Glückliches Bochum. Es landete bei Städteranking des Manager-Magazins auf Platz 29, wurde Vorletzter vor Chemnitz. Andere Städte der Region traf es in der Vergangenheit härter.
Recklinghausen etwa sah sich schon des Öfteren am Tabellenende, landete bei älteren Erhebungen mit 90 oder 125 Teilnehmern auf Platz 89 oder 124. Noch schlechter dran im Ruhrgebiet sind Randexistenzen wie die Stadt Marl. Die Stadt im Norden des Reviers kennen ältere Fußballfans noch vom einst beinahe glorreichen TSV Marl-Hüls, Fernsehprofis vom Grimme-Preis und Jüngere vom Da-Wegziehen nach dem Abitur. Die Stadt würde allzu gerne nur einmal in irgendeiner Rangliste auftauchen. Sie sollte aufgeben.
Man muss sich der Resignation hingeben, in Demut, der letzten Zuflucht des Stolzes. Denn Resignation ist ein großes Gefühl, leider völlig unterschätzt. Öffentlich will sich niemand ihr zu bekennen. Warum nicht? Marl hätte beste Aussichten jede Pottgemeinde, die sich derzeit als „Innovation City“ versucht, zu schlagen. Durch ein wirklich innovatives Konzept: Das Aufgeben des urbanen Willens, den Verzicht, das Eingestehen der Niederlage. Marl sollte bei den „shrinking cities“ ein letztes Mal den Versuch unternehmen in einem Ranking weit vorne zu landen durch einen Totalabriss. Sie könnte zur Modellstadt werden für viele andere Gemeinden im Revier, für Bergkamen, Witten oder Gladbeck.
Letzte Woche beim hochkarätigen Festival „TV: Tour de Ruhr“ im Adolf-Grimme-Institut bestand die Chance einen Pakt des endgültigen Untergangs zu schließen. Gut 200 Einwohner sahen Peter Lilienthals Film „Marl – Versuch einer Stadt“ aus dem Jahre 1964, eine großartige Dokumentation über delirierenden Größenwahn, über die normale Stadtplanung der 60-er Jahre halt. Marl kassierte Gewerbesteuern ohne Ende, von den Zechen und den Chemischen Werken Hüls (CWH) und träumte von 160 000 Einwohnern. Derzeit sind es etwa die Hälfte. Meinen beim Festival lässig in den Saal geworfenen Aufruf zur Resignation hockten die Marler in westfälischer Sturheit aus, als sei Verharren schon Aktivität. Sie verpassten ihre Chance.
Lieber verlor man sich in Debattenbeiträgen der dümmsten Art, verwies auf den desolaten Haushalt, den Streit der der Politiker im Rat und steigerte sich in die idiotischste aller Forderungen: Der Jugend müsse mehr geboten werden. Was denn, bitteschön? Trendige Saufräume, hippe Verrichtungsboxen zum fröhlichen Kennenlernen der Sexualität, damit man noch mal ordentlich saufen und ficken kann, bevor man sich nach dem letzten Sommer endgültig zum Studium in einer lebbaren Stadt verabschiedet? Das wäre pure Geldverschwendung, denn zurück kommt keiner. Hans-Christian Ströbele, Sönke Wortmann, Heinrich Breloer, Bernhard Sinkel, selbst Peter Neururer sind vernünftiger Weise für immer abgehauen. Am anderen Ende des Lebens wird auch nach Jürgen Möllemanns freiem Fall auf dem örtlichen Flugplatz niemand die Stadt zum Venedig des Ruhrpotts erheben, Motto: „Marl sehen und sterben“.
Die Bewohner, als Bürger versteht sich dort offensichtlich kaum noch jemand, müssen sich eingestehen, dass sie vom Kapitalismus belogen wurden. Aus den Ackerdörfern wurde nach 1900 eine Stadt, schließlich brauchten Zechen und später die Chemischen Werke Unterkünfte für ihre Arbeiter, dazu den üblichen Kram, Schulen, ein paar Läden, etwas Verwaltung. Das klang nach dem Zweiten Weltkrieg nach einem Versprechen ewigen Fortschritts, war aber eine Lüge. Was soll man anderes erwarten von Konzernen, die heute ihren Namen, morgen ihren Eigentümer und übermorgen ihren Standort wechseln? Wenn sich Kohle und Chemie nicht mehr rechnen, interessiert die Unternehmer herzlich wenig, was mit ihren ehemaligen Schützlingen passiert. Aus Entlassenen werden ganz schnell Verlassene. Noch sitzt man aus.
