzes jedoch entwickelt eine Freiheitsdynamik, die über ihn selbst hinausgeht.

Diktaturen bremsen diese Dynamik über kurz oder lang, weil sie in der Regel keine Richtungwechsel ermöglichen und pragmatisch-schnelle Anpassungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse erschweren. Diktatoren sind an wirtschaftlicher Freiheit nur so lange interessiert, wie sie ihrem Machterhalt nützen. Da es keine politische und damit auch keine wirtschaftspolitische Opposition gibt, wird auch das Kapital und das dafür verantwortlichen Leitungspersonal vom jeweiligen Diktator und seiner Führungsclique abhängig.

Kapitalismus und Demokratie sind deswegen keine automatischen Verwandten, geschweige den der einzelne Kapitalist, der den Markt am liebsten durch sein eigenes Angebotsmonopol ersetzen würde. Eine dauerhafte Dynamik erreicht der Kapitalismus als Ganzes , d.h. jenseits des einzelnen Kapitalisten, allerdings nur, wenn sich dem freien Markt auch freie Wahlen und freie Gewerkschaften hinzugesellen. Das scheint im weltweiten Vergleich bislang auch die Historie zu beweisen. Besonders spannend ist dabei für die mittelfristige Zukunft, was in China passiert.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Bemerkenswert, zu welchen interessanten Beiträgen -in welchen gesellschaftswissenschaftlichen Regionen und Dimensionen- der fragwürdige (oder politisch unsinnige?) Titel einer Veranstaltung der LINKEN animiert.

Ich halte mich da ‚mal raus, denn ansonsten hätte ich sehr Vieles zu den einzelnen Beiträgen zu bedenken und folglich aufzuschreiben, was ich derzeit nicht will.

Und im übrigen:
Der jetzige Veranstaltungstitel “ !945 – Befreiung von der Barbarei“ ist doch repektabel und akzeptabel. Ich wäre auf diesen Titel nicht gekommen, meine aber, daß mit dem Begriff „Barbarei“ durchaus das Nachdenken über das Nazi-Regime und über sein Ende 1945 befördert werden kann.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@Walter Stach (#22)

Der Titel ist in der Tat akzeptabel, auch deshalb, weil er auf eine historische Prognose der deutsch-polnischen Sozialistin Rosa Luxemburg anspielt. Sie hatte diese Prognose im Jahre 1913 gestellt, kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges, der sich als Jahrhundertkatastrophe erwies und als Beginn eines dreißigjährigen Krieges. Die Prognose lautete: Sozialismus oder Barbarei.

Dazu muss man wissen, dass von Rosa Luxemburg und all denen, die sich in ihrer Tradition sahen (vom linken Großverleger und Bourgeois der 1920er Jahre, Willi Münzenberg, über den italienischen Eurokommunisten der 60er und 70er, Enrico Berlinguer, bis zum sowjetischen Reformkommunisten der 1980er Jahre, Michail Gorbatschow), eine demokratische Vorstellung von Sozialismus ausging, im Sinne der Pariser Commune.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@Stefan Laurin

Ja, sie hätten allen Grund für diesen großartigen Text mit einem bewegenden Gesang gehabt, die von Bertolt Brecht und Hanns Eisler stammen. Beide übrigens Sozialisten.

Ich sehe die Tragödie so: Keineswegs haben sich im Stalinismus Barbarei und Sozialismus einander ergänzt.

Die stalinistische Barbarei hat Millionen Menschen und sie hat den Sozialismus getötet.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Vielleicht darf ich noch hinzufügen, dass ein Großteil derjenigen, die seit 1919 des Mordes an Rosa Luxemburg gedachten, durchaus den „Luxemburgismus“, was immer das auch ist, durchaus als eine der Partei(KPD/SED) schädlich-gefährliche Strömung ansahen.

