Mehr Diversität wagen

Blick in Richtung Kraftwerk Datteln von der ‚Halde Hoheward‘ aus. Foto: Robin Patzwaldt


Diversität ist eines der großen Hip-Themen: Konzerne, Verlage und Kultur – alles soll diverser werden. Warum nicht auch die Energieversorgung?

Personalmanager und Unternehmensberater sind sich einig: Diverse Teams sind erfolgreicher. Mitarbeiter verschiedener Herkunft, Geschlechter oder Altersgruppen bringen unterschiedliche Perspektiven ein, die für den Erfolg von Produkten auf dem Weltmarkt entscheidend sein können. Auch die Ampel-Koalition hat sich der Diversität verschrieben: Ob Biodiversität oder diverse digitale Standards: Vielfalt wollen SPD, Grüne und FDP, wo immer es geht, fördern.

Aber es gibt eine Ausnahme: Im Energiebereich wollen nicht nur die Regierungsparteien, sondern auch die CDU, nur etwas später als die Ampelaner, dahinkommen, ausschließlich erneuerbare Energie einzusetzen.

Dabei sind die Probleme mangelnder Diversität im Bereich der Energieversorgung offensichtlich: Frankreichs Abhängigkeit von Kernenergie sorgt für Probleme bei der Stromversorgung, vor allem wenn alle Reaktoren aus nur wenigen Modelllinien stammen: Wird ein Fehler in einem Reaktor entdeckt, müssen alle vom Netz und kontrolliert werden. In Deutschland sorgt die Abhängigkeit vom Gas, die nach den Plänen sowohl der amtierenden als auch der vergangenen Bundesregierungen noch hätte wachsen sollen, in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, für Versorgungsengpässe und Preissteigerungen.

Ganz überraschend kam das nicht. Die Politik hatte eine Lehre aus den 70er Jahren vergessen: Damals verursachte die Abhängigkeit der Öllieferanten aus dem Nahen-Osten für eine schwere Wirtschaftskrise, als diese die Preise erhöhten und ihre Lieferungen reduzierten.

Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) reagierte darauf nicht nur mit eher symbolischen Maßnahmen wie autofreien Sonntagen und einer zweitweisen Tempo-100-Regel auf den Autobahnen, sondern mit mehr Diversität: Es wurde nach neuen Öllieferanten gesucht, Gas aus Russland gewann an Bedeutung, wenn auch in viel geringem Maße als heute, es gab Energiesparmaßnahmen, die heimische Förderung von Gas wurde ebenso ausgebaut wie der Kernkraft und es begann ein erster, wenn auch zögerlicher, Einstieg in der Erneuerbaren Energien. Das Ziel all dieser Maßnahmen war die Abhängigkeit von einem Energieträger und einer Gruppe von Lieferanten, damals ging es um das OPEC-Kartell, zu verringern. Zwar sollte Energie nie wieder so billig werden wie vor der Ölkrise, aber es gelang, die Energieversorgung bei zumutbaren Preisen zu sichern.

Diversität ist auch jetzt die Lösung: Erneuerbare Energien sind zu unzuverlässig, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Trotzdem sollten sie ausgebaut werden, sie können im Energiemix eine wichtige Rolle spielen. Die Förderung heimischen Gases auch durch Fracking, der Wiedereinstieg in die Kernkraft, vor allem in neue, kleinere Reaktormodelle, wie sie gerade in den USA, Kanada und Großbritannien entwickelt werden und die Beibehaltung der Kohleverstromung, bei der das Anfallende CO2 durch die CCS-Technologie abgesondert und anschließend gelagert oder neu genutzt werden kann, würden die Energieversorgung breiter aufstellen. Es hat sich mehr als einmal erwiesen, dass die Abhängigkeit von einem Lieferanten oder einer Art der Energieerzeugung fatal ist. Die Lösung kann nur heißen: Mehr Diversität wagen.

 

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Ein staunender Bauklotz
Ein staunender Bauklotz
2 Jahre zuvor

