Landtagswahl – Nach aktuellen Hochrechnungen und Auszählungen ist die sog. „AfD“ im neuen Magdeburger Landtag die zweitstärkste Kraft. Nach Auszählung von 1494 von insg. 2494 Wahlbezirken liegt sie bei 24,8 % der Zweitstimmen, Hochrechnungen sehen sie bei knapp 24 %.
Liegt es an der Wahlbeteiligung? Nun, ein geflügeltes Wort in der deutschen Politik ist ja „Wer nicht wählt, wählt rechts“. In Sachsen-Anhalt trifft dies jedoch zumindest diesmal nicht zu.
In nachfolgender Grafik wird der Wahlbeteiligung (X-Achse, von links nach rechts) das AfD-Ergebnis (Y-Achse, unten nach oben) gegenüber gestellt. Die einzelnen Punkte sind dabei die bereits (So., 19:59 Uhr) ganz oder teilweise ausgezählten Wahlkreise. Die Linie ist eine lineare Trendlinie. Sie macht klar: einen klaren Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Abschneiden der rechtsradikalen AfD ist nicht zu verzeichnen.
Wer nicht wählt, wählt also nicht rechts. Wer nicht wählt, wählt einfach nicht. Zumindest mit Blick auf die aktuellen Zahlen zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.
Ich bin kein Experte in Statistik, aber nach meinem Gefühl wird hier mit ganz viel Halbwissen um sich geworfen. Ein linearer Zusammenhang zweier Größen würde doch eher maximale Korrelation bedeuten? Entscheidend dürfte hier eher konstante (!) Trendlinie sein, wobei die ganze Aussage bei einer Varianz von geschätzt 0,2 auch eher gering sein dürfte. Kann mich aber auch täuschen 🙂
Naja. Ich habe über eine statistische Arbeit promoviert – also, äh, Halbwissen ist anders 😉
Linear bedeutet erst einmal nur, dass man eben versucht den Zusammenhang zweier Variablen x und y auf die Geradegleichung y = mx + n zu überführen – im Gegensatz zu logarithmischer Überführung beispielsweise. Eine maximale Korrelation wäre dann bei m = 1 oder -1 gegeben. Was du mit "Konstanz" meinst, ist mir nicht ganz klar. Solltest du ein m = 0 meinen, sprich, eine Linie, die dann parallel zur X-Achse wäre, dann spricht eben jene für gar keinen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen. (Oder sie sind eben anders als linear verbunden, oder wir haben einen von 101 statistischen Effekte 😉 ).
Nachtrag: die Varianz der Wahlbeteiligung beträgt im Übrigen 34,67% und beim AfD-Ergebnis 17,17.
@Leonardo
Ich sehe das mit dem Halbwissen ähnlich wie Du. Was weder in der Statistik Berücksichtigung, noch im dazugehörigen Artikel Erwähnung findet, ist der enorme Anstieg der Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt um über 10% im Vergleich zur Landtagswahl 2011. Gingen vor 5 Jahren noch 51,2% der Wahlberechtigten zur Urne, waren es heute 61,8%.
Insofern ist das Fazit: "einen klaren Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Abschneiden der rechtsradikalen AfD ist nicht zu verzeichnen" was für den hohlen Zahn. Festzustellen ist vielmehr, dass es der AfD gelungen ist, extrem viele Nichtwähler zu mobilisieren.
Zahlen über das Wahlverhalten der sogenannten Nichtwähler stellt Infratest dimap derzeit auf tagesschau.de zur Verfügung. Danach sind 190.000 Wähler, die 2011 noch zuhause geblieben sind, 2016 zur Wahl gegangen. Von diesen 190.000 ehemaligen Nichtwählern haben lediglich 42.000 die CDU, 11.000 die FDP und 33.000 die sogenannten Anderen gewählt. 104.000 ehemaligen Nichtwähler wählten heute AfD, knapp 55%. Würden Sebastian Bartoscheks Rechnung aufgehen, läge der Anteil der Nichtwähler so ziemlich bei bei den 24,3% derjenigen, die heute in Sachsen-Anhalt AfD gewählt hätten. es sind aber weit mehr als doppelt soviel Nichtwähler.
hier gehts zu den Zahlen:
https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2016-03-13-LT-DE-ST/analyse-wanderung.shtml#16_Wanderung_AFD
Letztlich ist auch allein die offizielle Wahlbeteiligung in S-A schon ein deutlicher Beleg für die Unabhängigkeit des AfD-Ergebnisses von obiger Behauptung, wenn sie (lt. SPON/infratest dimap) von 51,2 Prozent in 2011 auf 63 Prozent gestiegen ist. Auch die ersten Wählerwanderungs-Zahlen sprechen von deutlichem Zuwachs an ehem. Nichtwählerstimmen für die AfD – jedenfalls wesentlich mehr als von den anderen Parteien (https://twitter.com/TomSchmiedel/status/709067373815406592/photo/1).