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (28), die diktatorische Macht, die die damaligen Revolutionäre hatten, bekamen sie, weil das System der Räte so eine Entwicklung begünstigt. Überall wo es Räte gab, delegierte diese ihre Aufgabe an ein zentrales Kommitee, das in den Zeiten zwischen den Ratssitzungen die Aufgaben der Herrschaftsausübung übernahm und auf für die Einberufung der nächsten Ratssitzung zuständig war.
Das hat zur völligen Entmachtung der Räte und zur Diktatur des zenralen Kommitees geführt. Dieses Zentralkommitee hat dann den Namen „Rätedemokratie“ für ihre Diktatur beibehalten.
Was mich in dem Zusammenhang wundert, ist daß es immer noch Leute gibt, die diese Lüge des damals dominanten russischen Zentralkommitees glauben. Selbst heute noch.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Helmut, die glauben das nicht, die wollen diese von nichts und niemanden kontrollierte oder gar eingeschränkte Macht, es sind die feuchten Träume altgewordener Vorstadtrevoluzzer. Und wenn es mit der Macht über alle nicht hinhaut, dann wenigstens die Macht in der Partei. Da lässt man dann auch gerne mal alle Hemmungen fallen und wird deutlich. So konnte man gestern über die Auseinandersetzung in der linken Kreistagsgruppe Gütersloh im HALLER KREISBLATT lesen, dass das ehemalige Landesvorstandsmitglied der NRW-Linkpartei Ehlbracht seinem Genossen Wessel „unter Zeugen angedroht hat, >ihm gleich eins in die Schnauze zu hauen<".

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Thomas, es gibt die, die das wollen und die, die denen glauben schenken, daß sie eigentlich das Schöne, Gute, Erstrebenswerte usw. erreichen wollen.
An die Letzteren wende ich mich. Denen sage ich das, was ich denke, und mit denen versuche ich die Zusammenhänge zu diskutieren.
Diejenigen aber, die sich die Diktatur wünschen, oder diese kleinreden, relativieren usw., die müssen bekämpft werden. Das ist der Weg, den ich gehe, seit ich hier blogge. Und ich habe festgestellt, daß die Relativierer nicht gerne diskutieren. Das kennen die nicht so. Keine Erfahrung darin. Diese Fähigkeit braucht man in der Diktatur auch nicht.

Überrascht
Überrascht
9 Jahre zuvor

Also Kapitalismus hat nichts mit Raub und Mord zu tun? Karl Marx hat es ausführlich beschrieben , ohne die ursprüngliche Akkumulation kein Kapitalismus. Also das massenweiser Raub und Mord an den kleinen Landbesitzern in England und ihre Verlendung und Degradierung zu Proletariern die Geburtshelfer des Kapitalismus waren. Nicht umsonst gab es dazu dieses eingängige Zitat: „“Wenn das Geld, nach [Marie] Augier, „mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt“ so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“.
Aber das ist nur das eine. Jeder Besitz , ob das der Sklavenhalter, der Großgrundbesitz oder eben der Kapitalistenklasse besteht wesentlich aus Raub und Betrug. In ziviler Form , also dem Arbeitsvertrag, lässt der Arbeiter sich „freiwillig“ vom Kapitalisten um dem von ihm geschaffenen Mehrwert betrügen. In „rauen“ Zeiten lässt der Kapitalist halt den Arbeiter im KZ oder als Zwangsarbeiter per offener Gewalt arbeiten. Wer will die ungeheuerlichen Profite der deutschen Konzerne , ihre Erneuerung der Maschinenparks, ihre massenweise Ausbeutung von Millionen Arbeitern im der Zeit des Faschismus leugnen? Darüber gibt es genug Publikationen. Die lachhafte Entschädigung an die Zwangsarbeiter durch die deutsche Industrie ist ja ein Eingeständnis dieses Verbrechens. Daher ist die Enteignung der Kapitalistenklasse im Sozialismus kein Raub, wie das hier manche darstellen, sondern einfach der Übergang in das Eigentum derer die diesen Reichtum produzieren.

