Die Duisburger Posse um eine Gedenkskulptur zur Loveparade-Katastrophe hat ein unerwartet schnelles Ende gefunden. Unerwartet deshalb, weil „im Zusammenhang mit der Love-Parade“, wie ein Blogger auf der Westen schreibt, „auch nichts erspart (bleibt). Immer wenn man meint, es ginge nicht noch dicker, kommt es noch dicker.“ Ein – vermutlich nicht nur in Duisburg – inzwischen weit verbreiteter Gedanke, von mir dennoch sicherheitshalber zitiert und nicht geklaut.
Zitiert und nicht geklaut habe er das Motiv für die Gedenkskulptur, ließ der Grevenbroicher Künstler Jürgen Meister gestern sinngemäß wissen, nachdem xtranews aufgedeckt hatte, dass es sich bei seinem Sieger-Entwurf um ein Plagiat handeln könnte. Meister gab freimütig zu, was ohnehin nicht zu leugnen war, nämlich dass es sich bei dem Bild mit den in die Höhe gereckten Händen um ein seit einiger Zeit bei Fotolia erhältliches Motiv handelt.
Gegenüber xtranews bemühte Meister gar Picasso mit dem Zitat: „Ich suche nicht, ich finde“. Dennoch kam die heutige Entscheidung der Jury auch insofern etwas überraschend, weil der Vorsitzende von Pro Duisburg, Hermann Kewitz, sich Dienstagnachmittag noch in Gelassenheit übte, wie der Westen schreibt: „Wir wollten kein Kunstwerk von Jürgen Meister, sondern eines, das die Gefühlslage trifft, eines, das uns geeignet scheint, an die Opfer zu erinnern und zu mahnen.“ All diese Kriterien erfülle der Siegerentwurf nach wie vor, „unabhängig davon, wer die Idee dazu hatte“, erklärte Kewitz gestern.
Allerdings war ebenfalls zu erfahren, dass Duisburgs Alt-Oberbürgermeister Josef Krings zur gleichen Zeit „einfach ratlos und entsetzt (war). Wie kann uns das ein Künstler in einer Zeit solcher Offenheit verschweigen und dann noch glauben, dass so etwas unentdeckt bleibt?“ Dieser Vorgang hatte ihn, so Krings, „peinlich berührt“. Immerhin stand und steht völlig außer Zweifel, dass der Meister die Jury der Spendeninitiative über sein „Zitat“ in Unkenntnis gelassen hat. Zitate sind jedoch auszuweisen.
Dies sieht inzwischen auch Hermann Kewitz so. „Er hatte ja die Gelegenheit, uns darauf hinzuweisen, woher er die Silhouette hat. Das aber hat er nicht getan“, erklärte Kewitz heute. Deshalb sah sich, so das Ergebnis der heutigen Sitzung, die Jury der Initiative Spendentrauermarsch vom Meisterkünstler getäuscht und beendete daher die Zusammenarbeit mit ihm. Im Anschluss, also so gegen 14:00 Uhr, versuchte Alt-OB Krings, Herrn Meister über diesen Schritt telefonisch zu informieren. Vergeblich.
Um 14:14 Uhr teilte xtranews mit, „gerade eben“ eine eMail erhalten zu haben, mit der Meister seinerseits seinen Wettbewerbsbeitrag zurückgezogen hat. Die Innocent-Victim-Show: “Wegen der massiven und unsachlichen Anfeindungen und Unterstellungen sehe ich mich zu diesem Schritt gezwungen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Schuld sind die Anderen, klar, was den Künstler jedoch nicht daran gehindert hätte, an irgendeiner, nicht ganz so wichtigen Stelle einen kleinen Fehler, oder sagen wir: eine kleine Nachlässigkeit einzuräumen, die dann von bösen Neidern ausgeschlachtet worden wäre.