Das könnte man dann aber – unabhängig von konkreten Berechnungen – auch als Indiz dafür werten, dass ein nicht unbedeutender Teil Nichtwähler wenn überhaupt, dann braun wählt. Allerdings sollte man dafür erst die Wanderzahlen für die anderen Parteien kennen.
Upps, da haben sich wohl zwei Leute mit den gleichen Fragen beschäftigt;-)
Sebastian. Dein Bild ist unvollständig.
In SA ist die Wahlbeteiligung um 10 vH angestiegen. Die meisten haben die AfD gewählt. 17 vH Stimmen von der Linkspartei in der Wanderung zur AfD. 24 vH Gesamtstimmen.
Sachsen-Anhalt ist ab jetzt ein Fall für Bomber Harris. (:
Leute, ihr besprecht eine andere Facette als ich.
Ich vergleiche bundeslandesweit die heutigen Wahlbeteiligungen mit den AfD-Ergebnissen.
Dabei ist es so, wie ich es oben beschreibe.
Was ihr betrachtet, ist die Frage der Veränderung der Wahlbeteiligung im Vgl zur letzten Wahl.
Meine Rechnung geht natürlich auf, den Zahlen sind Fakten. Allerdings scheint es den Effekt zu geben, dass das Mehr an Wähler im Vgl zur letzten LTW v.a. der AfD genutzt hat.
Zwei Paar Schuhe.
@Sebastian: Auch wenn eine geringe Wahlbeteiligung *allein* nachweislich nicht für ein Erstarken brauner Parteien verantwortlich ist, bleibt *heute* die Frage übrig, warum Ex-Nichtwähler bei grober Draufsicht eher für das Gegenteil dieser Behauptung sorgen konnten. Oder anders: Ist die Mobilisierung von Nichtwählern wirklich nur mit dumpfem, braunen Populismus und Bauernfängerei möglich?
@Klaus: ich glaube nicht. aber ich glaube schon, dass wir mehr emotionalisierung der aussagen der demokratischen parteien brauchen – und mehr gelebten stolz auf die fdgo.
@Sebastian: "mehr gelebten stolz auf die fdgo" – d'accord, aber sowas von.
@ Klaus Lohmann,@ Sebastian Bartoschek "Gelebter Stolz auf die FDGO", hübsch formuliert, übersieht aber, dass dieser Begriff so richtig erst während der hohen Zeit der Berufsverbote entstanden ist und ein gewisses Geschmäckle hat. In der Sache selbst kann ich euch beiden nur zustimmen.
Es muss natürlich heißen "Begriff FDGO"
Es ist schon erschreckend, wie viele Menschen, aus welchen Gründen auch immer, kein Problem damit haben, eine Partei zu unterstützen, die rassistisch argumentiert und die auf vielen Ebenen gemeinsam mit knallharten Neonazis kooperiert. In den Talkshows distanzieret sich Frau Petry larmoyant lächelnd von der NPD, während ihre Parteimitglieder gleichzeitig mit NPD-Mitgliedern und Identitären gemeinsame Demonstrationen und andere Veranstaltungen organisieren und durchführen – ein Beispiel solcher Kooperation ist der vor einigen Monaten gegründete Freundeskreis Thüringen-Niedersachsen. Eine Mitverantwortung muss ich auch einigen Medien zuschustern, auch wenn die derzeit ohnehin unter heftigem Beschuss stehen, denn dadurch, dass die Petrys, Storchs und Höckes Woche für Woche bei den Illners, Maischbergers, Plasbergs, Jauchs und Wills auf der Couchs notorische den Januskopf der AFD leugnen durften, gelang es ihnen, ihre rassistischen Botschaften als legitime Diskurspositionen zu verkaufen. Das Resultat ist nun ein völlig vergiftetes Klima, und natürlich, Sebastian, gilt es die FDGO zu verteidigen, aber ich fürchte dafür muss zunächst mal der Schaden behoben werden, der in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angerichtet wurde – deren Affinität zum Rassismus, sobald der im Gewand von schick gekleideten Professor_innen aufritt, muss endlich schonungslos debattiert werden. Deren Mitverantwortung für brennende Unterkünfte von Geflüchteten darf nicht länger bagatellisiert werden. Sollte es der AFD gelingen, in den nächsten Jahren weitere Zuwächse zu erzielen, wird das Klima in der Gesellschaft gerade für Minderheiten noch unerträglicher. Warum wohl will die AFD in Thüringen beispielsweise Homosexuelle zählen lassen? Wohl kaum um denen Blumen vorbeizubringen. Dass solche Perfidie gerade mal als Randnotiz müdes Schulterzucken hervorruft, kann ich mir nur dadurch erklären, dass zunehmend geschichtsvergessene Generationen in ein Alter kommen, in dem sie von politischer Partizipation zu profitieren beginnen. Diesbezüglich muss dringend die Bildungsarbeit verbessert werden.