Überrascht
Überrascht
9 Jahre zuvor

Die Bauern , insbesondere die unteren Schichten, waren neben der Arbeiterklasse der Träger der Oktoberrevolution. Sie teilten ja das Land der Großgrundbesitzer unter sich auf. In vielen Gegenden bereits vor dem Dekret über die Aufteilung des Bodens durch die Bolschewiki. Ihre Unterstützung der Revolution wird schon dadurch bewiesen, das ohne ihre Teilnahme am Bürgerkrieg, sie stellten ja den Hauptteil der Roten Armee die Sowjetunion bereits Anfang der 2oiger am Ende gewesen wäre. Dann gab es eine Phase der NEP, also eine Ausnutzung der kapitalistischen Produktionsweise, in Industrie und auf dem Land, unter Beibehaltung der „Kommandohöhen der Wirtschaft“ durch die Bolschewiki, um die Lage der SU zu stabilisieren. Dabei festigte sich auf dem Land die Kulakenklasse, sprich Großbauern, bäuerliche Kapitalisten. Sie waren auf dem Land verhasst, waren sie doch durch ihre Ausbeutung der Landarbeiter und der Hortung von Vorräten, für die Armut und grassierenden Hunger verantwortlich. Meist dominierten sie sogar die Sowjets. Ihr schloss sich die Phase der Kollektivierung an. Also eine nächste Etappe der Revolution besonders auf dem Land. Diese Bewegung wurde auch von den unteren Schichten des Dorfes , insbesondere der Dorfarmut getrieben, die in den Kolchosen ein bessere Arbeits- und Lebensweise sahen usw. usf. Revolutionen sind halt kein Deckchensticken…….

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Ach ja, die „Dorfarmut“, die ja doch hin und wieder, oder sogar öfter, erst einmal durch Agitatoren aus der Stadt „repräsentiert“ wurden, wie in vielen zeitgenössischen Schilderungen zu lesen ist. Wissenschaftlich neuer hierzu Baberowski u.a. „Der Feind ist überall“ und „Verbrannte Erde“ Da relativiert sich dann auch der „Hass“ auf die Kulaken.
@Helmut Dem ist wohl so, wie du es beschreibst.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-23-leoluca
Danke für den Hinweis auf Rosa Luxemburg „…Barberei“. War mir nicht bekannt.

Ansonsten habe ich mich beinahe mein Leben lang mit „der Geschichte politscher Ideen“ befaßt, also auch mit alldem, was mit dem Begriff Sozialismus zu tun hat. Darauf lasse ich mich hier aber nicht ein. Ein Diskurs, der den Namen verdient, über „Sozialismus gestern,heute und morgen“ kann hier bei den Rurhbaronen angesichts des Formats dieses Medium nicht stattfindn.Bestenfalls, schlechtestenfalls wird hier über den Sozialismus diskutiert mittels kurzer, folgich relativ oberflächlicher, folglich durch jederman angreifbarer Wortmeldungen.

Das will ich möglichst vermeiden.

Anderseits kann ja ein kurzer verbaler Schlagabtausch durchaus etwas bringen, z.B. das eigene Wohlbefinden befördern, weil dazu auch solche kurzen Schlagabtausche beitragen können, jedenfalls bei mir.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Nachtrag:
Warum, aus welchen Gründen, mit welchem Ziel, wird stets, wenn über das Nazi-Regime in Deutschland diskutiert wird, über die Verbrechen der Nazis, jetzt hier anhand des Begriffes „Barbarei“, sofort, ja reflexartig das Sowjet-System, die stalinistische Barbarei oder gar der Sozialismus im allgemeine ins Spiel gebracht?

Steckt dahinter, bewußt oder unbewußt, der Versuch zu relativiern?

trackback

[…] “Linkspartei ändert Namen der Veranstaltung – aus Kapitalistischer Barbarei wird Barbarei” […]

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

#38 @ Walter Stach
Ich sehe zwar nicht, dass dies stets geschieht, kann das aber gut nachvollziehen. Ich sehe darin auch keine Relativierung. Es gibt anscheinend nicht wenige Menschen, die bei den Nationalsozialisten und den Internationalsozialisten vor allem die Gefahr des Sozialismus (Totalitarismus) sehen. Während das eine sozialistische System meiner Meinung nach ziemlich und relativ endgültig diskreditiert ist, erfreut sich das andere sozialistische System einer romantischen Verklärung.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

(#40)

Ich hoffe doch sehr, dass der braune Nazismus bzw. Faschismus ein für allemal historisch erledigt ist. Das gleiche gilt für den Stalinismus.

