Mehrheit für militärische Unterstützung der Ukraine

Ukraine und Challenger 2 Panzer Foto: Ministry of Defence Lizenz: OGL v1.0


Russland hat 2024 in seinem Krieg gegen die Ukraine die militärische Initiative wiedererlangt. Wie reagiert die deutsche Bevölkerung auf die verschärfte Bedrohungslage? Antworten auf Fragen zur Ukraine-Unterstützung, persönlichen Verteidigungsbereitschaft und Wehrpflicht liefert die jährliche Bevölkerungsbefragung des ZMSBw. Knapp 2.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nahmen an der repräsentativen Umfrage im Sommer 2024 teil.

Die verschärfte Bedrohungslage in der Ukraine spiegelt sich im öffentlichen Meinungsbild in Deutschland wider: Russland wird verstärkt als militärische Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahrgenommen. Dazu ist die öffentliche Zustimmung zu Deutschlands militärischer Unterstützung der Ukraine im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. In allen soziodemografischen Gruppen der deutschen Bevölkerung befürwortet eine relative oder absolute Mehrheit Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine – außer die Wählerinnen und Wähler der AfD und des BSW sowie die Gruppe der Nichtwähler. Die Auswertung der Befragungsdaten offenbart, dass die Zustimmung zu Deutschlands militärischer Unterstützung der Ukraine maßgeblich davon abhängt, ob Russland als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahrgenommen wird: Jene Befragten, die Russland als eine Bedrohung wahrnehmen, stimmen der militärischen Unterstützung der Ukraine deutlich stärker zu als jene, die in Russland keine Bedrohung sehen (Zustimmung: 59 zu 22 Prozent).

Wehrdienst und persönliche Verteidigungsbereitschaft

Die Einführung eines Wehrdienstes im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht hält knapp die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) für notwendig. Etwas geringer fällt die Zustimmung zur Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht aus (Zustimmung: 46 Prozent; Ablehnung: 25 Prozent). Eine klare Mehrheit von 60 Prozent ist davon überzeugt, dass die Einführung eines Wehrdienstes die Fähigkeit der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung stärken würde. Aktuell geben 42 Prozent (+3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2023) der Befragten an, Deutschland im Falle eines militärischen Angriffs mit der Waffe verteidigen zu wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen Männern und Frauen große Unterschiede bestehen: Während 61 Prozent der Männer unter 50 Jahren ihre persönliche Verteidigungsbereitschaft mit der Waffe bekunden, liegt dieser Anteil bei den Frauen bei 21 Prozent. „Kriegsangst beeinträchtigt das Interesse junger Menschen am Militärdienst nicht“, so Studienautor Dr. Timo Graf.

Größeres Interesse am Soldatenberuf bei jungen Männern

Im Zeitraum 2020-2022 konnten sich immer weniger junge Männer und Frauen vorstellen, Soldat bzw. Soldatin bei der Bundeswehr zu werden. Diese negative Entwicklung begann bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Im Jahr 2023 stagnierte das Interesse auf einem niedrigen Niveau. Mit Blick auf die aktuellen Zahlen ist festzustellen: Der negative Trend der letzten Jahre konnte vorerst gestoppt werden – zumindest bei jungen Männern (16-29 Jahre). Denn der Anteil der jungen männlichen Interessenten am Soldatenberuf ist im Vergleich zum Jahr 2023 auf 29 Prozent gestiegen (+10 Prozentpunkte). Dazu Dr. Timo Graf: „Millionen Freiwillige im wehrfähigen Alter wären bereit Deutschland mit der Waffe zu verteidigen. Von einem absoluten Mangel an Wehrbereitschaft kann keine Rede sein.“ Bei den jungen Frauen stagniert das Interesse an einer militärischen Verwendung weiterhin auf einem niedrigen Niveau (8 Prozent; -1 Prozentpunkt). Die wahrgenommene „Kriegstauglichkeit“ der Bundeswehr (d.h. eine positivere Bewertung ihrer Ausrüstung und ihrer Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung) steigert vor allem bei Männern das Interesse am Soldatenberuf.

