Wer will, kann heute aufgebrachten Studenten im Web folgen, die sind im Ausstand, dem so genannten Bildungsstreik. Es gibt dafür tweets
und urls – in Bochum freuen sich die Aktivisten schon wie Bolle, dass Kamerateams von SAT1 und WDR vor Ort waren. Heute Abend, twittert der Protestmob deshalb an seine Onlinegemeinde, Fernsehen gucken, Lokalzeit. Das ist natürlich lustig.
Denn ich sehe sie vor mir, die Studenten des Ruhrgebiets, wie sie Streik hin, Streik her, wie immer um 16:54 die U35 Richtung Bochum Hauptbahnhof nehmen, dort den Zug nach Wanne, den Bus nach Recklinghausen. Um noch rechtzeitig im elterlichen Reihenhaus im Jugendzimmer den Fernseher anzuwerfen, Sat1, 17:30, um es bloß nicht zu verpassen. Ihren Streik an der Uni: "Komma kumma Mutti, da hinten, das bin ich." Dann Abendbrot. Schreibtisch, etwas Daddeln.
Nein, vielleicht ist es auch ganz anders, bin ja nicht dabei. Aber wenn ich lese von "kreativen" Aktionen, die heute morgen mit einem "Paukenschlag" eröffnet werden sollten, dann glaub ich nicht dran, nicht an Streik, nicht an Studentenbewegung.
Ist vielleicht ohnehin ein Missverständnis: Studenten und Revolution. Erst Recht im Ruhrgebiet, wo sie sich wie Azubis fühlen und führen, schon immer. Mit Schnittchen aus Tupperdosen, Thermotassen und für Zwischendurch auch den Apfel nicht vergessen.
Als ich selbst noch studentenbewegt war, in Bochum, da wollte ich natürlich auch die agitieren, die partout nicht agitiert werden wollten. Mittlerweile mag ich die Ruhr-Unis wie sie sind: Ausbildungungsbetriebe mit gewissenhaften, aber nicht übereifrigen, und, ich sag Ja zum Klischeee: bodenständigen Studentinnen und Studenten. Was braucht es da Streiks?
Vor allem weil die sowieso nicht funktionieren. Streiks an Unis. Welche Produktionsmittel des Kapitals kann man da schon besetzen, um Erpressungsmaterial gegen die herrschende Klasse in die Hände zu bekommen? Kaputte Schreibtische? Was ein Quatsch. Hab ich nie verstanden.
Dafür hab ich mal vorgeschlagen die Uni-Bibliothek zu besetzen und eigenwirtschaftlich zu verwalten. Wollte dann aber auch keiner.
Wär ja sowas wie eine Privatisierung des Wissens gewesen.
Ich sehe solchen Aktionen immer ein bisschen zweigeteilt zu. Sicher, das sind demokratische Grundrechte, die da wahrgenommen werden, Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit und alles Mögliche. Aber irgendwie wirkt es auf mich immer unfreiwillig komisch. Sogar dann, wenn es eigentlich kein bisschen komisch ist.
War das jetzt der Beitrag der Ruhrbarone zu den Bildungsprotesten?
@d.e.h. keine Ahnung, was da noch kommt.
Doch wer den diversen Bewegungstickern, -twittern, -onlinern heute folgt, kann am Ende des ersten Tage nur sagen: Soo doll fallen die ja nicht aus, die Bildungsproteste. Außerdem: Sehr, sehr problematisch EINE Kampagnenwoche zum sehr heterogenen Thema von „Fachlehrermangelstundenausfalleineschulefüralleturboabi“ bis „Privatisierungstudiengebührenüberunterlastverschulung“ veranstalten zu wollen. Finde ich.
@ Schuri: ?Sehr, sehr problematisch? finde ich die Selbstgefälligkeit, mit der dieser Beitrag den Anliegen von Schülern und Studenten begegnet. ?Was braucht es da Streiks?? kann in der Tat nur jemand fragen, der die Schulen und Universitäten des Ruhrgebiets so mag wie sie sind.
@d.e.haas
ich begegne „den anliegen von schülern und studenten“ dshalb etwas skeptisch, weil ich weder die studenten, noch die schüler, noch deren eindeutige anliegen zu erkennen vermag, zumal wenn die aktionen des bildungsstreik etwa in bochum gerade mal von ein paar hundert leuten (bei mehr als 30.000 studenten) durchgeführt werden. und genau darum ging es in dem beitrag: die unmobilisierbarkeit für studentische belange im ruhrgebiet (und ich spreche aus erfahrung) – auch deshalb weil die studenten hier so unstudentisch, „bodenständig“ sind.
