Mit den Stimmen der AfD brachte die CDU gestern einen Antrag zum Thema Zuwanderung durch den Bundestag. Es wird noch viel darüber zu sprechen und zu schreiben sein.
Was mich gerade beschäftigt: Wie viele Freunde und Bekannte mich diese Woche kontaktiert haben, weil sie Angst haben. Teils eine aufgebrachte, teils aber auch eine sehr kühle abwägende Angst, die keiner von uns bisher so kannte. Unsere Angst aber nimmt die Politik nicht Ernst.
Es sind Menschen, die entweder als Kinder von Ausländern geboren wurden oder mit einem Ausländer zusammen sind. Und auch aus meinem weiteren Umfeld höre ich ähnliche Berichte. Sie machen sich Sorgen, sie haben Angst, sie arbeiten an einem Plan B.
Es geht um Schweden, Amerikaner, Israelis, Perser – und mit Blick auf mich um einen Polen.
Diese Woche zeigt uns zweierlei:
Wenn es hart auf hart kommt, ist der CDU egal, woher sie ihre Mehrheiten bekommt. Man kann noch so oft im Nachgang betonen, dass man bedauert, seine Mehrheit mit den Stimmen mindestens Antidemokraten erlangt zu haben – es wirkt nur lächerlich, wenn man zuvor tagelang betont hat, dass man genau das in Kauf nimmt. Es gibt keine Brandmauer mehr. Neu ist, dass sie nicht nur in Landtagen oder Kommunen gefallen ist, sondern jetzt vor den Augen aller im Bundestag nicht mehr besteht.
Das andere: Es braucht nicht die AfD, um Inhalte zu vertreten, für die es bisher die AfD brauchte.
Kaum jemand hat sich genau durchgelesen, was die CDU da beantragt. Doch da steht, dass Personen mit deutschem Pass diesen verlieren können, wenn sie eine hinreichende Straftat begangen haben.
Man vergegenwärtige sich das: Hier wird über Menschen gesprochen, die unter jedem rechtlichen Aspekt zum Zeitpunkt der Straftat Deutsche sind. Dieses Deutschsein wird ihnen aber letztlich immer nur auf Probe verliehen. Das ist es, was die CDU sagt.
Entscheidend ist nicht, welchen Pass oder Personalausweis du in deinem Portemonnaie hast. Entscheidend ist, welches Blut in deinen Adern fließt. Und das bleibt für immer so. Glaub nicht, dass sich daran etwas ändert, nur weil du jahrzehntelang hier lebst – mit deutschem Pass.
Mir schrieb gestern jemand in einem sozialen Netzwerk, dass er nicht verstehe, wo mein Problem sei. Es gehe doch nicht um mich oder meine Mutter, die in den 1970ern aus Polen nach Deutschland kam. Solange wir arbeiteten, Steuern zahlten und keine Straftaten begingen, würde uns doch nichts passieren.
Man könnte das für reinen Zynismus halten. Aber mir wurde klar, dass die Person es wirklich ernst meinte: Wer sich gut benimmt, hat doch nichts zu befürchten.
Menschen wie ich, meine Mutter oder meine Freunde und Bekannten wollen aber nicht unter ständiger Beobachtung stehen. Wir wollen nicht immerzu Männchen machen und darauf hoffen müssen, dass diejenigen, deren Vorfahren mehr Menschen in KZs ermordeten als unsere, beschließen, dass man uns nicht aus dem Land werfen muss.
Wir sind Deutsche. Wer einen deutschen Pass hat, ist deutsch. So sollte es sein – aber so ist es für uns nicht mehr.
Die kläglichen Reste einer einst liberalen Fraktion haben dem dann auch noch zugestimmt.
Ich habe gestern Abend – und schon die Tage davor – von vielen gehört, die nun überlegen, was ihr Plan B wäre. Da ist die Rede von Häusern in Schweden, von Familie in Portugal, von der Frage, wo man mit seinen beruflichen Qualifikationen am besten Fuß fassen könnte. Manche haben bereits recht konkrete Pläne, vielleicht zum nächsten Schuljahreswechsel – denn viele von uns haben Kinder in Schulen – nach Israel zu gehen. Zwar stehen Juden derzeit nicht auf der Agenda, aber man weiß, dass es letztlich immer auch Juden trifft. So ironisch das klingt, so treffend beschreibt es die deutsche Wirklichkeit.
Wer reines deutsches Blut in den Adern hat, mag das vielleicht nicht nachvollziehen können. Aber unzählige Menschen zwischen 30 und 60 Jahren fangen jetzt an, sich zu fragen, was sie im Fall der Fälle tun würden.
Niemand von uns hält es für hochwahrscheinlich – aber unsere gesamte Existenz darauf zu verwetten, dass ein Friedrich Merz nun doch für die Demokratie standhält? Das will niemand von uns.
Hallo Herr Bartoschek,
ich war in den letzten Jahren selten der gleichen Meinung wie Sie, umso mehr freue ich mich über Ihre klare Haltung in dieser Sache.
Auch ich habe Angst, meine Eltern, die noch in det Nazizeit geboren wurden, haben Angst, dass sie auch unter einer Nazi-Regierung sterben werden. Sie haben gestern ihre Kinder und Enkelkinder über Social-Media sofort aufgerufen:
„Auf die „Barrikaden!!!“
zu gehen. Und sie werden mit über 80 Jahren selber mit auf die Strasse gehen.
Wir müssen uns alle fragen in welcher Welt wir leben wollen.
Die AfD hat gestern angekündigt, dass sie die Welt in der wir leben, so wie sie ist, mit ihrer Toleranz und Mitmenschlichkeit abschaffen will. Und wörtlich sagte der Redner nach der Abstimmung:
„Für immer!“
Wenn wir Demokraten jetzt nicht zusammenstehen, wird es irgendwann zu spät sein.
Jeder muss sich fragen, wo stehe ich?
Und fragt Eure Freunde und Bekannte:
#WoStehstDu
Ihnen weiterhin viel Mut und Kraft!
Wir können sie stoppen, wir werden sie stoppen!