Themar am Wochenende: Über 5000 Nazis feierten weitgehend ungestört von Protesten und der Polizei bei einem Rechtsrockkonzert und sammelten Geld für die Szene ein. Wie üblich kursierten nach der Veranstaltung zahlreiche Fotos von Nazis im Netz. Viele von ihnen sahen mit ihren Gesichtstätowierungen aus wie die bettelnden Junkies vom Bahnhofsvorplatz, ein übliches Bild auf Nazi-Demos. Einer stach heraus: Ein unglaublich fetter Nazi mit dem Spruch „Nationalistolz kann man nicht zerbrechen“ auf dem T-Shirt wurde zum Gespött in den sozialen Medien. Und dass das T-Shirt seinen Bauch nicht bedeckte, sorgte zusätzlich für Erheiterung.
Es dauerte nicht lange, bis die Berufsbetroffenen auf den Plan traten und die zum Teil derben Scherze, ich bezeichnete das braune Schwergewicht noch eher freundlich als den Sieger des Wettbewerbs „Kuchen essen für den Führer“, als Lookismus geißelten. Lookismus? Den Begriff muss man erklären, wer nicht gerade Betroffenheitswissenschaften studiert, wird ihn nicht kennen. Nach Wikipedia ist „Lookism (…) die Annahme, dass das Aussehen ein Indikator für den Wert einer Person ist. Sie bezieht sich auf die gesellschaftliche Konstruktion einer Schönheits- oder Attraktivitätsnorm und die Unterdrückung durch Stereotypen und Verallgemeinerungen über Menschen, die diesen Normen entsprechen und über diejenigen, die ihnen nicht entsprechen.“
Heinrich Schmitz schrieb dazu heute im Tagesspiegel: „Seien wir mal ehrlich. Möchten Sie in einer solchen Form öffentlich gehänselt werden? Darf man das, weil es ja ein Nazi ist? Ich meine nein.“
Ich meine, ja. Und das, weil er nicht der Norm entspricht, die seine Gesinnungsgenossen verbreiten. Hitler sagte 1935 in Nürnberg: „In unseren Augen muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“ Und so sehen sich die Nazis bis heute gerne: als Elite. Aufzuzeigen, dass sie ihren eigenen Ansprüchen, mit denen sie ja um Nachwuchs werben, nicht genügen, ist eine Störung ihrer Propaganda: Dass Nazis gar nicht so selten fette, faule Junkies und Kinderschänder sind, ist ihnen unangenehmer als sie als Rassisten und Nationalsozialisten zu beschimpfen, denn beides finden sie ja gut.
Bei einer harten Truppe mitzumachen, die alle Tabus bricht, ist für Jugendliche attraktiv – sich einem Rudel Versager anzuschließen, die bei der Tafel um Lebensmittel betteln müssen, ist es nicht.
Und deswegen ist es absolut ok, sich über den dicken Nazi lustig zu machen.
Menschen mit "Blut und Boden" Attitüde, deren menschenverachtende Einstellung auch äußerliche Merkmale, wie eine dunkle Hautfarbe oder eine sichtbare körperliche Beeiträchtigung, als zu bekämpfendes Feindbild betrachten, sollten sich nicht über eine, durchaus hämische Belustigung auf Grund ihrer außergewöhnlichen Körperfülle pikieren.
Die Fettleibigkeit dieser Person, der sich als Teil einer Elite betrachtet, darf meines Erachtens durchaus als Stilmittel der Überhöhung, für einen Menschen, der seinen eigenen Vorgaben nicht entspricht, eingesetzt werden.
Sicher, es sind zum Teil Schläge unter die Gürtellinie, für die ich als Zeichen des Abscheus gegenüber eines Menschens, rassistischer Gesinnung, durchaus Verständnis habe.
Ich gehe davon aus, dass jeder empörte Forist, diesen Spott stellvertretend als konterkarierendes Enttarnung eines überlegenheitsgeilen, rechtsnationalen Haufens gepostet hat.
