Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) hat zahlreiche Medien wegen ihrer Berichterstattung über seine Rolle bei den Parteispenden eines Immobilieninvestors verklagt. Die Kosten trägt zum Teil die Stadt Dortmund. Die Begründung ist abstrus und nicht nachvollziehbar.
Wir sind in bester Gesellschaft. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau, Spitzname in Dortmunder Grünen-Kreisen „Blondi“, ist in den vergangenen Monaten gegen zahlreiche Medien juristisch vorgegangen: Neben diesem Blog bekamen auch die Rheinische Post, die Frankfurter Rundschau, die Welt am Sonntag, DerWesten.de, DerWesten-Rechercheblog, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und WAZ Chefredakteur Ulrich Reitz Post von Sieraus Anwalt Gernot Lehr. WAZ-Chef Reitz nicht wegen eines Textes, sondern einem Wortbeitrags im ARD-Presseclub. Sven Gösmann, Chefredakteur „Rheinische Post“ dazu auf Newsroom: „Eine Meinungsäußerung des Kollegen Reitz in einer Fernsehsendung zu beklagen, halte ich für lächerlich, geradezu für erbärmlich.“
Es ging bei dem Streitigkeiten um die Rolle von Sierau beim Haushaltsskandal 2009, als am Tag nach der Wahl ein Haushaltsdefizit von 100 Millionen Euro festgestellt wurde. Sierau erklärt, er habe davon nichts gewusst. Und verkündet hatte die Finanzprobleme der damalige OB Gerhard Langemyer. Im Wahlkampf hatte die SPD noch mit ihrer Haushaltskompetenz geworben.
Ein weiterer Streitpunkt zwischen Sierau und den Medien, der auch dieses Blog betraf, war die Berichterstattung über die Spenden der Essener Immobilienunternehmer Stephan Kölbl und Marcus Kruse. Die hatten im Vorfeld der OB Wahl 2009 für drei OB-Kandidaten im Ruhrgebiet gespendet: Adolf Sauerland, (CDU, Duisburg), Reinhard Pass (SPD, Essen) und Ullrich Sierau (SPD, Dortmund). Kölbl und Kruse spendeten je 4.900 Euro an die Dortmunder SPD als Unterstützung für die OB-Kandidatur Sieraus.
Sierau hat mittlerweile an Eidestatt versichert, dass er von diesen Spenden nichts wusste und ging gegen Texte vor, die seiner Ansicht nach den Eindruck erweckten, dass es sich dabei um Einflussspenden gehandelt haben könnte.
Das geschah knapp ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung dieser Texte. Auch wir waren davon betroffen. Wir haben den betreffenden Text vor allem um Informationen ergänzt, nichts unterschrieben und nichts bezahlt. Die Ergänzungen bezogen sich vor allem auf Informationen, die uns erst durch das Anschreiben von Sieraus Anwalt zugänglich gemacht wurden. Eine Presseanfrage bei der Stadt Dortmund war im Dezember nicht beantwortet worden.
Die ganze Aktion war nicht preiswert. Wie die Ruhr Nachrichten berichten, sind der Stadt Dortmund Kosten in Höhe 17.666,89 Euro enstanden. Die Zahl, so die Pressestelle der Stadt zu den Ruhr Nachrichten, würde aber durch geltend gemachte Ansprüche gegenüber den Medien sinken. Und warum sollen die Bürger für Sieraus Rechtsstreitigkeiten aufkommen? Weil es nach Ansicht der Stadt nicht seine persönlichen Rechtsstreitigekeiten sind. Ruhr Nachrichten:
Es handele sich deshalb nicht um ein Mandat Ullrich Sieraus als Privatperson, sondern um ein Mandat und die Vertretung der Interessen der Stadt Dortmund. Stadtsprecher Udo Bullerdieck: „Von ihr galt es, durch die angestrengten Verfahren weiteren Imageschaden abzuwenden.“
Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich hätte auch über die Spenden geschrieben, wenn Sierau nicht Oberbürgermeister geworden wäre und die Wahl 2009 verloren hätte. Und zu dem Zeitpunkt der Spenden war Sierau auch nicht Oberbürgermeister, sondern Stadtdirektor. Aber auch das war mir nicht wichtig. Denn es ging um seine Rolle als SPD OB-Kandidat. Und die war nicht abhängig von seinem Job als Dezernent und Stadtdirektor. Sierau hätte ja auch für die SPD kandidieren können, wenn er Fleischermeister gewesen wäre. Von da an gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum die Stadt Dortmund, warum die Bürger, die Kosten der Rechtsstreitigkeiten tragen sollen. Schon ein Euro wäre zu viel.
