Damit sich eine Katastrophe wie bei der Loveparade nicht mehr wiederholen kann, haben das Land und die Städte die Regeln für Veranstalter verschärft.
Die Enttäuschung in Essen war groß, als im Februar das Pfingst-Open-Air in Werden abgesagt wurde. Detlef Feige, gleichzeitig Sprecher der Stadt und Mitglied in dem Rock-Verein, der das Festival mitorganisiert: „Die Sicherheitsanforderungen sind nach der Loveparade gestiegen und wir hatten nicht mehr die Zeit, das Pfingst-Open Air so umzustellen, dass es den neuen Kriterien genügte.“ Zu viel Arbeit in zu kurzer Zeit für die vor allem freiwilligen Helfer – und zu hohe Kosten, um sie noch in die Kalkulation einzubauen.
Kein Einzelfall in NRW: Seitdem bei der Loveparade im Juli vergangenen Jahres 21 Menschen ums Leben kamen, wurden die Sicherheitsanforderungen für Veranstaltungen stark erhöht. Eine solche Katastrophe, verschuldet durch Inkompetenz, kriminelle Energie und Schlampigkeit sollte sich nicht noch einmal wiederholen.
Der Aufwand für die Veranstalter seitdem ist immens gestiegen. So musste die Ruhr-Universität Bochum um das Sommerfest 2011 veranstalten zu können ein komplett neues Sicherheitskonzept vorlegen. Balustraden wurden erhöht, zusätzliche Gitter aufgestellt und eine Notstrombeleuchtung auf dem Campus installiert, damit im Falle eine Falles die Besucher auch in der Nacht das Gelände sicher verlassen können. Absperrungen sicherten zusätzlich die Bühnen – obwohl es auf dem Uni-Fest noch nie zu Drängeleien bei Band-Auftritten gekommen war. Die zusätzlichen Kosten schätzt die Hochschule auf 50.000 Euro.
Nicht alle haben für den höheren Aufwand Verständnis. Stefan Reichmann ist Geschäftführer der Raum3 Konzertveranstaltungs GmbH in Rees-Haldern. Einmal im Jahr findet dort Haldern-Pop statt . Ein kleines Festival mit 6.000 Besuchern auf dem Bands wie das Brandt Brauer Frick Ensemble oder Wir sind Helden spielen. Er sieht Haldern-Pop als Gegenentwurf zu Massenveranstaltungen wie die Loveparade eine war: „Wir hätten immer wachsen können, wollten das aber nie, um den Charakter des Festivals nicht zu gefährden.“ Die Veranstalter haben immer eng mit den Behörden zusammengearbeitet, nie gab es Probleme.
Das Ärgerliche ist für Reichmann, dass über den Sinn oder Unsinn, der Loveparade nie gesprochen wurde: „Die einige Qualität der Loveparade war doch die Quantität.“ Wenn jetzt Festivals wie Haldern-Pop ihre Sicherheitsvorkehrungen erhöhen müssen, wenn vielleicht bald die Preise steigen, weil die Sicherheit immer teurer wird, ist das für ihn eine unsinnige Konsequenz: „Hier werden doch Äpfel mit Birnen verglichen. Wir sind eine ganz andere Kategorie von Veranstaltung als es die Loveparade war.“
Auch Peter König ist von dem Sinn der gestiegenen Sicherheitsanforderungen nicht überzeugt. Der Besitzer der Traditionsbrauerei Füchschen war in diesem Jahr mit seinem Zelt nicht auf der Düsseldorfer-Rheinkirmes: „Ich habe über neun Wochen überlegt und mich dann entschlossen: Wir machen das nicht.“ Zu hoch waren die Auflagen, zu teuer der Mehraufwand. König verzichtete auf die Kirmes, zur Enttäuschung seiner Gäste, die sich auf das vielfältige Programm im Füchschenzelt gefreut hatten. „Ich höre jetzt immer öfter von Kollegen das wenn es mit den Auflagen so weiter geht, es immer unattraktiver wird an Großveranstaltungen in Deutschland teilzunehmen.“
Beim Land wird man jetzt erst einmal die Erfahrungen des ersten Sommers mit den strengen Regeln abwarten. In den kommenden Wochen werden die Bezirksregierungen dem Innenministerium sagen, wie so es gelaufen ist mit den Großveranstaltungen 2011. Und ob es so weiter gehen kann im kommenden Jahr.
Für das Pfingstfestival in Essen-Werden ist die Entscheidung schon gefallen: 2012 soll es wieder an der Ruhr stattfinden. Sicherer, aber weiterhin umsonst und draußen.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag.
Über Sinn und Unsinn dieser neuen Sicherheitskonzepte lässt sich kräftig streiten. So wurde das angeblich tolle, neue Sicherheitskonzept hier in Waltrop u.a. thematisiert um gestiegene Kosten für das Waltroper Parkfest in der Lokalzeitung zu begründen. Gleichzeitig wurden jetzt nach dem Fest aber Stimmen von Besuchern bekannt, die sich unmittelbar nach dem Schluss-Feuerwerk des Parkfestes darüber beschwerten, dass sie von etlichen fahrenden Autos im Stadtpark auf dem Heimweg gefährdet wurden. Dies wurde inzwischen von der Polizei so wohl auch bestätigt. Offenbar durften Aussteller des Waltroper Parkfestes ab 22 Uhr, wo der Stadtpark noch voller nach Hause gehender Leute war, schon mit ihren Autos in den Park fahren um ihre Stände im Park abzubauen. Da fragt man sich schon nach Sinn oder Unsinn dieser tollen, neuen und vorallem auch teuren Sicherheitskonzepte….
Es verwundert ja nicht, dass die Sicherheitsaktivisten in Innenministerien und ähnlichen Stellen jeden Anlass gerne aufgreifen, um strengere Regeln zu fordern und durchzusetzen (z.B. RAF-Terror, 9-11). Solche Gesetzesverschärfungen werden selbstredend dann auch nicht mehr zurückgenommen, so dass sich der Freiraum des normalen Bürgers immer weiter verengt.
Doppelt bitter ist das, wenn Gelegenheiten zum Anlass genommen werden, bei denen man – ich formuliere das bewusst zurückhaltend – den Eindruck haben muss, dass die Anwendung der bereits bestehenden Regelungen und Verordnungen völlig ausgereicht hätte, um ein Unglück zu verhindern.
So ist es immer, Henk! Sobald etwas passiert folgt der pol. Aktionismus! Dieser verändert zwar kaum etwas, stattdessen aber werden Gesetzeschaos und damit auch steuerfinanzierte Bürokratie aufgebläht. Man sollte akzeptieren, dass es niemals absolute Sicherheit geben wird.
[…] Strenge Regeln – nach der Loveparade – belasten Veranstalter (Ruhrbarone) – […]