Im leeren Zentrum verrottet ein übles Einkaufszentrum aus den 70-er Jahren, an dem jede Stadt, die heute einer Shopping Mall in der City entgegengeilt, lernen kann, wie es dort in 30 Jahren aussehen wird. Nebenan steht ein einst als kühn und modern empfundenes Rathaus, marode, und verursacht Energiekosten, dass man der Stadt nur wünschen kann, noch RWE-Aktien zu besitzen.
Marl hat schon verloren. Einwohner, die Philharmonia Hungarica, Arbeitsplätze, das Wunderauto Loremo, Hoffnung. Die BASF hat ihre Zeche Auguste Victoria an die RAG abgetreten, in sechs Jahren wird sie geschlossen. Aus der CWH-Wohnungsgesellschaft wurde Veba-Wohnen, wurde Viterra, wurde Deutsche Annington. Tropfte früher der Wasserhahn, stand Stunden später der Klempnertrupp im Badezimmer, heute erhöht die Vermieterin darob die Nebenkosten. Ab und zu wird ein Altbaukasten mit außen angeschraubten Blechbalkonen aufgerüstet, ansonsten verlässt auch der Mietzins die Stadt auf Nimmerwiedersehen.
Vereinzelt macht sich noch Optimismus breit. Entweder bessert sich die Lage wirklich oder jahrelanger Drogenkonsum entfaltet seine Wirkung. Marl ist die einzige Einpendlerstadt im Kreis Recklinghausen. Klingt gut, heißt aber: Die Leute wollen dort zwar arbeiten. Aber da wohnen – um Gottes Willen. Die Kriminalitätsrate ist zurückgegangen. Klingt auch gut, bedeutet aber: Die kriminelle Klasse hat kapiert, dass sie ihrer qualifizierten Tätigkeit anderswo profitabler nachgehen kann. Mit anderen Worten: In Marl ist nichts mehr zu holen ist.
Wäre Marl eine Stadt am Amazonas, einst gebaut um eine jetzt ausgebeutete Kupfermine, sie wäre längst verwaist, der ständige Kampf gegen den Verfall längst aufgegeben. Westfalentum und Subventionen verhindern ökologische und ökonomische Vernunft an der Lippe.
Dabei erfüllte das Aufgeben der Stadt alle Kriterien der „InnovationCity Ruhr“ – der Ort würde nicht auf halbe, sondern auf null Energie gesetzt. Auf den Brachen könnten sich wie gefordert „grüne Firmen“ ansiedeln. Detroit als Stadtleiche macht gerade vor, wie das geht. Eine verwaiste Stadt wäre vorübergehend eine tolle Location fürs Geocaching und wilde Gotcha-Spieler. Später dann und völlig von allein käme man in Einklang mit der Natur. Nicht so schnell wie die üppige Tropenvegetation, sondern langsam und westfälisch gründlich eroberten sich Bruchwälder geraubtes Terrain zurück. Greenpeace und Al Gore würden Urkunden verteilen. Man sollte sofort die Pumpen abstellen und so die Ewigkeitskosten des Bergbaus drastisch reduzieren. Christoph Zöpel hat schon mal in diese Richtung gedacht, leider nur einmalig. Mit dem Ja zur Resignation wäre es vorbei mit dem elendigen Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt kein großer Wille steht.
