Von unserer Gastautorin Anastasia Iosseliani
Geehrte Leser!
Auch auf die Gefahr hin, wieder mit dem Grinch oder den Taliban verglichen zu werden, so muss ich doch etwas loswerden: Ich feiere kein Weihnachten, ich feiere kein Weihnachten weil ich Jüdin bin. Klar gibt es auch Juden, die Weihnachten feiern und gefeiert haben. Aber ich feiere kein Weihnachten, habe ich noch nie getan. Als ich in Tbilisi bei meiner Grossmutter gelebt habe, haben wir, wie damals im post-sowjetischen Raum üblich, «Novi God» (dt: Neujahr) mit Mandarinen, Kulebyaka und Salat Olivier gefeiert und später, als ich bei meinem agnostischen Vater gelebt habe, sind mein Papa und ich am 24. zuerst zum Chinesen essen gegangen und dann ins Kino. Klar habe ich Geschenke bekommen, aber ich wusste immer, dass diese Geschenke von meinen Grosseltern und/oder meinem Vater waren. Ich bin zwar nicht orthodox, sondern fühle mich eher dem konservativen Judentum zugehörig, aber ich hatte auch nie das Bedürfnis, Weihnachten zu feiern, und feiere es deshalb nicht. Ein Tannenbaum kommt mir auch nicht ins Haus, da ich finde, dass das Ding nur Platz raubt und Dreck macht, und ich finde, dass Glühwein wie Erbrochenes stinkt. Weihnachtsmärkte ansich, sind aber für mich durchaus in Ordnung.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts dagegen, wenn andere Leute Weihnachten feiern und sich einen Tannenbaum ins Wohnquartier stellen, aber das ist nichts für mich und ich bin die entsetzten Reaktionen leid, die ich bekomme, wenn ich sage, dass ich kein Weihnachten feiere und auch, wenn ich später Kinder haben werde nicht vorhabe, Weihnachten zu feieren. Ich bin es leid, mit Taliban verglichen zu werden und gesagt zu bekommen, wie untolerant und radikal und fanatisch ich sei, und das irgendwer, den ich überhaupt nicht kenne, der auch jüdisch/nicht-christlich ist, Weihnachten feiert und ich es doch deshalb versuchen solle. Tut mir leid, aber ich finde diese Form des Paternalismus vulgär, übergriffig und absolut unangebracht. Zumal ich damit, dass ich stattdessen mit meinem lieben Adoptivonkel Chanukkah feiere und wenn nicht gerade Weihnachten und Chanukkah am selben Datum sind, mit meinen Aktivitäten, nämlich Horrorfilme ansehen und asiatisch essen gehen, niemandem ein Leid antue.
Auch verstehe ich die ganze Affäre um die Festtagsgrüsse nicht. Es ist doch egal, ob jemand „schöne Festtage“ anstatt „frohe Weihnachten“ wünscht?
Also ich wünsche „schöne Festage“, weil ich erstens selber kein Weihnachten feiere, weil ich Jüdin bin und weil am 22. Dezember die Yalda-Nacht, ein Fest von Menschen aus dem iranischen Kulturkreis, war, vom 22. Dezember bis am 30. Dezember Chanukkah ist und vom 25. Dezember bis 26. Dezember das Weihnachten der protestantischen und römisch-katholischen Christen ist. Das sollte doch kein Problem darstellen.
P.S. Bevor ich es vergesse: Wenn Ihnen die Schreibe auf meinem Blog gefällt, so können Sie meinen Blog auf «Steady» unterstützen. Ich werde den passenden Link unten hinzufügen.
Was mich wundert ist nur die Überraschung, das andere irritiert reagieren.
Wenn ich etwas mache oder nicht mache, was für die meisten selbstverständlich ist, dann ernte ich dieselbe Reaktion, das ist normal, na und?
Wer sich absetzt erntet immer Unsicherheit und Irritation, egal ob das kulturell bedingt ist, religiös oder dem Individualismus geschuldet ist.
Mir nötigt das eher ein Grinsen ab, vor allem wenn das Unverständnis nach der Überraschung bleibt.
Ich kenne genügend Christen, die nicht Weihnachten feiern, die sogar jedes Weihnachten in den Urlaub fliehen. Mich wundert eher in welchen Kreisen das zu entsetzen Reaktionen führt, weil ich Ihnen noch nie in meinem leben begegnet bin.
Das kenne ich weder von den Unterschichten noch den einfachen bürgerlichen Schichten in denen ich verkehre.
Frohe Weihnachten an alle Christen,
und wer Chanukka oder lieber den Ramadan, die Religion vom Spaghettimonster oder sonstwas vorzieht, der soll auch sein Plsäsierchen bekommen. Bei Loriot gab es mal vor zig Jahren den Sketch mit der Birne Helene, die nur einen Strand weiter auch wieder anders ausfällt ( "Also bei uns ist …") .
Wenn es Leute gibt, die eigentlich beim Finanzamt arbeiten könnten und solange Ausnahmeregelungen sich ausdenken können, bis der nächste kommt, der das ganze wieder auf einen Bierdeckel bringen will, dann soll es von mir aus auch wieder erlaubt.
Aber eigentlich wollte ich nicht die Befindlichkeit von genau einer (1!!!) Person lesen, die, warum auch immer, anders ist als die Anderen. Sondern mich hat interessiert, warum Hasso Plattner in der FAZ das BIG befürwortert, wenn gleichzeitig die bei den Ruhrbaronen abgebildeten Häusern den Bedarf nach Anstreichern, Klempnern und Maurern signalisieren?