Die ursprüngliche sozialistische Idee, die sich nicht um irgendein in sich geschlossenes „System“ dreht, sondern um die emanzipatorische Verbindung von Freiheit und Solidarität, von Eigentum und Gemeinwohl, ist damit nicht nur nicht erledigt, sie wird derzeit sogar wieder relevant, weil der hoch entwickelte „westliche“ Kapitalismus nicht richtig funktioniert, um es vorsichtig zu sagen.

Man sieht es daran, dass das Werk „Das Kapital“ des französischen Ökonomen, Thomas Piketty, derzeit zum Kultbuch der neuen Gesellschaftskritik wird. Er ist alles andere als ein Romantiker oder Ideologe, er sagt nur, dass die Ökonomie gar nicht so kompliziert ist..

Das Thema von Piketty ist ganz einfach: Wachstum ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern Kapitalismus bedeutet, dass Kapitaleinkünfte stärker wachsen als Einkommen aus Arbeit. Das ist der Zwang, den Piketty empirisch über die letzten zwei Jahrhunderte hinweg beweist; die Ausnahmen in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten bestätigen die Regel.

Für die Frage der Ungleichheit ist – so Piketty – nicht allein das Wachstum entscheidend, sondern dass der freie Markt zur Ungleichheitsmaschine geworden ist. Vor allem in den USA, aber auch in Europa fallen die Renditen in jedem Jahr um ein weiteres Stück größer aus als das Wachstum und dadurch liegt inzwischen der komplette Kapitalbesitz (Immobilien, Finanzen, Industrie, Auslandsvermögen) eines hoch entwickelten Landes in Europa um das sechs- bis achtfache höher als das jährliche Nationaleinkommen.

Wer hat, dem wird gegeben – John F. Kennedys lag ziemlich falsch mit seiner Kapitalismusvorstellung, die er mit einer Flut verglich, die alle Boote hebt. Der Schriftsteller Max Frisch hat für meinen Geschmack das Richtige dazu gesagt: Der Kapitalismus, zumal der neoliberale, sei ein permanenter Aufstand der Reichen gegen die Armen.

Das Hauptproblem des Wirtschafts-Wachstums heute ist doch, dass es dem Kapital an Anlagemöglichkeiten fehlt, die zugleich produktiv und profitabel wären. Also ist das Wachstum gering und weil das Kapital aus Profitgründen auf die Finanzmärkte ausweicht, wächst die Reichtumsschere.

Es wäre in der Tat besser, überschüssige Kapitaleinkünfte durch Steuern öffentlich abzuschöpfen und mit ihnen inländische wie weltweite Aufgaben auch dann zu bewältigen, wenn kein Profit dabei herausspringt. Und in dieser Idee ist die sozialistische Idee enthalten: der globale Gemeinwohlgedanke.

Man muss das ja nicht teilen: Aber Romantik ist das nicht. Und totalitär ist diese Idee auch nicht.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Das Buch von Piketty kann ich nur Jedem empfehlen. Umverteilung ist eben keine Herz-Jesu-Angelegenheit sondern in bestimmten Phasen der Wachstumsentwicklung eine volkswirtschaftliche Notwendigkeitund man kann sie ohne Probleme innerhalb des kapitalistischen Systems bewerkstelligen, wenn man es denn wirklich will.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

abraxasrgb-40-
1.
Ich habe keinen Grund, meine Frage -sh.38- als unbegründet zurückzunehmen.
2.
Sozialismus…..Totalitarismus–romantische Verklärung….
Damit könnte das „Fass aufgemacht“ werden für eine Diskussion über den Sozialismus in Vergangenheit und Gegenwart und über die Frage nach seinen Perspektiven. Letzteres wäre ja keineswegs „romantische Spinnerei“, sondern mit Blick auf die aktuellen, tagäglich wachsenden Probleme des weltweiten „Kapitalismus“ realitätsbezogen -sh. dazu u.a. Piketty-.

Aber -sh.meine Anmerkung 37-, das kann angesichts des Formates des Blogs „Ruhrbarone“ nicht zu einem Diskurs führen, der den Namen verdient hätte.