Bundesweiter Bildungsstreik – Mittwoch ist Demo-Tag!…
Hiermit möchte ich alle Schülerinnen, Schüler, Lehrer, Dozenten, Wissenschaftler, Schulleiter, Eltern und alle Sympathisanten dazu aufrufen, am Mittwoch für ein besseres Bildungssystem auf die Straße zu gehen! Hauptforderungen sind mehr Investitio…
Dieser ganze Streik ist auch von vorn bis hinten Banane. Fast ist man versucht mitzustreiken in der Hoffnung, dass die Veranstalter wirklich mal ein bisschen Bildung abbekommen…
Das fängt bei den Flyer-Aufrufen zu „Flashmobs“ (soso…) an und hört bei der Nichtinformierung der GEW-Vertreter in den Schulen noch lange nicht auf. Und wie schuri in Kommentar 7 sehr richtig bemerkte ist ein ausser ein paar sinnschwachen Schlagworten („Bachelor, Master abschaffen“..usw) auch nicht zu erfahren worum es eigentlich gehen soll.
@ Schuri, Spagetten_Johnny: Entschieden mehr Mittel in Bildungsstätten zu investieren, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen, die G8-Regelung an Gymnasien zurückzunehmen, auf Studiengebühren zu verzichten, die bisherigen Curricula vieler Bachelor-/Masterstudiengänge zu überprüfen, kleinere Klassen in den Schulen usw. usw. ? die Anliegen der Schüler und Studenten sind weder Geheimnis, noch Banane. Sie werden auch nicht dadurch falsch, dass sich in Bochum bislang nur Hunderte beteiligt haben oder Menschen, die sich Spagetten_Johnny nennen, nichts mit Protestformen wie Flashmobs anfangen können.
naja, es gibt natürlich heute ein anderen Umgang mit Medien als 1993/94. Die Medianaufmerksamkeit ist doch auch der Sinn von demonstrativen Aktionen – erst recht in Zeiten, wo Medien eine weit wichtigere Rolle als Organisationen wie Parteien spielen. Schröder hats vorgemacht. Ich ziehe meinen Hut vor den Studis, die unter enormen Druck völlig verschulter Studiengänge stehen und trotzdem was tun, Meinungsäußerungen als Agitation zu denuzieren ist schon sehr hart, finde ich.
Was in aller Welt sind gewissenhafte und bodenständige Studis? Solche die notorisch ihre Ellbogen einsetzen und brav nachbeten was der Herr Professor gerade verkündet. Bodenständig meint ja wohl kaum Studis aus dem „gemeinen Volk“. Denn deren Zahl sinkt rapide in Richtung 50er Jahr Niveau.
Für ein besseres Bildungssystem zu streiken/streiten, ist ja an sich ne gute Sache. Aber Hochschulpolitik war auch schon zu unserer Zeit ein mobilisierungsträges Thema. Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion zum Thema Bafög, wo außer dem AStA und Norbert Lammert NIEMAND war.
400 Demonstrierende heute in Bochum zum Beispiel, naja, Massenbewegung sieht sicher anders aus. Über die Korrelation von Revolution, Schnittchen und Bodenständigkeit müsste man aber nochmal diskutieren. 🙂
Hm eigentlich wollte ich hier mal kurz was „von der Front“ erzählen. Aber ich hab letztendlich auch den ganzen Tag am Rechner sitzen müssen, so dass nicht mehr als die Megaphonchöre vom Streik durchkamen. Vielleicht sollte man die Studis einfach mal machen lassen, ohne ihnen gleich das ganze Erbe von 1000 Jahren Hochschulpolitik aufzubürden. Dümmer sind sie ja nicht geworden.
Natürlich ist die Mehrheit der Studenten angepasst. War sie immer schon. Auch zu den 68-Zeiten. Der Unterschied zu „damals“ ist, dass auch die Minderheit derer die sich (erfolglos oder nicht) zu wehren bereit sind noch kleiner geworden ist. Aber auch dafür gibt es gute Gründe die man nicht unbedingt den StudentInnen selbst anlasten kann sondern eher den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen.Diese haben auch ihre immer schon schwachen Drohmittel noch weiter reduziert.
Das alles ist aber kein Grund sich über die lustig zu machen, die trotzdem auf die Straße gehen. Ganz im Gegenteil. Es wäre eher ein Grund dafür, diese Menschen zu bewundern und sie zu unterstützen. Meinetwegen auch im „kritischen Dialog“. Auf keinen Fall aber ist der besserwisserische Oberlehrerton angebracht, der hier mehrheitlich gepflegt wird.
