In den vergangenen Monaten wurde kontrovers über ein medienpolitisches Vorhaben der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen diskutiert: SPD und Grüne planen, eine „Stiftung Vielfalt und Partizipation“ ins Leben zu rufen, die aus Rundfunkgebühren – die mittlerweile in „Beitrag“ umgetauft wurden – finanziert wird. Die Stiftung soll dann u.a. Gelder für „Recherchestipendien“ vergeben und die Qualifizierung von Journalisten unterstützen. Unser Gastautor Thomas Nückel ist Mitglied der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag.
Mal abgesehen davon, dass die Umleitung von Beiträgen der Gebührenzahler in andere politische Vorhaben, für die der Landesregierung auf Grund ihrer grotesken Haushaltspolitik die eigenen Mittel fehlen, schwerlich rechtlichen Bestand haben wird, ist das Vorhaben aus meiner Sicht auch politisch eine abenteuerliche Fehlkonstruktion. Das liegt insbesondere an zwei Gründen.
Erstens: Auch ich mache mir Sorgen um die Aufrechterhaltung der Vielfalt in der Presse- und Medienwelt. Das gilt insbesondere für den lokalen und regionalen Bereich. Allerdings ist der Reflex, bei jedem Problem nach dem Staat zu rufen, falsch. Im Bereich der Presse ist er außerdem sogar brandgefährlich. Denn machen wir uns nichts vor: Die Landesregierung versucht mit ihrer „Stiftung“, ihren Einfluss auf die Presseberichterstattung positiv zu beeinflussen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, mag sie sich denken. Man könnte es den „Stipendiaten“ nicht einmal verübeln, wir sind alle nur Menschen. Ich sehe es auch jedem Redakteur einer Zeitung in Besitz der SPD-Medienholding nach, wenn er sich nicht als allergrößter und dauerhaftester Kritiker der deutschen Sozialdemokratie profilieren möchte.
Deshalb darf niemand überhaupt erst in eine solche Lage gebracht werden. Die Brandmauer zwischen Staat und Presse muss bestehen bleiben. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer – diesen Hinweis sehen Sie mir als Liberalem nach. Aber der Staat ist noch viel weniger der bessere Journalist.
Zweitens: Die Begründung für die Einrichtung der „Stiftung Vielfalt und Partizipation“ ist – gelinde gesagt – eine Frechheit. SPD und Grüne konstatieren in ihrem Gesetzentwurf die enormen Herausforderungen für Presse und Medien im digitalen Zeitalter. Sie erklären, einen „Beitrag zur Vielfalt in lokalen und regionalen Räumen in Nordrhein-Westfalen leisten“ zu wollen. Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Presse, der Rückgang von Werbeerlösen, die Schließung von Redaktionen, Übernahmen und Konzentrationsentwicklungen – wir alle kennen die Probleme. Aber wo setzen SPD und Grüne die Problemlösung an? Bei der „Medienkompetenzförderung von Medienschaffenden“. Übersetzt bedeutet das: Rot-Grün hält die mangelnde Kompetenz von Journalisten für das Problem, das es mit ihrer Stiftung zu lösen gilt.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Entweder die nordrhein-westfälische Landesregierung meint das nicht ernst – dann ist es nur eine vorgeschobene Begründung für die Stiftung, mit der sie sich in der Tat mehr Einfluss auf die Presse erhofft. Oder sie meint das tatsächlich ernst – dann ist ihr jegliche Wahrnehmung der Realität abhandengekommen. Denn die Qualität, die Kompetenz und das Engagement der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland sind doch viel mehr die Konstante in der Medienwelt. Das Problem ist stattdessen, journalistische Angebote zu refinanzieren!
Wie also lösen wir das eigentliche Problem? Oder verbreite ich hier nur oppositionelle Kritik an SPD und Grünen?
Eine vollständige Lösung habe ich selbstverständlich auch nicht parat. Aber einen Beitrag dazu, der darüber hinaus noch ganz ohne staatliche Einmischung in die Presse auskommt und allein auf privates Engagement setzt.
Dafür sollten wir einen Blick auf Paragraph 52 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO) werfen. Dort wird genannt, welche Tätigkeiten von deutschen Finanzämtern als „gemeinnützig“ anerkannt werden können. Vereinfacht dargestellt ist diese „Gemeinnützigkeit“ vorausgesetzt, um etwa Spenden für solche Tätigkeiten von der Steuer absetzen zu können. Und eine gemeinnützige Einrichtung muss auch keine Steuern auf die von ihr erzielten „Umsätze“ zahlen, dafür darf sie allerdings auch keine Gewinne erzielen bzw. auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet sein. Sie darf also nur die Kosten decken, die bei der gemeinnützigen Tätigkeit entstehen.
Der Katalog in diesem § 52 Abs. 2 AO nennt etwa die Förderung der Wissenschaft, der Bildung, von Kunst und Kultur oder des Naturschutzes. Ebenfalls genannt ist aber auch z.B. die Tierzucht, das Kleingartenwesen, der Schachsport oder der Modellflug. Nicht explizit genannt ist dagegen die Förderung des Journalismus.