Als Zöpel noch NRW-Städtebauminister war, hat er den damals schon maroden Stadtkern besucht, dabei das 17-stöckige Hochhaus „Goliath“ besichtigt. Es stand halb leer. Zöpel schlug vor, einfach ein paar Stockwerke abzutragen. Für die Zuschüsse solle man mal im Ministerium anrufen. Die Stadtspitze war schockstarr baff. Aus- und Übersiedler ließen den Klotz mit seinen 153 Wohnungen eine Weile überleben, bevor er endgültig verkam. 2006 wurde er gesprengt. Das wäre ein guter Auftakt gewesen. Was machten aber die Verantwortlichen? Sie räumten den Schutt beiseite und setzten ein Elektrokaufhaus dahin. In einem anderen Stadtteil riss man jetzt drei Hochhäuser aus den 60-er Jahren ab, die anfangs von Zahnärzten bewohnt wurden und später von Menschen, die selten zum Zahnarzt gehen. Die Fläche wird gerade bebaut. Vielleicht gehört zu viel Mut zur Resignation. Eines macht Hoffnung. Vor dem Film gab es bei Grimmes am Donnerstagabend Biografien der Podiumsteilnehmer. Der städtische Bau-Beigeordnete Wolfgang Seckler führte für die Jahre 1982 bis 1986 den Besuch der Siegener Schule für Technik an, „Abschluss: Sprengmeister Bauwerkssprengungen“.
Der Autor wurde in Marl geboren. Er wuchs dort auch auf.
100% ack! Mein Vorschlag in Anbetracht der Tatsache, dass das Beton-Gebäudeensemble Marler Stern, Rathaus & Co bei Sprengung einen vermutlich ebenso großen Steinhaufen ergeben würde und der Größenwahn von Marl beispielhaft für die Zeit war, sollte man Marl-Zentrum ala Zollverein einfach aufgeben, ein kleines Museum ins Standesamt machen und den Rest des Stadtgebiets auf die alten Dörfern verteilen bzw. den Frentroper Holz zurückgeben, was Marl ihm genommen hat. Das wäre ein neuer Trouristenmagnet 🙂
Ich habe in einer Firma mit 450 Leute gearbeitet (pleite), wo gefühlt 95% nicht aus Marl waren.
In einer Glosse im letzten Heimatdesign-Magazin (Frühsommer) habe ich ebenfalls die Idee des Pumpen-Abstellens verfolgt. Es kann nur besser werden! Es wird eine Zeit kommen (die Story spielt 2100), da die Emscherzone die Gewinnerin sein wird, vielleicht so:
“ (…) Seit den 2050er Jahren spricht man sowieso nicht mehr vom Ruhrgebiet. Als man Anno 2048 endlich das einzig Richtige tat und die Bergwerkspumpen abschaltete, versank Glabotki in den Emscherfluten. Sehr zur Freude der hanseatischen Schnösel aus dem Teutoburger Wald, die seitdem ihre Tauchferien an der Batenbrocker Seenplatte verbringen; als Hamburg in den Dreißigern in der Großen Gletscherschmelze unterging, hatten die Pfeffersäcke ja die Höhenzüge weiter südlich besiedelt. Für die ist das richtig abgefahren, sie lassen viel Geld im Emschertal, das längst M’scha Valley heißt, seit Abu Dhabi hier richtig investierte. Das gefällt den chinesischen Touristen und den schicken Indern, die vor allem die Casinos in Resse und Henrichenburg frequentieren, während sich die älteren Brasilianerinnen in den Grandhotels von Bad Baukau die schmerzenden Sambahüften gegen Titanscharniere austauschen lassen.
Ja, M’scha Valley ist reich geworden im vergangenen Jahrhundert. Es ist die neue Goldküste des ehemaligen Ruhrgebiets; wer keine schnittige Yacht an einer der Marinas von Tetraeder Island in Boy liegen hat, zählt nicht dazu. (…) “
(Der Autor wuchs übrigens in Herne auf.)
Martin, was soll dieses Marl-bashing? Du schreibst über Probleme, die mehr oder weniger alle Städte des Ruhrgebiets haben. Marl hat Einwohner, Arbeitsplätze, die Philharmonia Hungarica und ein Auto namens Loremo verloren. Na und? Auch Bochum hat Einwohner, Arbeitsplätze, das Tanztheater Reinhild Hoffmann und ein Auto namens Kadett verloren. Leer stehende, verrottende Ladenlokale gibt es in allen Städten des Ruhrgebiets, und auch die Verödung des Nachtlebens ist überall festzustellen; die Club-Szene der 80er und frühen 90er ist weitgehend tot. Es macht also wenig Sinn, eine Stadt des Ruhrgebiets als angeblich herausragendes Negativ-Beispiel herauszupicken. Die Probleme müssen ruhrgebietsweit gesehen werden.