Geschichte des Sozialismus, die Systeme des Sozialismus -Frühsozialismus, wissenschaftlicher Sozialismus, Sozalismus der Fabier und Gildesozialismus, demokratisch-freiheitlicher Sozialismus, religiöser Sozialismus-, sozialistische Bewegungen und Parteien, Erfolge und Mißerfolge, Aufstiege und Untergänge, Kompromisse und Verrat…………..all das -und noch mehr- läßt sich hier nicht einmal ansatzweise angehen.
Ich meine, diese Kompexität sollte aber zumindest bedacht werden, wenn wir uns hier mehr oder weniger mittels Schlagworten und nur mit sehr,sehr kurzen Begründungen auf eine kontroverse Debatte einlassen; ich schließe mich da ein.

leoluca -41-
Es sollte doch jedermann nachdenklich stimmen, daß sich akutell vor allem solche Politologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler mit der Frage befassen, ob der Kapitalismus „seinen Niedergang erlebt“ und der Sozialismus, in „welcher Färbung auch immer“, eine Renaissance erleben könnte, die nach ihrer bis dahin vertretenen Auffassung und nach ihrem bisherigen Tun nicht dem Lager “ klasssicher Sozialisten“ zugerechnet werden können.

Arnold -42-
„wenn man es denn wirklich will……“

Nach dem GG ist das in Deutschland zu wollen!
Die Verfassung legt verbindlich (!!) für die legislative, für die exekutive und für die judikative Staatstätigkeit als eines der Staatsziele den s o z i a l e n Rechtstaat fest.
(Die Mütter und die Väter unserer Verfassung haben mit dem s o z i a l e n demokratischen Rechtsstaat eine Antwort geben wollen sowohl auf den klassichen liberalistisch-kapitalistischen Staat als auch auf die sozialistisch-kommunisten Staaten marx.-leninister Prägung unter Führung der UDSSR.)

Die Realisierung dieser verfassungsrechtliche Staatszielbestimmung “ s o z i a l e r Rechtstaat“ , so scheint mir, wird immer utopischer, „weil man das so will“. Rente mit 63, Mindestlohn, sog.Mütterente…; für mich ist das nur.Kosmetik an einem System, das sich immer weiter von der Idee des s o z i a l e n Rechtstaates entfernt, u.a. erkennbar an der für mich unbegreiflichen Diskrepanz zwischen den wenigen Vermögenden im Milliardenbereich und den Kleinstrentnern in Deutschland, den Mindestlohnempfänger, den HartzIV-Beziehern, ganz zu schweigenden von dem Ausmaß weltweit festzustellender und durch mich nicht zu begreifender Milliarden-Vermögen hier und verhungernder, verdurstender Menschen dort!

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Arnold Voss #21 fand ich insgesamt am besten. Aber:
„Der Kapitalismus als Ganzes jedoch entwickelt eine Freiheitsdynamik, die über ihn selbst hinausgeht.“
Stimmt das denn überhaupt? Adorno hätte sich über diese Aussage doch sehr verwundert und dagegen gehalten: Der Spätkapitalismus tendiert zu einer immer engmaschigeren „verwalteten Welt“; die Strukturen der Arbeitswelt – Abhängigkeit, Unsicherheit, Konkurrenzkampf – setzen sich in die Strukturen des Privatlebens um; der Sozialdarwinismus (fressen oder gefressen werden) wird zur allgemeinen Mentalität und damit auch zur Grundlage des politischen Denkens.
Und genau diese Sozialdarwinisierung des politischen Denkens erleben wir doch heute! Die Neokonservativen und Neoimperialisten schwätzen zwar viel über „Kapitalismus und Demokratie“, aber tragen zur Demokratisierung gar nichts bei. In der westlichen Welt zersetzen und unterminieren sie das Recht auf Opposition und die bürgerlichen Freiheitsrechte („im Prinzip ja, aber …“). In den Objektstaaten schaffen sie Satellitendiktaturen, die mit einem Minimum formaler Legitimation auskommen und ohne militärische Hilfe sofort zusammenbrechen. Wenn in diesen Objektstaaten der Kapitalismus eingeführt wird – also z.B. die Ausbeutung der Ölvorräte an ein westliches Konsortium verpachtet wird -, inwiefern fördert denn das eine Freiheitsdynamik?