Das ist bereits im Grundsatz erstaunlich. Der Katalog präzisiert ja den Absatz 1 dieses § 52 AO, in dem „Gemeinnützigkeit“ definiert wird: Es soll sich dabei um eine Tätigkeit handeln, deren Ziel ist, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“. Nichts gegen Kleingärten und Schach, aber mit Blick auf die herausragende Bedeutung einer vielfältigen Presse müssten journalistische Tätigkeiten doch eigentlich auch gemeinnützig sein können. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden und bis heute einschlägigen „SPIEGEL-Urteil“ im Jahr 1966 dargelegt: „[Eine freie und vielfältige Presse] ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich“.
Darüber hinaus ist das Fehlen des Journalismus in § 52 Abs. 2 AO auch ein faktisches Problem. Denn er kämpft seit Jahren mit einem nachhaltigen Strukturwandel, der die Finanzierung journalistischer Angebote insbesondere in der Fläche sehr schwer gemacht hat. Ich hatte das weiter oben bereits angesprochen.
Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, dass die Pressevielfalt – besonders im regionalen oder lokalen Bereich – durch gemeinnütziges Engagement gestärkt werden könnte. Das findet heute aber meist nicht statt, da ein entsprechendes Engagement durch die Finanzämter nicht als gemeinnützig anerkannt wird. Diese Erfahrung wurde übrigens tatsächlich gemacht, das bestätigen nicht zuletzt zahlreiche Rückmeldungen von Journalisten. Es wurden bereits einige Versuche unternommen, die Gemeinnützigkeit journalistischer Tätigkeiten „auf Umwegen“ zu erreichen – etwa über die Gemeinnützigkeit der Förderung von „Bildung“. Diese Versuche scheiterten allerdings regelmäßig an den Finanzämtern, die § 52 sehr eng auslegen. Im Zweifel wird ein Spender also doch lieber die Tierzucht oder das Modellflugzeugwesen fördern.
Eine kleine Änderung der Abgabenordnung – große Wirkung. Klar ist dabei übrigens, dass weder die Paparazzi-Jagd noch die Bild-Zeitung gemeinnützig werden können. Das würde bereits an der Gewinnerzielungsabsicht scheitern. Eine Auslagerung von Redaktionen ist ebenfalls nicht möglich, denn ein Verlag muss und will Gewinne erzielen, er kann also sein „Produkt“ – etwa eine Zeitung – nicht „gemeinnützig“ erstellen lassen. Kontrollen im Einzelfall, ob es sich tatsächlich um eine gemeinnützige Tätigkeit handelt, findet außerdem wie üblich statt – so wie auch bei den 25 Tätigkeitsbereichen, die in § 52 bereits genannt sind.
Sicher werden nicht alle Probleme der Medienwelt durch den Vorschlag gelöst, aber es wäre ein Baustein. Ich habe daher einen entsprechenden Antrag erarbeitet und in den Landtag von Nordrhein-Westfalen eingebracht. Nun bin ich gespannt, wie sich die Landesregierung dazu stellt. Unterstützt sie mehr privates Engagement im Journalismus, oder bleibt sie bei der Auffassung, dass lediglich eine „Medienkompetenzförderung von Medienschaffenden“ notwendig ist?
„Medienkompetenzförderung von Medienschaffenden“?? ( -von i n den Medien bzw. f ü r die Medien Schaffenden oder wie…..?)
Um die grundsätzliche Bedenklichkeit dieses staatlichen (!!) Zieles zu unterstreichn:
Liegt es nicht nahe, in der Folge dieses Zieles, wenn Bedarfe anlasyiert und gewichtet werden, staatlicherseits weiterzugehen und eine staatliche
„Medienkompetenzförderung für Mediennutzer“
anzustreben?
Über den Sinn / Unsinn direkter oder indirekter staatlicher Subventionen jeder privaten Produktion von Gütern und Dienstleistungen läßt sich bekanntlich streiten.
Eine solche staatliche Subventionierung -direkt/indirekt – „von Medienschaffenden“ verdient jedoch mehr als jede andere eine besonders kritische öfffentlichen Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur von „Liberalen“, und eine dementsprechende kritische öffentliche Begleitung des politischen Willensbildungsprozesses.
Ich hoffe als Sozialdemokrat, daß dieses in NRW der Fall sein wird.
Ich habe darüber außerhalb der Ruhrbarone in anderen Medien noch nichts gelesen/nichts gehört.
Habe ich da Wesentliches verpaßt?
Werden die diesbezüglichen Aktivitäten von SPD/Grüne im Land möglicherweise von den Medien, vor allem den Printmedien in NRW, unterstützt oder sind sie gar von denen initiert worden?
Bin gespannt auf die Disk. bei den Ruhrbaronen, die ja schon einmal im „Ansatz“ hier gelaufen ist.
Und noch gespannter bin ich darauf, ob es einen weitergehenden öffentlichen Diskurs dazu geben wird!
