Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) begrüßt in ihrer Rede bei einer Demonstrationen gegen Rechts im südpfälzischen Kandel nicht nur namentlich alle wichtigen Leute und Ehrengäste, sondern auch pauschal alle anderen Besucher der Demo. Für die AfD-Bundestagsfraktion ist damit der Fall klar: Sie stellt Strafanzeige gegen Malu Dreyer.
Seit im Dezember 2017 ein 15-jähriges Mädchen in Kandel von ihrem Ex-Freund, einem Flüchtling, ermordet wurde, ist der kleine Ort in der Südpfalz zu einem Wallfahrtsort geworden. Für Rechte, Einwanderungsgegner und allerlei für das Dorf unerfreuliche Personen, die den Tod der 15-Jährigen politisch instrumentalisieren. Der Bürgermeister des Örtchens, Volker Poß (SPD), der allenthalben zu Mäßigung aufruft, ist zum Ziel von Morddrohungen gegen sich und seine Familie geworden, wie die Zeit berichtete. „Erst Ihre Kinder abschlachten, dann das Weib und Dich als Strafe weiterleben lassen“ und Ähnliches schrieben ihm die vermeintlichen Beschützer der deutschen Frauen.
Empörender Sprechakt: AfD-Bundestagsfraktion ist betroffen
Doch inzwischen will man den Rechten aus der ganzen Bundesrepublik das Dorf nicht widerstandslos überlassen. Am 24.03. fand im Dorf eine große und gut besuchte Demonstration gegen Rechts statt. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer hielt ein Grußwort. Nach Angaben der AfD seien auch 250 der Antifa zuzurechnende Personen bei der Demo zugegen gewesen. Die AfD wirft Malu Dreyer daher vor, mit ihrem Grußwort – das sich nicht nur an namentlich genannte Ehrengäste, sondern auch an „alle Anderen“, also alle bei der Demonstration Anwesenden richtete – folglich auch die Anwesenden Antifa-Leute begrüßt zu haben. Sie habe sich der AfD zufolge „als ranghöchste Vertreterin eines Bundeslandes mit den extremistischen Vereinigungen der „Antifa“ gemein gemacht“. „Frau Dreyer hätte sich klar von der Antifa distanzieren müssen“, fordert die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst.
Welche staatsgefährdende Straftat die AfD-Bundestagsfraktion vermutet, die Malu Dreyer mit ihrer Begrüßung begangen haben könnte, geht aus der Stellungnahme der AfD-Bundestagfraktion zur Strafanzeige nicht hervor. Für eine Anfrage war die Pressestelle der AfD-Fraktion nicht erreichbar.
Und die kleine Rem sollte nicht als reason why dienen? Sorry, aber das Minderheitenquartett wird von beiden Seiten angewandt.
Prof. Wolfgang Streek beschrieb mal den Rechtspopulismus als dreckig, aber als eine verständliche Reaktion auf die Zumutungen des herrschenden Wirtschaftssystems und seiner Krisen.
Mein Lesetip wäre der Berliner Tagesspiegel: "Erwiderung von Sigmar Gabriel. Wo Jens Spahn recht hat – und wo nicht…. Mit seinen Äußerungen zum Kontrollverlust des Staates hat Jens Spahn eine richtige Debatte entfacht. Doch er schweigt zu den Ursachen. Ein Gastkommentar."
https://www.tagesspiegel.de/politik/erwiderung-von-sigmar-gabriel-wo-jens-spahn-recht-hat-und-wo-nicht/21153002.html
*Mein* Lesetipp wäre:
Grundgesetz GG: mit Menschenrechtskonvention, Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Parteiengesetz, Untersuchungsausschussgesetz, Gesetz über den Petitionsausschuss, Vertrag über die Europäische Union (dtv Beck Texte; 48. Auflage (Rechtsstand: 15. August 2017))
Klaus Lohmann,
u.a. muß ich -auch hier bei den Ruhrbaronen- regelmäßig registrieren, daß die allermeisten der Diskutierenden offenkundig noch nie das GG gelesen, geschweige denn, sich mit den wesentlichen Motiven/Zielen/Zwecken der wichtigsten Verfassungsnormen auseinandergesetzt haben. Von den anderen von Dir zitierten Rechtsnormen ganz zu schweigen.
Und dabei geht es, jedenfalls bezogen auf "unsere " Verfassung nicht darum, sich mit formellem Recht zu befassen, sondern zu erfahren, wie das Fundament "unserer" Gesellschaft verfaßt ist -Demokratie, Sozialstaat, Rechtstaat (mit Menschenrechten, Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte und Richtern) und sich darauf bezogen permanent fragen zu müssen, ob, wie und wann der Staat dabei sein könnte, sich verfassungswidrig zu verhalten und noch mehr darum, sich permanent fragen zu müssen, ob dieses gesellschaftliche Fundament -formuliert und verankert in der Verfassung- noch von der "Mehrheitsgesellschaft" als das ihre weiterhin so gewollt und ggfls. von ihr, also von der Gesellschaft, verteidigt wird. Mir bereitet dieserhalb primär und langfristig die gesellschaftspolitische Lage Sorge, weniger die eine oder die andere staatliche Aktivität, auch wenn mir dieses verfassungsrechtlich problematisch erscheint. Denn auf Dauer wird die derzeitige Verfaßtheit "unseres" Staates trotz diverser formaler Absicherungen im GG -sh. bes. Art. 79(3) GG-
nicht durch staatliche Organe-das BVerfG eingeschlossen-nicht garantiert werden könnnen, wenn die Mehrheitsgesellschaft eine fundamental andere Verfassung will.
