Fotos: Rheinhard Paß / SPD Vogelheim // Jutta Eckenbach / LWL
Ich schreibe mal wieder über Essen. Eine schwierige Stadt. Diesmal dräut ein Skandal, in den die lokalen Spitzen von SPD und CDU verwickelt sind. Es geht um eine Lustreise des Aufsichtsrates der städtischen Entsorgungstochter EBE. Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte meine Infos, nach denen derzeit geprüft wird, ob Ermittlungen wegen des Verdachtes auf Untreue und Betrug eingeleitet werden sollen. Betroffen sind zum Beispiel der Spitzenkandidat der SPD für die kommende Oberbürgermeisterwahl Reinhard Paß und die Essener CDU-Bundestagskandidatin, Jutta Eckenbach. Diese sollen mit anderen Lustreisenden und diversen Lebenspartnern im Jahr 2005 an einer Reise des EBE-Aufsichtsrates nach Polen teilgenommen haben.
Auslöser des Verfahrens ist meinen Infos zufolge ein Schreiben eines EBE-Rechtsanwaltes an die Kölner Staatsanwaltschaft. In dem Papier bittet der Jurist um eine Prüfung der Reise auf mögliche Straftaten. Obwohl einige mitreisende Partner den Trip aus der eigenen Tasche bezahlt hätten, könne zum Beispiel ein Verstoß gegen Steuergesetze vorliegen.
Der EBE-Anwalt soll nach Angaben aus der Essener Lokalpolitik die Kölner Staatsanwälte angesprochen haben, da befürchtet wurde, die Reise könne in Essen publik werden. Zudem wäre die Kölner Staatsanwaltschaft am besten geeignet, den Fall zu beurteilen.
Seit Sommer 2005 laufen dort Ermittlungen in der Affäre um so genannte Lustreisen in der Energiebranche. Dabei wurden rund 150 Verfahren gegen mehr als 1000 Beschuldigte eröffnet. Sie sollen als Aufsichtsräte kommunaler Energie-Unternehmen an Reisen teilgenommen haben, die mehr touristischen als informativen Charakter hatten. Die meisten Fälle wurden gegen Zahlung von Geldauflagen und Schadenersatz eingestellt. Mitte Januar soll in Gummersbach ein erster Prozess in der Affäre beginnen.
In Essen geht es nun erstmals um einen Fall, an dem kein Energieversorger beteiligt ist. Die EBE gehört zu 51 Prozent der Stadt Essen und zu 49 Prozent dem Entsorger Remondis, der seine Anteile im Frühjahr 2005 von RWE Umwelt übernommen hatte.
An der angeblichen Lustreise nahmen auf Einladung von Remondis vom 18. bis zum 20. August 2005 mehrere Lokalpolitiker samt Frauen und Gästen teil. Insgesamt handelte es sich um gut zwei duzend Personen. Die Fahrt ging von Köln per Flugzeug nach Krakau und Warschau.
Es gab zwei offizielle Tagesordnungspunkte der Reise: Am Freitag, dem 19. August war in Warschau gegen 17:00 Uhr eine Aufsichtsratsitzung bis etwa 17:30 terminiert. Zudem sollte in der polnischen Metropole ein Werk des Entsorgers besichtigt werden. Einen Tag vorher waren die Aufsichtsräte in Krakau und schauten sich die frühere Königsstadt an. Am Samstag, den 20. August gab es dann noch ausreichend Gelegenheit zur Besichtigung von Warschau.
Nach Angaben aus dem Aufsichtsgremium hatte die EBE-Spitze zunächst eine Reise nach San Sebastian in Spanien geplant. Doch diese Fahrt sei wegen des Gesellschafterwechsels von RWE Umwelt zu Remondis abgeblasen worden.
Als Ersatz boten die neuen Miteigentümer eine Fahrt nach Bremerhaven an. Dort hätte man ein Abfallwerk der westfälischen Entsorger besichtigen können. Dies erschien den Aufsichtsräten offenbar zu unspektakulär. So entschied man sich für eine Reise nach Polen, um hier ein anderes Remondis-Werk – und ein paar Sehenswürdigkeiten zu sehen.
Nach Auskunft aus EBE-Kreisen, gibt es nun zunächst ein steuerliches Problem. So hätten die Aufsichtsräte eine Fahrt mit überwiegend privatem Charakter als geldwerten Vorteil selbst versteuern müssen. Doch dies sei offenbar nicht geschehen. Ob die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren eröffnet, ist noch nicht absehbar.
Die betroffenen Personen konnten ich wegen der Weihnachtsfeiertage nicht für eine Stellungnahme erreichen. Ich hab sie angeschrieben. Sollte eine Reaktion kommen, baue ich sie umgehend ein.