Und zu den Klagen gegen die Medien durch die Stadt hat Helmut Dahlmann, der NRW-Chef der Journalistengewerkschaft DJV auf Newsroom alles gesagt, was zu sagen ist: „Der Oberbürgermeister keilt hier aus wie ein wildes Pferd“
[…] Ruhrbarone haben zu der Angelegenheit unter Medienklagen: Sieraus abstruse Logik einen eigenen Artikel veröffentlicht, der das ganze nochmal genauer […]
Eigentlich kann man nach dem ersten Absatz mit dem lesen aufhoeren (natuerlich nicht wegen der Qualitaet des Artikels ;)!). Wenn jemand flaechendeckend Medien mit anwaltlichen Schreiben ueberzieht finde ich das von vorne herein seltsam. Aktionen dieser Art haben i.d.R. wenig mit ‚Recht‘ und ‚Richtigstellung‘ zu tun, sondern sehen, gerade bei Politikern, nach persoenlichen Fehden aus. Aber so dicke wie es die Kommunen haben, sollte man sich ja ueber knapp 20.000 Euro Anwaltskosten nicht aufregen…was fuer ein armer Berufspolitiker der gestrigen Sorte…
Sehe ich das richtig? Herr Sierau laesst sich von der Stadt die Kosten fuer dieses Verfahren bezahlen bzw laesst kommunale Mitarbeiter fuer ein verfahren arbeiten, das nicht das Amt des Oberbuergermeisters betrifft, sondern seine Rolle als SPD-Spitzenkandidate?!?!?
WENN dem so waere, wuerde es sich doch um eine illegale Parteienfinanzierung handeln? Kommunale Einrichtungen duerfen weder an Parteien spenden oder ihnen einen geldwerten Vorteil verschaffen. Die CDU in Duesseldorf muss daher 15.000 Euro Strafe zahlen. Hier sollte jemand dringend mal den Bundestagspraesidenten Lammert einschalten….
Stefan, könnte für die Redakteure/Chefredakteure -sh.Reitz- nicht ein kleinwenig Anlaß bestehen, darüber nachzudenken, ob man im konkreten Falle nicht sorgfältiger hätte rechercherieren und folglich sachgerechter hätte berichten/kommentieren können?
Glaubwürdigkeit/Vertrauenswürdigkeit sind bekanntlich nicht nur für Amts- und Mandatsinhaber bedeutsame Güter, sondern auch für die berichtenden/kommentierenden Medien.
Stefan, wegen der Kostenübernahme d.d.Stadt Dortmund und wegen des Streites darüber würde mich interessieren, ob die Schriftsätze des Anwaltes -u.a.gegenüber den Ruhrbaronen-von diesem im Namen und im Auftrage des OB verfaßt wurden oder im Namen und im Auftrage der Stadt Dortmund, kraft Gesetzes vertreten vom OB in Rechts- und Verwaltunsgeschäften, folglich auch in diesem Falle. Wenn Letzteres zutrifft ,wären die Anwalts-/Verfahrenskosten rechtlich zweifelsfrei der Stadt Dortmund zuzurechnen und nicht Herr Sirau
persönlich.
Wenn H.Dahlmann namens der Journalisten-Gewerkschaft meint, feststellen zu müssen, OB Sirau „keile aus wie ein wildes Pferd“, dann sollte er sich fragen, ob dieses Auskeilen, wie bekanntlich bei wilden Pferden üblich, nicht eine naheliegende Reaktion auf das Auskeilen „anderer wilder Pferde“ sein könnte.
Ob die Aktion der Stadt Dortmund -vertreten d.d.OB- (unterstellt, so ist es formal juristisch gelaufen) politisch klug war, ob sie letztlich dem Ansehen der Stadt DO nutzt oder schadet, ist in der Tat fragwürdig.
Ich hätte aufgrund meiner in vergleichbaren Situationen gemachten Erfahrungen mit der öffentlichen Meinung, mit den Medien, mit der Politik der Stadt Dortmund von dieser Aktion abgeraten.
Weiterdreher bei Newsroom.de:
Bürgermeister gegen Medien – WAZ-Recherche-Chef Schraven: „Wir schauen weiter, was noch kommt“
https://www.newsroom.de/news/detail/%24HVEQFPGOFLHL
[…] Juli sorgten das juristische Vorgehen von Dortmund Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) gegen verschiedene Medien – darunter […]