Als ehemalige Marlerin fühle ich mich berufen, auch mal was Positives über diese Stadt zu schreiben: Im Einwohnermeldeamt sind die Beamten viel netter als die in Bochum. So.
Weniger Menschen mit mehr Bildung, mehr Arbeitsplätzen und noch mehr Wasser, das ist die Richtung in die das Ruhrgebiet gehen muss und kann, um wieder auf die Überholspur zu kommen. Was es auf keinen Fall braucht ist noch mehr Deko und noch mehr Party.
[…] Durch Abriss zur „InnovationCity Ruhr“ (Ruhrbarone) […]
Man kann hier wohl auch statt Marl durchaus viele weitere Städte des Ruhrgebiets erwähnen. Marl scheint mir hier nur ein sehr passendes Beispiel zu sein. Jedenfalls, wie ich den Text lese.
Ich werde mir das als Elendstourist mal anschauen . Hab schon die DB-Fahrplanauskunft konsultiert. Klar ist Marl vom Kapitalismus beschissen worden, das werden wir schließlich alle.
Das Problem ist, dass man im Kapitalismus nicht mal in Würde sterben kann.
Erstens verhindern das die Sozialdemokraten. Die kümmern sich noch um jede Leiche, die wissen nie wann das Spiel vorbei ist.
Zweitens bieten verlassene Mietskasernen nicht mal den Charme des Verfalls.
Eine schöne Ruine kann ja auch ein ästhetischer Anblick sein, aber ein verlassener Plattenbau sieht auch nach vielen Jahren Sch.. aus.
Liber Perik, die Pumpen der Emschergenossenschaft tauchen immer wieder auf, sie sind die wahren Leuchttürme der Gegend. Irgendwann werden laurinöse Zwerge sie und in den entstehenden Seen baden. Wann Zöpel fluten wollte, kann ich nicht mehr feststellen. Der Geierabend machte es 2005. Jetzt überlege ich, ob Deine Glosse im Heimatdesign mich mit inspiriert hat… mh… @Eva (stellvertretend): Marl-Bashing? Ich??? Ich bin da geboren. Mein Vater auch schon. Das ist für so eine Stadt echtes Pohlbürgertum. Nein, ich liebe diese Stadt. Und nur aus Liebe will ich sie befreien aus der traurigen Gegenwart. Natürlich nicht Bochum. Bochum ist Kernruhrgebiet. Darauf muss sich die Gegend konzentrieren. Aufgeben, was nicht zu retten ist. Stärken, was überben kann. Überlege Dir mal, was es kostet eine völlig überflüssige S-Bahn zu betreiben, was REWE jeden Tag bezahlen muss, um verwaiste Randstädte zu beliefern. Bedenke die unsinnigen Fahrtzeiten. Schau Dir den ÖPNV an: Von Marl-Brassert zur Ruhruniversität 1:23 h (33 km), und dann hat leider die Vorlesung gerade begonnen. Fahrt zur Zeche Zollern in Dortmund, fünf Mal umsteigen, 1:39 h. (34 km). Gerne kann man das Modell auf andere Ansiedlungen übertragen.
Mich hat nur der Kontrast zwischen heiter megalomanem Film, keine 60 jahre alt, und Gegenwart 2010, so bewegt. Naja, und andere Städte haben auch ein bisschen mehr Geschichte. Und Bochum einen schönen Ausgleich für Nokia: Einen Gesundheitscampus, eiun bisschen RIM-Telefonie, und bestimmt macht eine neue Kneipe auf im Bermuda-Dreieck. In Marl schließen sie Pommesbuden.
@ Martin Kaysh @ all
Was (ver)alte(te) und immer noch brandaktuelle Visionen der Ruhrgebietszukunft betrifft, gibts zur Zeit eine wirklich gut gemachte Ausstellung im Untergeschoss des Volkwangmuseums. Titel „Urbanität gestalten“. Auch der Ausstellungskatalog ist gut. Natürlich kommt Marl auch drin vor.
Zu meinem Erstaunen ist eines der größten und wichtigsten aktuellen Zukunftsprojekte in der Ausstellung aber nicht mal erwähnt: Die Renaturierung der Emscher.