Sicherlich kann man die Gesetzeslage verbessern, aber es gibt mit der Kontext Wochenzeitung schon ein als gemeinnützig anerkanntes lokales Zeitungsprojekt und die Nachdenkseiten haben auch einen Förderverein.
Hier findet man was über Kontext:
https://www.kontextwochenzeitung.de/bereiche/alles-ueber-den-verein.html
Die Satzung von Kontext findet man hier:
https://www.kontextwochenzeitung.de/fileadmin/content/kontext_wochenzeitung/dateien/kontext_verein/KONTEXT_Vereinssatzung.pdf
Und zu den Nachdenkseiten kommt man über folgenden Link:
https://www.nachdenkseiten.de/?page_id=14
Die Satzung findet man hier:
https://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/satzung.pdf
Auf den Förderverein von carta.de hatte ich hier auch schonmal hingewiesen:
https://www.ruhrbarone.de/freundeskreis-formiert-sich/56399/comment-page-1#comment-429971
Oder den Gedanken eine Genossenschaft zu gründen:
https://www.ruhrbarone.de/freundeskreis-formiert-sich/56399/comment-page-1#comment-431952
Haben die Ruhrbarone es denn wenigstens versucht, einen Verein zu gründen und die Gemeinnützigkeit beantragt?
erratum:
es muss „carta.info“ heissen
Eine wundervolle Idee.
Jemand spendet also demnächst an den gemeinnützigen Verein „Nachrichten für Bottrop“ oder so. Dieser Verein hat keine Gewinnerzielungsabsicht, also wird von diesem Geld das Vereinsheim, der Druck und möglicherweise auch der Journalist bezahlt, habe ich das richtig verstanden?
Die Quelle für die Einkünfte des Journalisten wird also verschoben: Zuerst waren es die Leser (ganz klassisch, dieses Modell der Finanzierung ist vermutlich ausgestorben), dann die Werbekunden (das Geld wird mittlerweile bei Google versenkt und nicht mehr in der Lokalausgabe Bottrop).
Die Landesregierung hat die Idee, Geld über eine Stiftung zu verteilen.
Oder aber Geld wird durch Spenden über Vereine eingenommen.
Alle Modelle haben das Problem, dass der Journalist verleitet wird, nur das zu schreiben, was dem Geldgeber genehm. Sensationen für den Leser, Produktlob für den Werbekunden, politisch Gleichgeschaltetes für die Regierungsstiftung und –
ja was eigentlich bei den Spenden?
Wer spendet eigentlich?
Gerichte, die erhaltene Bußgelder an gemeinnützige Vereine verteilen?
Unternehmer, die möglicherweise auch sonst gerne mal einer Partei etwas zukommen lassen?
Oma Erna aus Bottrop, die sich über einen schönen Artikel gefreut hat?
Die Wunderding-GmbH, die es großartig fand, wie neulich der Journalist E. Scribbler über das neue Produkt der Wunderding-GmbH geschrieben hat?
Eine wundervolle Idee mit Fallstricken. Aber immer noch besser als diese unsägliche Stiftungsgeschichte.
Ich kann es kurz machen: Ziemlicher Blödsinn, das alles. Wenn Verlage es versäumen, sich auf seit Jahrzehnten wetterleuchtende Veränderungen einzustellen, weil diese auf den ersten Blick in den Augen miserabler Vorausschauer zu viel Geld kosten, dann kann nichts gesellschaftliche Aufgabe herbei schreien, dass nun aber Zeitungsvielfalt erhalten bleiben muss, möglichst auf Kosten der Rezipienten selbst. Merkwürdig, dass gerade Liberale Vertreter gern nach gesellschaftlicher Verantwortung rufen, wenn ihre Form des Wettbewerbes versagt.
Das Folgende stammt wörtlich aus dem neuesten Beitrag von Silke Burmeister – „Der Kriegsreporterin“, die “ jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT“ in der TAZ berichtet; die TAZ vom2.7.2o14, S.14 -Flimmern und Rauschen-; http://www.taz.de
„Hallo, taz-Medienredaktion!
Journalismus, so schlägt die FDP Nordrein-Westfalen vor, sollte gemeinnützig werden. Mir geht dieser Vorschlag nicht weit genug. Journalismus, diese vom Tode bedrohte Kulturgattung, dieser Garant für Demokratie und dicke Ego, diese dem Untergang geweihte Kunst der Hohepriester, muss als Weltkulturerbe anerkannt und unter besonderen Schutz gestellt werden! Das scheint mir das Mindeste, das die Menschheit tun muß, um diese vierte Kraft, dieses gesellschaftsmoralische Über-Ich am Leben zu halten. Dummerweise bringen manche Orte, machen kulturelle Errungenschaften Jahrzehnte auf der Warteliste der Unesco zu, bevor deren Mitglieder, vom Lichtstrahl der Erkenntnis gestreift, ihr Placet geben. Dann ist es häufig zu spät. Ich fordere von daher schon jetzt, den Journalismus als besonders schützenwertes Kulturgut einzustufen und in einer Schutzzone , einem Reservat das Überleben zu sichern. Mit UN-Blauhelmsoldaten drumrum.“