Breiter Rückhalt für die Stärkung der Bundeswehr

Als unmittelbare Reaktion auf Russlands Vollinvasion der Ukraine stieg die öffentliche Zustimmung zur finanziellen und personellen Stärkung der Bundeswehr im Jahr 2022 auf einen historischen Höchstwert. Dieser gesellschaftliche Rückhalt bleibt 2024 auf einem hohen Niveau: 57 Prozent der Befragten (keine Veränderung zu 2023) befürworten eine weitere Erhöhung des Verteidigungsetats und 58 Prozent (+2 Prozentpunkte) eine zahlenmäßige Erhöhung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. In nahezu allen soziodemografischen Gruppen und den Wählergruppen spricht sich eine relative oder absolute Mehrheit für die finanzielle und personelle Stärkung der Bundeswehr aus. Im Vergleich zu anderen Politikfeldern und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Staatshaushalt begrenzt ist, sprechen sich aktuell sogar 59 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus. Damit wird der Verteidigung als Ausgabenbereich die gleiche Bedeutung beigemessen wie der Inneren Sicherheit oder den Renten. Sie hat aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger außerdem Vorrang vor den Politikfeldern Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung, Wirtschafts- und Industrieförderung oder Umweltschutz. Studienautor Dr. Graf: „Die öffentliche Zustimmung zur Stärkung der Bundeswehr hängt von der wahrgenommenen Bedrohung durch Russland ab. Die Bevölkerungsmehrheit fühlt sich bedroht und wünscht sich eine starke Verteidigung.“

Zustimmung zur Bündnisverteidigung gestiegen, Kenntnisstand bleibt gering

Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger ist die Landes- und Bündnisverteidigung die wichtigste Aufgabe der Bundeswehr. Im Vergleich zu 2023 ist die positive Einstellung der Bevölkerung zu verschiedenen Aspekten der Bündnisverteidigung leicht gestiegen und bewegt sich insgesamt auf einem hohen Niveau. So sind 74 Prozent (+4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2023) davon überzeugt, dass Deutschland auch weiterhin der NATO angehören muss, um seine Sicherheit gewährleisten zu können und 70 Prozent (+5 Prozentpunkte) plädieren für die Einhaltung der finanziellen Zusagen an die NATO. Die Einstellung der Befragten zur Bündnisverteidigung hängt stark von der subjektiven Wahrnehmung Russlands als Sicherheitsbedrohung und vom individuellen Kenntnisstand über die NATO-Missionen ab: Eine stärkere Bedrohungswahrnehmung und größeres Wissen erhöhen die Zustimmung zum aktiven Engagement der Bundeswehr in der Bündnisverteidigung. Allerdings ist der Kenntnisstand in der Bevölkerung über die Bundeswehr-Missionen an der NATO-Ostflanke im Durchschnitt eher gering. So gaben z.B. nur 22 Prozent der Befragten an, etwas über die Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-Mission in Litauen zu wissen. Nur jeder zehnte Befragte fühlt sich grundsätzlich gut über die Einsätze der Bundeswehr im Ausland informiert, während sich eine Mehrheit von 52 Prozent schlecht informiert fühlt.

Bundeswehr genießt hohes Ansehen trotz einzelner Kritikpunkte

Unabhängig von der sicherheits- und verteidigungspolitischen Lage geben seit einem Vierteljahrhundert mindestens drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger an, eine positive Einstellung zur Bundeswehr zu haben. Auch im Jahr 2024 ist das Meinungsbild zur Bundeswehr positiv. Eine breite Mehrheit der Gesellschaft hat eine positive Einstellung zur Bundeswehr (82 Prozent) und bringt ihr Vertrauen entgegen (85 Prozent). In allen untersuchten soziodemografischen Gruppen und Wählergruppen besteht eine im Durchschnitt positive Haltung zur Bundeswehr. Die hohe Akzeptanz der Bundeswehr quer durch alle Bevölkerungsschichten ist Beleg dafür, dass die Streitkräfte ein etablierter Bestandteil von Staat und Gesellschaft sind. Ungeachtet dessen gibt es Aspekte, die die Bürgerinnen und Bürger eher kritisch beurteilen: die Vereinbarkeit von Familie und Dienst bei der Bundeswehr (Positiv: 33 Prozent; Negativ: 25 Prozent) oder die Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr (Positiv: 29 Prozent; Negativ: 38 Prozent).

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