Nichts da. Jürgen Meister hat sich „nichts vorzuwerfen.“ Nun gut; Vorwürfe machen ihm Andere schon genug. Hier zum Beispiel: „Gerade bei einem so sensiblen Thema wie der Loveparade-Tragödie hätte der Künstler seine eigenen Gefühle und Ideen verarbeiten sollen, um ein würdiges Denkmal zu kreieren. Alle anderen Teilnehmer, die vermutlich mit mehr Aufwand, mit viel Liebe und Mühe etwas erschaffen haben, was ihrer eigenen Kreativität entsprungen ist, tun mir aufrichtig leid.“
So schreibt es Petra Röder. Sie hat als User „pdesign“ die Silhouette mit nach oben gereckten Händen bei Fotolia ins Netz gestellt. Sie erklärt, keine Ansprüche gegen Herrn Meister geltend machen zu wollen. Und, was das Loveparade-Denkmal betrifft: „Hier geht es um die Bewältigung von Trauer und deren Verarbeitung und nicht um eine finanzielle Bereicherung.“ Wohl wahr.
Petra Röder hatte übrigens ihr Bild niemals mit einem Gedanken an Trauer verbunden. Doch so kann es gehen: wenn ein Künstler kommt und häufig genug in Hände, die Freude und Jubel symbolisieren, einen „zweiten Blick“ hinein interpretiert, erkennen irgendwann auch Menschen, die die Loveparade für eine bemerkenswerte Kunstform gehalten hatten, in diesen Händen den Hilfeschrei um Rettung. Keine Frage: Jürgen Meister ist ein Künstler.
Lieber Werner, das hast Du wie stets treffend wiedergegeben!
Und morgen werde ich noch einiges mehr an Hintergrundinfos auf xtranews.de dazu schreiben.
Es ist Weihnachten und lasst uns daher an die vielen Angehörigen der toten Opfer der Loveparade gedenken, die dieses Jahr ohne ihre Lieben den heiligen Abend verbringen müssen.
Das ist schwer, sehr schwer! Wenn Eltern um ihre toten Kinder trauern müssen, ist dies so ziemlich das schlimmste aller menschlichen Qualen.
Wer jemals solchen Verlust erleben musste, kann das nachfühlen. An Heiligen Abenden wird auch oftmals viel geweint…Geweint in Erinnerung an die Menschen, welche jetzt nicht mehr da sind….Geweint um ein Stück gemeinsames Leben, welches für immer vergangen ist….Geweint um Unwiederbringliches.
Warum hat man keine Jury aus Experten zusammengestellt?
Der Westdeutsche Künstlerbund oder der Deutsche Künstlerbund hätten diese Aufgabe wahrscheinlich gerne übernommen. Stattdessen hat man die Verantwortung den regionalen „Kunstzwergen“ Krings und Kewitz übertragen, Leuten, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit „hier bin ich“ schreien. Die beiden hätten sich mal von „Kunstkenner“ Fritz Pleitgen beraten lassen sollen. Der hätte sicher gesagt: „Lasst das“.
Ohje, das Thema LP nervt jeden Tag mehr. Aber auch nicht zitiert und nicht geklaut.. 🙁
[…] Loveparade: Posse um Skulptur beendet … ruhrbarone […]
Lieber Herr Jurga,
das wundert mich schon:
diese Posse sei schnell beendet?
Mitnichten, Sie hat noch gar nicht angefangen.
Auf die neuerlichen „Versuche“ bin ich gespannt.
Dieser Lenkungsausschuss Trauer wird dem Anspruch nicht gerecht.
Im Ansatz nicht, in der aktuellen Aktion nicht und in der weiteren „Arbeit“
auch nicht. Auch hier wieder, in der gesteuerten Bewältigung des Themas, völliges Desaster. Kann gar nicht mehr hinterherkommen, wem man zuerst „eine runterhauen“ sollte.
[…] (Loveparade 2010): Posse um Gedenkskulptur schnell beendet (Ruhrbarone) – Siehe auch: […]