Eine für mich verständliche, vielleicht hilflose Geste des Abscheus. Es geht hier nicht um adipöse Menschen schlechthin, sondern um Widerspruch von Darstellung und Anspruch.
Der Begriff »faul« im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit, sollte natürlich nur auf die Inkonsequenz der Nazis hinweisen. Der Autor selber würde nie auf die Idee kommen, Arbeitslosen pauschal Faulheit zu unterstellen. Ebenso sind natürlich Menschen, die auf Mittel der Tafeln angewiesen sind, keine Versager. Aber weil Nazis, der Meinung sind, es seien welche, muss diese Benennung im Dienste der guten Sache sein.
Der Typ ist ziemlich dick, Mann! 😉 Also ein weisser Negerkuss, sozusagen (Wer sich an die Werbung nicht mehr erinnern kann, der versteht den Witz vermutlich nicht, aber kann sich gerne über die fehlende politische Korrektheit echauffieren).
Ansonsten noch ein Songtext-Zitat von Marius Müller-Westernhagen:
Mit Dicken macht man gerne Späße
Dicke haben Atemnot
Für Dicke gibt's nichts anzuzieh'n
Zeile 1 & 3 scheinen mir in diesem konkreten Fall durchaus wahre Aussagen zu sein.
Jetzt verstehe ich endlich, was mit "Volk ohne Raum" gemeint ist!
Der Mann ist unkenntlich gemacht, er ist nicht als Person diffamiert sondern generisch als "fetter Nazi" – da nicht er selbst als Person, wer auch immer er ist, sondern der fette Nazi an sich, den er ja darstellt, das fett abbekommt (Pun intended), halte ich die Diskussion für unwesentlich.
Wenn man jetzt einen Pranger stellt, öffentlich nach seinem Namen fahndet, um ihn ausfindig zu machen, um danach wasweißich mit ihm anzustellen, wäre das eine andere Sache…
Der Text ist nur peinlich und wird dem Standard der „Ruhrbarone“ absolut nicht gerecht. Sowohl die Diffamierung als „fett“ wie auch die Verleumdung der „Versager“ die bei der Tafel anstehen müssen, ist völlig indiskutabel. Wer hat denn da das Bedürfnis, diesen Mist schön zu reden oder zu rechtfertigen?
Fat-shaming ist selbst menschenverachtend und intolerant. Empathiefähige Menschen mit einem Mindestmaß an Bildung machen so etwas nicht, insbesondere nicht öffentlich. Der Autor und die meisten Kommentatoren gehören wohl leider nicht dazu.
Angesichts der Tatsache was der " dicke Hermann" mit Menschen gemacht hat, die mit Spott auf sein Aussehen reagiert haben kann man froh sein, dass der oben abgebildete Nazi es noch nicht zum Reichsmarschall gebracht hat.Die zersetzende Wirkung von Humor als Waffe gegen die Unmenschlichkeit erfordert in einer Diktatur enormen Mut, in einer Demokratie weniger, dafür aber die reifliche Überlegung, ob solches Mittel nicht zur Verharmlosung führt.
@ Paul #7
Meine Empathie halte ich für die Opfer vor und nicht für die Täter. Egal wie sie jeweils aussehn.
Ohne zuviel zu spekulieren, kann man diesen "Herrenmensch"-Nachfolgeversagern durchaus ernsthaft unterstellen, dass sie sich nächtens und albtraum-genässt wohl gern in der "dicke Herrmann"-Rolle sähen und ihre vermeintlichen Peiniger und Spötter genüsslich um Köpfe kleiner machen würden.
Das Sommerloch 2017 ist gefüllt!!
Ja, im Kampf gegen "rechts" ist jedes Mittel recht, auch wenn es denen der Gegenseite gleicht. Der Zweck heiligt die Mittel; da gibt es auch kein Niveau mehr, das unterschritten werden kann.