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Gerade noch etwas zur Umverteilung,
Es haben viele Wirtschaftswissenschaftler demonstriert, dass die Umverteilung der wenigen Großvermögen nicht ausreicht, um einen wesentlichen Effekt zu machen. Deshalb besteht dann immer die Tendenz, die Umverteilung auf die mittleren Vermögen auszuweiten.
Die der Mittelschicht haben wir es aber mit Leuten zu tun, die sich gerade eben aus der Abhängigkeit von staatlichen Subsidien herausgearbeitet haben. Aus ihrer Sicht ist es so, dass sie bei der Umverteilung vielleicht gar nichts verlieren – aber sich das Einkommen, was sie vorher ihrem Vermögen entnahmen, jetzt vom Staat wieder in Form von allen möglichen Subsidien erbetteln müssen. Aus dieser Sicht ist der Haupteffekt der Umverteilung, die Menschen zu Klienten am Hof der Politiker zu machen.
Deshalb wird es immer einen mittelschichtlichen Block geben, der sich gegen die Umverteilung sperrt. (Es sei denn, die derzeitigen Prognosen bestätigen sich und die Mittelschicht verschwindet ganz.)

Nebenbei: leoluca #41 hat oben die Unterscheidung von produktivem und nicht produktivem Kapitaleinsatz eingeführt. Das ist im wesentlichen dasselbe, was früher mit deutschen Wörtern als „schaffendes“ und „raffendes“ Kapital bezeichnet wurde und heute immer als (angebliche) nationalsozialistische Marotte vorgeführt wird.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

#45 Rainer Möller,

Nein, aus meiner analytischen Bemerkung (unter #41), dass das Hauptproblem des Wirtschafts-Wachstums heute ist, dass es dem Kapital an Anlagemöglichkeiten fehlt, die zugleich produktiv und profitabel wären, und dass, weil das Kapital aus Profitgründen auf die Finanzmärkte ausweicht, das Wachstum zu gering ist und die Reichtumsschere wächst – aus dieser Bemerkung lässt sich ganz und gar nicht die alte braune Parole vom raffenden und schaffenden Kapital ableiten.

Ich finde diesen Schluss sogar ziemlich haarsträubend und will mit ihm nichts zu tun haben.

Wenn die Querfrontler und Verschwörungstheoretiker ihren großen fremden Feind in der amerikanischen Großfinanz bzw. im anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus sehen und den Mythos eines guten deutschen nationalen Kapitals anbeten, dann wird mir schlecht vor soviel analytischem Dünnschiss und politischer Demagogie, die natürlich an die 1930er Jahre denken lässt.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Rainer Möller

Es geht bei der volkwirtschaftlichen Umverteilung nicht um die Vernichtung jeglichen Vermögens, sondern um eine Umsteuerung von potentiellen Investitionsströmen. Bewusst vereinfacht ausgedrückt: Wenn einer so viel Geld über hat, dass er damit nur noch spekulativ spielt, sollte man ihm das Spielgeld wegnehmen um damit z.B. Schulen oder Straßen zu bauen.

Bei der sozialen Umverteilung sieht die Sache allerdings anders aus. Hier geht es im wesentlichen um leistungslose Einkommen, bzw. um die Frage der Einkommensgerechtigkeit. Wenn z.B. allein die jährlichen Boni, also die jährlichen Zusatzvergütungen von Bankern und Managern in der Gesamtsumme das Bruttoszialprodukt ganzer Staaten übersteigen, während die Durchschnittseinkommen sinken und am untere Ende der Lohnskala das Hungertuch winkt, stellt sich natürlich auch eine Verteilungsfrage.

Bei der Verwendung des Begriffspaars schaffendes und raffendes Kapital empfehle ich größte Vorsicht. Auch das sogenannten schaffende Kapital rafft, wenn es Monopolprofite einstreicht. Auch das sogenannte schaffende Kapital beutet die Menschen aus, wenn es sie unter menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zwingt und/oder ihnen so wenig Lohn zahlt, dass sie davon nicht leben können.