Es gibt derzeit leider eine Vielzahl von Beispielen, die darauf hin deuten, daß Demokratie/Rechtstaat/Menschenrechte -Freiheit für alle(!!)Menschen, Gleichheit für alle vor dem Gesetz usw.- nur solange bewußt oder unbewußt in der Gesellschaft gutgeheißen wurden wie die Mehrheit in dieser Gesellschaft sich materiell mehr oder weniger wohlfühlte, materiell keine Zukunftsängste -sozialer Abstieg- zu haben schien, substantiell sich in ihrer inneren und äußeren Sicherheit und auch in ihren Emotionen bezogen auf religöse, kulturelle Traditionen , das Heimatgefühl eingeschlossen, durch Gesellschaft und Staat abgesichert" fühlte -wohlbehütet sozusagen-. Da derzeit -tatsächlich und noch mehr gefühlsmäßig- dieserhalb Gewissheiten ins Wanken geraten, zu geraten scheinen, geraten auch die Gewissheiten, die bis dato als selbstverständlich geltenden fundamentalen Grundlagen von Staat und Gesellschaft so wie sie im GG verankert sind, mehr und mehr ins Wanken. Das dieses so ist, erscheint mir eine zwangsläufige Folge zu sein. Nicht naheliegend ist für mich allerdings, daß seitens "éiniger"" Politiker, daß seitens "einiger" Medien, daß seitens "einiger" Wissenschaftler und seitens "einiger" Literaten dieses "Unbehagen in der Gesellschaft" und dieses Hinterfragen grundlegender Prinzipien "unserer" Verfassung tatkräftig befeuert wird -aus welchen Gründen auch immer-.
Ich bin weiterhin guter Hoffnung, daß es in der Politik, in der Wissenschaft, in den Medien genügend Kräfte gibt, die sich gegen fundamentale Verletzungen oder gar gegen fundamentale Veränderungen dessen wehren werden, was seit 1949 die Grundlage für ein weitgehend friedliches, freies und auch weitgehend von wirtschaflicher/sozialer Verelendung (nicht von sozialer Ungerechtigkeit) mögliches Leben aller Menschen in Deutschland war, nämlich die Prinzipien unserer Verfassung.
PS
Mein Plädoyer für die Achtung, für die Wertschätzung und ggfls. für "den Kampf" um die Sicherung der Grundprinzipien unserer Verfassung steht nicht im Widerspruch zu den Notwendigkeiten für den Staat, , sich wesentlich mehr als bisher und wirksamer als bisher dem anzunehmen, was die Menschen zunehmend besorgt – u.a. "materielle Abstiegsängste z.B. der sog. "Mittel-Schicht", Sorgen um die alltägliche Sicherheit vor Gewaltakten -durch "Einheimische"- bis hin zur konkreten Not um eine Wohnung in den Großstädten.
Ein Staat, der sich alldem -mehr als bisher- annehmen würde, bedarf zur Lösung der Probleme nicht einer substantiell anderen Verfassung, sondern hat die Probleme zu lösen im Rahmen der Prinzipien unserer Verfassung, ja letztendlich auch ihrer wegen, wenn sie ihm denn erhaltens- und verteidigungswert gelten.
(Es bedarf nicht einmal neuer (verfassungskonformer) Gesetze, sondern vor allem tatkräftigen, zielgerichteten Tuns von Exekutive und Judikative -auch nach dem Motto Null-Toleranz gegenüber jedem vorsätzlichen Rechtsverstoß- egal durch wen und egal ob "im Kleinen -sh. z.B.die tagtäglichen Verkehrsdelitke- oder im Großen -sh. die Betrugsdeliekte der Managers in der deutschen Autoindustrie. Letzteres wird allerdings staatlicherseits offenkundig "mehr oder weniger geduldet, was Spahn und Gabriel nicht bewegt haben wird, "konsequentes staatliches Vorgehen" einzufordern, wenn geltendes Recht vorsätzlich mißachtet wird. )
Klaus Lohmann,
"Lese-Tipp"? Und dann noch bezogen auf die Verfassung pp.?
Nee, nee; es ist doch einfacher, es ist doch oftmals sogar der Aufmerksamkeit dienlicher, statt "nach"-zu lesen, sich mit seiner durch nichts rational begründeten Auffassung in das Boot voller meinungsstarker, populistischer, von Emotionen -Hass, Wut, Intoleranz- geprägter Insassen zu setzen, ein Boot, das mit vollen Segeln auf dem Meer sog. sozialer Netzwerke auf großer Fahrt ist -zu welchen Unfern auch immer.
Ergänzung:
Auf die Schnelle fehlt ist mir eine bedauerliche Unterlassung passiert, nämlich unter PS im ersten Absatz abschließend hinter "Einheimische" hinzuzufügen " und Zugewanderte"