Europa, Demokratie und der Verlust der Handlungsfähigkeit: Robert Herr schlägt Alarm und fordert ein Umdenken in einer Zeit wachsender Bedrohungen.
Nach Jahrzehnten des Leidens unter Autokraten und Oligarchen stehen Bürger auf, beginnen Demokratie zu fordern und setzen das tatsächlich um. Einem benachbarten autokratischen Riesenreich und dessen Gewaltherrscher, der in einem Reich längst jeden abgemurkst hat, der ihm gefährlich werden könnte, gefällt das nicht, weshalb der eine Invasionsarmee losschickt, um einen Regierungswechsel in der jungen, kleinen Demokratie zu erzwingen. Doch die frischgebackenen Demokraten bekommen Hilfe von umliegenden Demokraten und schaffen es zur Überraschung der ganzen Welt, das expansionslüsterne Riesenreich zurückzuschlagen.
Die junge Demokratie heißt nicht Ukraine, sondern Athen. Das autokratische Riesenreich und sein mordwütiger Gewaltherrscher heißen Persien und Darius, nicht Russland und Putin. Die demokratischen Unterstützer kommen aus Plataiai, nicht aus Polen (et. al.). Die Schlacht war in Marathon, nicht im Donbass.
Und wir wissen noch nicht, ob die Ukraine ihre Schlacht von Marathon gewinnen wird, um den restlichen Ländern der westlichen Welt die Atempause zu verschaffen, die Athen den griechischen Stadtstaaten erkämpfte, bevor Xerxes zehn Jahre später mit dem richtigen Invasionsheer anlandete.
Iranische Shahed-Drohnen und iranische ballistische Raketen fliegen mittlerweile gleichermaßen auf ukrainische wie israelische Zivilisten, weil der Iran nicht nur ballistische Raketen in Masse an Russland liefert, sondern der Iran Russland auch beim Aufbau von eigenen Produktionsstätten für iranische Drohnen geholfen hat. Die iranischen Drohnen werden mittlerweile mit in China gefertigten Teilen in Russland zusammengebaut.
Der amerikanische Münzwurf
Von der Präsidentschaftswahl in den USA in der nächsten Woche hängt einiges ab. Die besten Erhebungen gehen derzeit davon aus, dass es etwa 50/50 steht.
Nächste Woche wird in den USA ein Münzwurf entscheiden, ob am 24. Februar 2022 der Dritte Weltkrieg begann.Die Illusion des Friedens
Dass wir in Europa und ganz konkret hier in Deutschland eine Situation haben, in der wir keine Agency haben, unsere Handlungsfähigkeit nicht gegeben und unser Handlungswille untergraben ist, ist keine Situation die sich natürlich so entwickelt hat oder etwa vom Himmel gefallen ist. Es ist eine Folge feindlicher Handlungen. Es ist die Folge kriegerischer Handlungen des Feindes, die unser Feind erfolgreich umgesetzt hat, als viele dachten, dass wir im Frieden leben.
Es ist eine Folge davon, dass der Feind mit ihm kollaborierende extremistische Parteien in unserer Demokratie finanziert und installiert hat, ganz offen Agenten unterhält, die erheblichen Einfluss auf Teile einer der staatstragenden Parteien unseres Landes ausüben und in Kooperation einem Regierungschef und einer Regierungschefin dieses Landes – einer sein billig gekaufter Agent und Freund, die andere eine narzisstische Opportunistin, die in einem faustischen Handel für ihren Erfolg Deutschlands Zukunft verkauft hat – die Wirtschaft und Energieversorgung (was dasselbe ist) dieses Landes gezielt von sich abhängig gemacht hat.
Niemand in diesem Land hier sollte über die Situation in den USA spotten. Das Playbook, das der Feind in den USA gerade umsetzt, hat er in Deutschland mit Erfolg und viel geräuschloser schon längst ausprobiert.
„Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage“
Wenn es eintritt, werden all die, die intellektuell ihre Mütze nich finden, vielleicht ganz kurz stutzig werden, die kognitive Dissonanz vielleicht so groß werden, dass sie eine Sekunde zweifeln. Und dann werden sie sagen: „Das war undenkbar, keiner von uns hat das vorhersehen können, das konnte doch keiner ahnen.“ Und dann werden sie weitermachen wie bisher. Ich habe es schon erlebt.
Denn die Menschen in den Demokratien sind aufgesplittert, erkennen die kausale Verbindung der einzelnen Kriegsschauplätze nicht, treffen strategische Entscheidungen für verschiedene Konflikte, wo es eigentlich nur einen gibt. Wer in Bezug auf die Ukraine gerafft hat, was Sache ist und am richtigen Strang zieht, legt vielleicht trotzdem Israel Steine in den Weg. Wer begriffen hat, dass Flüchtlinge im Verbund mit der Förderung extremistischer Parteien als Waffe gegen uns verwendet werden, kastriert vielleicht doch unsere Wirtschaft durch dumme Entscheidungen in der Energieinfrastruktur. Wer den Vernichtungskrieg gegen Israel verstanden hat, geht vielleicht doch der Flüchtlingshetze auf den Leim. Und wer eventuell sogar alles davon verstanden hat, ist vielleicht am Ende Pazifist und arbeitet damit doch – ob er will oder nicht – für den Feind, wie Bertolt Brecht in der Koloman Wallisch Kantate so schön sagt: „Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal den Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will: denn er wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“
Ich bin ein Demokrat, der den Frieden liebt, aber nicht um jeden Preis. Manchmal muss man nach Marathon. Ich störe mich nicht daran, wenn meine Demokratie bis an die Zähne bewaffnet ist und bereit ist, jedem Tyrannen eine AGM-114R9X auf den Kopf zu werfen, wenn er Menschen quält und mordet, oder seine Pager zu sprengen, oder seine Waffenfabriken weit im Landesinnern, ob sie nun im Iran oder Russland stehen. Ich bin ein friedliebender Demokrat und bin gerne bereit mit allen einen Nichtangriffspakt einzugehen – aber ein Nichtangriffspakt ist keine Einverständniserklärung zum Suizid. Ich finde Demokratie, Freiheit, Leben, Menschenrechte und Wohlstand wertvoll und bin deshalb davon überzeugt, dass sie verteidigt werden müssen.
Damit fühle ich mich sehr einsam.
Ich sehe mich um, schaue in die Reihen derer, an denen es wäre, alles, was gut und gerecht ist auf dieser Welt gemeinsam zu verteidigen und sehe wenige Leute, von denen ich den Eindruck habe, dass sie das so sehen wie ich. Ich sehe anderes. Ich sehe Tools, Fools and Antisemites.
Ich fühle mich einsam. Während ich diesen Text hier schreibe, erfahre ich, dass Karl Adam und Ernst Piper aus meiner Partei ausgetreten sind. Aus ihren Austrittsschreiben grüßen mich freundlich meine eigenen Gedanken in ihren Worten.
Ich fühle mich einsam.