Das Begriffspaar schaffendes und raffendes Kapital ist deswegen zu recht ideologisch belastet, denn der Begriff des raffendenden Kapitals war von den Nazis eindeutig gegen die sogennannte jüdische Hochfinanz gerichtet, die so als die bösen Kapitalisten abgestempelt werden sollten. Der deutsche Betriebsführer- und/oder -eigner, egal wie ausbeuterisch er war, war dagegen der gute Kapitalist.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

abraxasrgb -48-
Hatte der Verfasser im Sinn zu suggerieren, daß diejenigen, die soziale Gerechigkeit in einer sich als kapitalistisch darstellenden Gesellschaft fordern, mit dieser Forderung jeglichen Reichtum i relativ Weniger ablehnen und stattdessen die „materielle Gleichhiet“ aller wollen?

Dann würde der der Verfasser letztlich die Staatszielbestimmung unseres GG vom s o z i a l e n Rechtstaat diskreditieren.

Mittlerweile hat sich ja selbst unter den Verfechter einer „imPrinzip“ liberalistisch-kapiitalistischen Staats- und Gesellschaftsorndung herumgesprochen,daß diese dabei ist, sich ihr eigenen Grab zu schaufeln, wenn sie nicht dafür sorgt, daß der anscheinend unentrinnbaren Vorgabe für das Leben vieler Menschen “ Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“ durch Staat und Gesellschaft nachdrücklich und nachhaltig Einhalt geboten wird.

Eine sozial gerechtere Welt -in vielen EU-Staaten, in den USA, weltweit- würde nicht den Reichtum Weniger entgegenstehen bzw. diesen ausschließen, sondern diesen langfristig sichern.
Sozale Gerechtigkeit im Sinne der sozalstaatlichen Zielbestimmung des GG zielt nicht einmal ansatzweise auf eine materiellen Gelciheit aller Menschen ab.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Das ist eine äußerst schwache Replik, abraxasrgb. Weder handeln Unternehmer nur auf eigenes Risiko noch nur auf eigene Rechnung. Die Verhältnisse sind weitaus komplexer, sonst könnten die Handlungen in und von Unternehmen und Unternehmern nicht ganzes Volkswirtschaften ökonomisch destabilisieren. Und natürlich sind ein Teil der Vermögenden nichts anderes als Berufserben deren nicht selbst erwirtschaftetes Vermögen ausschließlich als Rente funktioniert.

Ich bin ein ausdrücklicher Befürworter des Kapitalismus und des Privateigentums auch an den Produktionsmitteln und gerade deswegen halte sich solche Plattitüden über den Reichtum der alle reicher macht für pure Ideologie. Meistens sind sie von Leuten geschrieben, die sich auf Grund ihrer ökonomischen Sicherheiten nie dem freien Markt und dem Wettbewerb aussetzen mussten, die schlicht nie erfahren haben, was ökonomisches Risiko auch persönlich bedeutet.

Es ist die gewaltigen Zunahme leistungsloser Einkommen zusammen mit der O-Zins-Politik die weltweit den produktiven Volkswirtschaften zunehmend Probleme bereitet. Die dafür sorgt, dass absurde Preise sowohl für Kunstwerke als auch für Wohnungen verlangt werden können. Die dafür sorgt, dass Betriebe schließen, die hochproduktiv und gewinnträchtig sind, weil die Rendite nicht hoch genug ist.Die dafür sorgt, dass gegen ganze Nationen und ganze Volkswirtschaften spekuliert werden kann.

Ich habe nichts gegen schöne Boote und Jachten, nichts gegen Privatflugzeuge und hochkarätigen Schmuck, nichts gegen kulturellen und materiellen Luxus. Ich habe nur was dagegen, wenn die Menschen daran sozial und kulturell erblinden und die Verantwortung für das Ganze dabei flöten geht. Es geht nicht um Neid, sondern darum, das zu viel Geld ökonomisch genauso schädlich sein kann wie zu wenig.

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