Ich verstehe die Position ja durchaus.
Er misst sich nicht an den Standards seines Führers, daher ist es verspottungswürdig.
Dennoch bin ich der Meinung, dass man da seinen eigenen Standard ansetzen soltle und den Typen wegen seiner Ideologie kritisieren sollte, nicht wegen seines Leibesumfangs.
Tut dem Kampf gegen rechts auch nicht gut, jetzt können die Berufsbesorgten (tolles Wort!!) wieder in die Opferrolle kriechen.
Ergänzung:
Nicht zu vergessen das Derailing: Eigentlich soltle das Thema sein, dass sich am vergagenen Wochenende 6000 Nazis frei versammeln, "Sieg Heil" und Ähnliches brülen konnten und dabei von der Polizei beschützt wurden.
Gut, dass das nicht in Hamburg City stattgefunden hat.
Natürlich kann man diese Gestalt gerade wegen ihrer rechten Gesinnung auf ihre Körperfülle ansprechen. Aus meiner Sicht ist es absolut legitim, sie deswegen zu verhöhnen und zu verspotten. Und wie soll ich solche Personen denn sonst am besten beleidigen?
witzig…..ich darf keine witze über dicke machen….muss aber witze über meine größe (168) ertragen….weils ja so witzig ist…..
der typ ist einfach fett…..so wie ich ein zwerg bin. feddich!
Ist er jetzt fett weil er Nazi ist oder Nazi weil er fett ist?
Es ist zwar richtig diesen Leuten ihre eigenen körperlichen Unzulänglichkeiten vorzuhalten man sollte dabei aber auch mal überdenken ob es da nicht auch einen kausalen Zusammenhang gibt. Für ihn war vielleicht nicht die Ideologie der Nazis ausschlaggebend sondern die Möglichkeit sich in einer Gruppe
zu integrieren was ihm wir doch so attraktiven und eloquenten Menschen verweigert haben.
Ich möchte damit seine zur Schau gestellten Ansichten nicht verteidigen aber der Umgang mit Aussenseitern in unserer Gesellschaft ist trotzdem zu hinterfragen..
@#17: Sie glauben also, dass er sofort seine Ernährung umstellen und rapide abnehmen würde, wenn er denn nur in die "richtige" Gruppe mit sportlich-schlanken, "Brigitte"-lesenden Menschen integriert wäre??
Dann erscheint mir doch die Theorie, Nazis werden aus mangelnder Bildung und fehlendem Gesundheitsbewusstsein automatisch fett, viel plausibler;-)
@#18: Nein, ich glaube halt das auch ein Nazi nicht als Nazi geboren wird und ihn äußere Umstände
dazu gemacht haben. Durch den immer mehr aufkommenden Snobismus und Sozialdarwinusmus
werden mehr und mehr Menschen ausgegrenzt die sich dann leicht radikalisieren lassen.
#19 Stimmt! Durch die von Faschos und Spießern ausgegrenzte Freiheit bin ich zum radikal Liberalen geworden 😉
@#17:
Die Sache ist doch ganz einfach. Er ist Nazi und er ist fett. Und weil er ein fetter Nazi ist, kann man sich über ihn lustig machen, siehe: „In unseren Augen muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“. Dabei spielt es keine Rolle, dass es in der Führungselite des 3. Reiches einen fetten Göring oder einen Klumpfuß gab.
Ich hab ja nichts gegen Nazis, solange sie dem vorherrschenden Schönheitsideal entsprechen.
@Ralph: Seh ich anders als Du.
ist doch ganz einfach: es geht nicht drum ob es okay ist den nazi an den idealvorstellungen seiner ideologie zu messen, was natürlich ok ist. sondern darum was der kollateralschaden bei nicht-nazis anrichtet die sich bei solchen beleidigungen mitangesprochen fühlen könnten. sich einfach nur lustig über dicke zu machen ist da halt nunmal nicht präzise genug.
Ihr habt alle einen an der Waffel !
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