Martin Luther King und die kognitive Dissonanz

Foto: wikipedia/Marion S. Trikosko
Foto: wikipedia/Marion S. Trikosko

Vor anderthalb Wochen war der 45. Todestag von Martin Luther King. Diverse linke Kreise, vor allem aus der antizionistischen Linken, gedachten seiner. Nur ab und an fiel diesen Leuten auf, dass – huch! – King ein erklärter Gegner jeden Antizionismus‘ war. Das passt natürlich gar nicht ins Konzept der Traditionslinken, die seit langem versucht, das Leid unterdrückter Schwarzer für ihre antiisraelische Sache zu instrumentalisieren („Apartheid“). In solchen Fällen spricht man von kognitiver Dissonanz.  Um nachträglich noch ein bisschen Öl ins Feuer zu gießen, dokumentiere ich an dieser Stelle einen Brief Kings, den ich bei hagalil gefunden habe.

Martin Luther King:
Brief an einen antizionistischen Freund

„… Du erklärst, mein Freund, dass Du kein Judenhasser, sondern bloß „Antizionist“ bist. Und ich sage, lasse die Wahrheit von hohen Berggipfeln erklingen, lasse sie in allen Tälern der grünen Erde Gottes wiederhallen: Wenn Menschen Zionismus kritisieren, meinen sie Juden – dies ist Gottes eigene Wahrheit.

Antisemitismus, der Hass auf das jüdische Volk, war und bleibt ein dunkler Fleck auf der Seele der Menschheit. In dieser Hinsicht sind wir einer Meinung. Und Du sollst wissen: Antizionismus ist dem Wesen nach antisemitisch und wird es immer sein.

Warum? Du weißt, dass Zionismus nichts Geringeres, als der Traum und das Ideal des in sein eigenes Land zurückkehrenden jüdischen Volkes ist. Das jüdische Volk, lehrt uns die Heilige Schrift, lebte einst glücklich in einem blühenden Staat im Heiligen Land. Von dort ist es von Römischen Tyrannen vertrieben worden, von den gleichen Römern, die Unseren Herrn grausam ermordet haben. Vertrieben aus seiner Heimat, sein Land in Schutt und Asche gelegt, gezwungen, durch die ganze Welt zu wandern, litt das jüdische Volk unter der Knute jeden Tyrannen, der gerade über es herrschte.

Das Volk der Schwarzen, mein Freund, weiß, was es bedeutet, die Qualen der Tyrannei von Herrschern, die wir nicht gewählt haben, zu ertragen. Unsere Brüder in Afrika haben um die Anerkennung und Verwirklichung unseren natürlichen Rechts, in Frieden unter unserer eigenen Souveränität in unserem eigenen Lande zu leben, gefleht, um sie gebeten, sie gefordert – nach ihr VERLANGT.

Wie einfach sollte es doch jedem, der dieses unveräußerliche Recht aller Menschen schätzt, fallen, das Recht des jüdischen Volkes, in seinem alten Land Israel zu leben, zu verstehen und zu unterstützen. Alle wohlwollenden Menschen jubeln über die Verwirklichung des Versprechen Gottes, Sein Volk in Freude zurückkehren zu lassen, um sein geplündertes Land wiederaufzubauen. Dies ist Zionismus, nicht mehr und nicht weniger.

Und was ist Antizionismus? Die Verweigerung dem jüdischen Volke eines Grundrechts, das wir mit Recht für die Völker Afrikas verlangen und allen anderen Völkern der Welt zugestehen. Die Diskriminierung von Juden, mein Freund, weil sie Juden sind. Kurz gesagt, es ist Antisemitismus.

Der Antisemit freut sich über jede Gelegenheit, seiner Bosheit freien Lauf zu lassen. In der westlichen Welt ist es mit der Zeit aus der Mode gekommen, sich zum Hass auf Juden offen zu bekennen. Der Antisemit muss deshalb ständig nach neuen Formen und Zuhörerschaften für sein Gift suchen. Wie sehr er diese neuen Maskerade genießt! Er hasst keine Juden, er ist bloß „Antizionist“!

Mein Freund, ich beschuldige Dich nicht des absichtlichen Antisemitismus. Ich weiß, dass Du, genau so wie ich, eine aufrichtige Liebe für Wahrheit und Gerechtigkeit und eine Abscheu gegen Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung empfindest. Aber ich weiß, dass Du – wie manche andere – in Deinem Glauben, zugleich „Antizionist“ sein und den Grundsätzen, die Du und ich teilen, treu bleiben zu können, fehlgeleitet bist. Lass meine Worte in den Tiefen Deiner Seele wiederhallen: Wenn die Menschen Zionismus kritisieren, meinen sie Juden – Du sollst hier keinen Fehler machen.“

(Quelle: www.projectonesoul.com/durban_king.htm , Nach: M.L. King Jr., „Letter to an Anti-Zionist Friend“, Saturday Review XLVII (Aug. 1967), p. 76. Nachgedruckt in: M.L. King Jr., This I Believe: Selections from the Writings of Dr. Martin Luther King Jr. (New York, 1971), pp. 234-235.)

 

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Richard Wharfinger
Richard Wharfinger
11 Jahre zuvor

Den zweiten Teil der Story könntet Ihr der Vollständigkeit halber ebenfalls nachliefern:

„According to Eric Sundquist, a professor at UCLA, „eventually, through channels that are difficult to pin down, this quotation was transformed into a text purportedly by King titled ‚Letter to an Anti-Zionist Friend,‘ which was said to have appeared in an August 1967 issue of Saturday Review and later reprinted in a book ‚This I Believe: Selections from the Writings of Dr. Martin Luther King Jr‘. However, no such letter was published in any of the four Saturday Review issues released that month. The letter was allegedly re-published in This I Believe: Selections from the Writings of Dr. Martin Luther King Jr., but no book by that name has been located. The letter was not found in the King archives at Boston University. There appear to be no references to the letter before 1999.“

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Letter_to_an_Anti-Zionist_Friend

Arnold Voß
Arnold Voß
11 Jahre zuvor

Der Antizionismus ist nicht nur eine außer- sondern auch eine innerjüdische Angelegenheit. Der Streit darüber, ob ein eigener jüdischer Staat, bzw. ein reales räumliches Heimatland der Juden überhaupt als erstrebens gilt, hat seit Beginn dieser Idee auch innerhalb der Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft immer wieder zu hitzigen Debatten geführt.

Es gibt bis heute also eine gehörige Zahl jüdischer Antizionisten auf dieser Welt. Sie fordern deswegen allerdings in der Mehrzahl nicht, dass sich deswegen Israel als Staat wieder aufzulösen hätte, geschweige denn bestreiten sie sein Selbstverteidigungsrecht.

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