@Arnold Voß,
Es gibt mehrere Abwasserkanäle mit diesem Namen. Ich wohne zwischen der Kleinen Emscher und der Neuen Emscher, direkt an der Kleinen Emscher.
Die Kleine Emscher im Emscherdelta, ist dort, wo sie bereits „renaturiert“ ist, immer noch eingezäunt.
Nur von den Brücken aus ist zu erkennen, daß sie jetzt nicht mehr gradlinig verläuft sondern mäandert, z.T. völlig widernatürlich in exakter Sinusform.
Das Flußbett liegt noch genau so tief, wie vorher und ist von parallel angelegten Fahrradwanderweg, nicht sichtbar. Es gibt nicht den Anblick, wie in Dortmund, wo das Flußbett flach verläuft.
Die Arbeiten verlaufen schleppend. Außer dem Lärm und den Bodenfibrationen der schweren Geräte hat noch kein Anwohner etwas von den Verbesserungen mitbekommen. Also sage ich unter Vorbehalt, weil sich das Projekt noch entwickeln könnte: Bisher hat es mich nicht überzeugt. Ich kenne auch niemanden, der das Gegenteil gesagt hätte.
Martin, ich bin nicht in Marl geboren, aber dort aufgewachsen, so dass ich wohl mitreden kann. An der Tatsache, dass ich Marl direkt nach dem Abi den Rücken gekehrt habe (wie fast alle, die ich von dort kenne), zeigt schon, dass ich von dieser Stadt auch nicht so überzeugt bin. Marl ist eigentlich keine Stadt, sondern eine Verwaltungseinheit, bestehend aus westfälischen Dörfern (Alt-Marl, Polsum, Sinsen) und Werkssiedlungen (Brassert, Drewer, Hüls). Einen Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Siedlungen gibt es eigentlich nicht; der Versuch, künstlich ein Stadtzentrum zu schaffen (City), endete desaströs in der Entstehung eines sozialen Brennpunkts.
Dennoch sehe ich Marl nicht im Kontrast zu Dortmund, Bochum oder Essen, sondern ich sehe das gesamte Ruhrgebiet im Kontrast zu Städten wie Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München. Die Frage ist, warum das Ruhrgebiet überproportional unter Einwohner- und Arbeitsplatzschwund leidet und warum der derzeitige angebliche Aufschwung an uns vorbei geht. Wenn Dortmunder, Bochumer oder Essener mit dem Finger auf Marl zeigen, dann kommt mir das so vor, als wenn Leute, die selbst im Glashaus sitzen, mit Steinen schmeißen.
Der Text trifft es leider sehr gut. Aber es ist für Marl ja kein neues Problem, sondern ein schleichender Prozess. Seit Jahrzehnten vegetiert dieses Ensemble aus ehemaligen Bauernschafen vor sich hin, die Ratsfrauen und -herren denken in erster Linie an ihr eigenes Wohl oder gehen die Probleme mit kleinbürgerlicher Naivität an. Dass die Bürger selbst nicht großartig daran etwas ändern wollen, liegt aus meiner Erfahrung wohl daran, dass sie viel zu sehr an diese Situation gewöhnt sind.
Ich bin selbst in Marl geboren, aufgewachsen, leben noch immer hier und arbeite sogar hier. Ich habe mich damit abgefunden, wie sich diese Stadt nach und nach selbst zerstört. Und ich habe es von kleinauf schon getan. Denn wer nach der glorreichen Zeit der 70er hier aufgewachsen ist, der hat diese Depression schon von Beginn an erlebt und eingetrichtert bekommen. Resignation als Lebensstil.
Die Stadt ganz aufzugeben, ob das die Probleme lösen würde? Oder würde sich damit nur alles in andere Städte verlagern?
Nur ein Satz, in den Kommentaren, gibt mir zu denken auf: Aus Liebe eine Stadt töten? Sozusagen als Gerechtigkeit an den Bürgern? Da kommt mir ein nettes Serienzitat in den Sinn: „What would Dexter do?“
[…] Marl gilt gemeinhin als eine Ansammlung von hässlicher Plattenbauten neben einem Chemiewerk. Wir berichteten darüber. Am Wochenende jedoch übertrafen sich die Marler selbst. Anlässlich ihren 75jährigen […]