Zitat aus Artikel:
„Ob Biodiversität oder diverse digitale Standards: Vielfalt wollen SPD, Grüne und FDP, wo immer es geht, fördern.“
Beim lesen bin ich über den Begriff „diverse digitale Standards“ gestolpert.
Hat der Autor hier nur ungenau formuliert, oder gibt es wirklich eine Forderung nach diversen digitalen Standards???
Eine Forderung nach diversen digitalen Standards ist absoluter Quatsch !!! Das Zusammenwirken von technischen Koponenten, Programmen und digitalen Schnittstellen mit der Zsammenarbeit von Menschen verschiedener Herkunft miteinander vergleichen zu wollen ist absoluter Quatsch!!!
Mal ganz abgesehen davon, dass Standards per Definition das genaue Gegenteil von Diversität sind: technische Standards gewährleisten allen Markteilnehmern und Entwicklern den gleichberechtigten Zugang zum Markt mit eigenen Produkten oder Entwicklungen – Eigenständige (diverse) technische Standards, besonders dann wenn diese einen propäritären Charakter haben, dienen in aller erster Linie dazu, eine Monopolstruktur herauszubilden, lästige Konkurenz abzublocken und die Kunden fest an sich zu Ketten ( Vendor ).
Ein schönes Beispiel hierfür ist Mikrosoft und das UEFI bei Computern und Laptops. Mikrosoft nutzt seine quasi Monopolmacht dazu, die Hersteller von Computern zu zwingen das UEFI so (divers ) zu standardisieren, dass nur Windows, aber keine anderen Betriebsprogramme installiert werden können.
Die Formulierung von technischen und digitalen Standards ist hochpolitisch, sie ist Wirtschafts – und Industriepolitik, sie ist pure Machtausübung – technische und digitale Standards können geostrategische Bedeutung haben.
Nur allgemein gültige einheitliche technische und digitale Standards, die Open Source und nicht propäritär sind, gewährleisten einen demokratischen Zugang aller zu den Möglichenkeiten der Digitalisierung und einen gleichberechtigten Marktzugang aller Marktteinehmer.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

Es ist weder neu noch falsch, das die Zusammenkunft qualifizierter Leute unterschiedlicher Herkunft äußerst produktiv sein kann.
Allerdings ist es ein nachweisbarer logischer Fehlschluss lediglich Diversität herzustellen und dann zu glauben es stelle sich Erfolg ein.
Schlicht weil hier kein Äquivalenzprinzio herrscht. Also Folgerichtigkeit in beide Richtungen.
Das zu ignorieren ist Scheinkompetenz für Idioten.
Und der Schaden den solche Aussagen anrichten liegt in der wissenschaftlich unzulässigen Verallgemeinerung in der Breite, die mit der Unschärfe der Behauptung scheinbar legitimiert wird.
Bezogen auf Rohstoffversorgung ist der Artikel aber richtig, wenn auch beschönigend.
Denn die Nachteile mangelnder Versorgerdiversifizierung wurden nicht vergessen sondern bewusst aus opportunen Gründen ebenso ignoriert, wie der unbedingte glaube an das irrationale Basiswohlwollen selbst von Diktatoren wie Putin.
Da haben sich schlicht Leute bereichert, ob ökonomisch oder politisch. an beiden Stellen wäre so manche Karriere nicht möglich gewesen.
Das Versagen ist also eine Folge von Egoismus und Korruption!
Und wenn wir solche Fehler zukünftig vermeiden wollen, dann nur wenn die Entscheidungsträger dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Was im Falle gutgläubiger Naivität mindestens Rücktritte notwendig machen würde.
Angefangen beim Bundespräsidenten Walter Steinmeier….

paule t.
paule t.
2 Jahre zuvor

Ja, wir sind in der Energieversorgung mal ganz divers und setzen jetzt auf Technik, die es seit 30 Jahren in zehn Jahren geben wird. Guter Plan.

paule t.
paule t.
2 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin #5:

Nein, auch nicht. Ich bin wohl etwas technikoptimistischer als Sie und denke, dass erneuerbare Energien und Speichertechniken noch viel Potenzial haben. Die gibt es schon; man konnte in den vergangenen Jahrzehnte beobachten, dass sie Schritt für Schritt immer billiger und leistungsfähiger werden; und man kann immer wieder neue, praktische Verbesserungen sehen.

Ich habe allerdings keine Lust, auf angeblich ganz tolle, grundlegend neue Großtechniken zu warten, die uns schon seit Jahrzehnten verspochen werden, die immer ganz bald Energie im Überfluss bereitstellen werden und keine Risiken haben werden, die aber komischerweise nie fertig werden.
Falls ich mich irre und doch irgendetwas von diesen Versprechungen baureif wird – schön. Soll mich freuen. Aber für die Lösung unserer jetzigen Probleme sind diese Sachen so geeignet wie Beamen zur Lösung der Verkehrsprobleme: Schöne Idee, gibt’s bloß einfach noch nicht.

Und was die vorhandene Atomtechnologe angeht: Die ist rational betrachtet einfach zu teuer. (Wenn man berücksichtigt, welche Kosten auf die Allgemeinheit abgeladen werden.)

Bei Braunkohle bleiben wir vor allem dann, wenn wir uns von haltlosen Versprechungen über nicht vorhandene Technologien dazu verführen lassen, im Bereich der Erneuerbaren weniger zu tun, als möglich wäre.

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