@ch_we, @ und überhaupt…
genau, dümmer sind die studenten nicht geworden, und machen sollen sie, – von mir aus auch viel mehr. aber lustig machen, lieber arnold, darf man sich über alles, erst recht über bildungsstreiks mit sehr vielen streibrechern. vor allem im ruhrgebiet der azubipendler – wie gesagt, find die gar nicht doof! und jetzt mal ans eingemachte, @ dehaas, „die“ studenten fordern weniger verschulung, überprüufung der lehrinhalte, mehr demokratie usw. Fordern die Opel-Arbeiter dann auch die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien weil es eine rote betriebsratszelle schreibt, fordert? noch einmal: wie kann man von einem streik, den studenten sprechen, wenn 90 prozent nichts damit zu tun haben wollen? wie von DEN forderungen DER studenten? meine these: weil da wieder der klassische kanon auf den transparenten steht, also eine demokratische hochschule für alle, selbstbestimmtes studium, drittelparität, drittmittelverbot und nicht fokussiert „abschaffung der unsozialen studiengebühren“, machen nur die politisierten mit, dem rest geht das zu weit. und so verpufft der kampf, weil er sich zu viel aufhalst. witzig (oder tragisch; zufrieden arnold?) ist, dass sich in den letzten 30 Jahren so wenig geändert hat.
@Schuri:
https://www.bildungsstreik2009.de/category/bundnisse/
plus die eine rote Betriebsratszelle bei Opel (-:
Protestaktionen macht man, damit sich mehr Menschen solchen Forderungen anschließen ? und nicht erst dann, wenn man eh schon 90% hinter sich weiß. Das ist das Einmaleins sozialer Bewegungen.
Was mich stört ist dieser ?Oppa erzählt aus’m Krieg?-Affekt derjenigen, die vor 20 oder 30 Jahren ?Studentenbewegung? waren und jetzt vor allem damit beschäftigt sind, Parallelen zur eigenen Vergangenheit zu identifizieren ? und enttäuscht (oder erleichtert) feststellen, dass wieder mal keine ?Revolution? stattfindet. Hier und heute geht es um die Interessen derjenigen, die hier und heute zur Schule bzw. zur Universität gehen. Dass deren Forderungen so vielfältig (oder von mir aus auch: uneindeutig) sind, ist auch der Situation an den Bildungsstätten geschuldet: Da gibt es eben nicht den einen Topic, die eine Forderung, mit dem sich die Defizite des Bildungssystems lösen ließen.
@Dirk E. Haas
Wenn man wüsste was jetzt ein Flashmob ist, könnte man auch meine Kritik verstehen, aber ich bin ja nicht so (https://www.igooglethatforyou.com/?q=flashmob). Ein Flashmob hört auf einer zu sein, wenn man ihn auf FLyern/Poster usw ankündigt, dann ist es nur noch eine unangemeldete Demo…
Die G8-Reform halte ich persönlich für eine sinnvollsten Entwicklungen im deutschen Schulsystem, und von einer Überprüfung der Curricula ist nirgends die Rede, es geht um die Abschaffung.
Studiengebühren sind natürlich eine Sache für sich, es tut jedesmal erheblich weh, aber sie führen dazu, dass Studenten keine Bittsteller bei Professoren, Wimis usw mehr sind, sondern Kunden die ihre Rechte einfordern. Allein die Anmerkung, dass man einen Haufen Kohle dafür bezahlt führt oft genug bereits zu einer spontanen Verbesserung der Lehre.
Aber vielleicht hilft es ja eher ein paar Marktschreiern hinterher zu laufen, als kurz darüber nachzudenken wofür (und vor allem mit wem) man hier mitblökt.
@Spagetten_Johnny
G8-Reform: Die Verkürzung der Schullaufbahn bei Gymnasien auf 8 Jahre hätte weit weniger Akzeptanzprobleme, wenn auch die Curricula an die verkürzte Schulzeit angepasst worden wären bzw. die Gymnasien konsequent auf Ganztagsbildung umgestellt worden wären. Beides ist nicht passiert, das Desaster war da. So sind die Anhänger der G8-Reform zumeist diejenigen, die von ihr gar nicht betroffen sind.
Studiengebühren: Offensichtlich kann es sich eine wachsende Zahl von Menschen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen leisten, ?Kunde? einer Hochschule zu werden. So etwas nennt sich soziale Auslese und steht einem allgemeinen Recht auf Bildung, das eben kein ?Kundenrecht? ist, entgegen. Auch wenn man nichts für Sozialklimbim o.ä. übrig hat: Soziale Auslese beim Zugang zu Bildung kann sich auf Dauer keine demokratische Gesellschaft leisten.
Und die Sache mit dem Flashmob: Offensichtlich ist es dem Mob egal, ob er sich per Handzettel oder Handynachricht zusammenfindet. Und ob man 10 Minuten ?Blöken für die Bildung? gut findet oder nicht, ist letztlich eine Frage des Humors. An der Berechtigung der Interessen derjenigen, die da blöken, ändert das nichts.