Es wird gerne über den Länderfinanzausgleich als bürokratische Lösung debattiert. Wie wäre es aber mal mit einen Anruf bei Grafs Reisen (Wanne-Eickel and around, ja so ist es an Ruhr, sorry) und anderen staatlichen Helferlein wie dem Bayrischen Roten Kreuz und anderen ( BP, BW) etc.? Warum nicht für ein paar schwergängige Schüler und neugierigen Flüchtlingsjugendlichen ein paar Feldbetten in einer Messehalle in München paralell zur Deutschen Handwerkswerksmesse organisieren und denen zeigen, was Anstreicher, Klempner und Mauer so drauf haben, und warum diese Jobs nicht so schnell wegrationalisert werden können, sondern eine ordentliche Existenz sichern können?
Warum wohl kann jemand als Debattenheimwerker zwischen Paris, Antwerpen, Wanne-Eickel, Bochum und Potsdam pendeln, was sonst nur die Champions Ligue aus dem Feuilleton hinbekommt? Etwa, weil er weiß, wie man Geld macht, aber nicht für jeden Preis käuflich ist….?
Wir sind doch in Deutschland so bekloppt, dass wir die Steuern auf ehrliche Arbeit anheben, für die Couponabschneider dagegen senken, also Arbeitskosten unötig erhöhen und deswegen Arbeitslosigkeit produzieren und anschließend die Menschen in nichtsnutzige Zeitvernichtungsveranstaltungen der BA verstecken, wo mittelmäßige Existenzen in Seminaren etwas erzählen, welches auf Grund der inneren Differenz (sprich Doktor neben Putzfrau) eigentlich so niemals Zustande kommen dürfte.
Also, liebe Ruhrbarone, einigt Euch mal. Wollt Ihr Extrawürste oder den Sprung nach vorne? Mein jüdischer Mitschüler wohnt jetzt in New York, aber der o.g. Text hat die Qualität dazu.
Ich feiere Weihnachten nicht, weil es mir egal ist. Und das schon sehr lange.
Was faselt diese Frau?
Warum glauben menschen, man könne diesen Quatsch ernsthaft kommentieren?
"Es ist doch egal, ob jemand „schöne Festtage“ anstatt „frohe Weihnachten“ wünscht?"
Finde ich nicht.
"Chag Sameach" ist als Gruß an Ihre Adresse zwar kaum mehr als die Übersetzung von "Frohes Fest", aber so drückt sich doch eine ganz andere Wahrnehmung dessen aus, was Ihnen wichtig ist. Von einer allerwelts Höflichkeitsfloskel wechselt kommt man so, wenn man sich kennt oder auch nur von einander weiß, zu einem Ausdruck von Wertschätzung.
Arnold: Schöne Feiertage
Berthold und rethel: Gesegnete Weihnachtszeit
Anastasia: Chag Sameach
@ Wolfram Obermanns
Danke. Dir ein frohes Fest.
Das Fest ist eng an astronomische Fakten geknüpft und sehr viel älter als das Christentum, und woher der Tannenbaum stammt, weiß kein Mensch. Christlich kann keine Begründung dafür gegeben werden. Der kommerzielle Rummel ist sogar nachweislich neu dazugekommen. Das Fest wandelt sich also stetig. In dem Sinne also auch von mir ein "Frohe Weihnachten".
"Das Fest ist eng an astronomische Fakten geknüpft und sehr viel älter als das Christentum…"
Sowas lese ich öfters und frage mich jedesmal was das bedeuten soll.
Weihnachten, wie wir es heute feiern ist so vor 50 Jahren von fast niemanden gefeiert worden. (Schreibst Du ja auch.) Was an dem Fest älter als das Christentum sein soll, erschließt sich mir darum dennoch nicht.
Gerne kolportiert wird eine Verbindung zum Sonnenkult. Problematisch dabei ist, Wintersonnenwende ist nicht am 25.12. und der Festtag eines Sol invictus wurde erst im 3.Jh. auf diesen Tag gelegt. Es ist außerdem so, daß bis dahin Festtage einer solaren Gottheit in Rom zu anderen Zeitpunkten gefeiert wurden. Ob also die unbesiegte Sonne als Abwehrreaktion in den Dezember umziehen mußte, oder das Christentum den sonnigen Gemütern Konkurrenz machen wollte, ist ungeklärt. Aber eigentlich ist das m.E. alles Kokolores. Antike Kalender sind mehrlagig gepflastert mit Festtagen von Gottheiten, irgendein Bezug läßt sich immer herstellen.
Meiner Auffassung nach steht diese spezielle Diskussion um dass Datum des Weihnachtsfestes außerdem in der Tradition nationalistischer Kreise des 19.Jh., die mit pseudogermanischen Wintersonnenwendengeschwafel kirchliche Lehrmeinungen von Gleichheit und Mitmenschlichkeit als verweichlichendes Novum und Abklatsch eines imaginierten, kernig-germanischen Originals diskreditieren wollten.
Das Datum des Weihnachtsfestes ist eine ähnliche "Überbauung", wie es mit vielen Kirchen an heiligen Orten der vorher praktizierten Weltanschauung / Religion geschah.
Die Differenz von 3-4 Tagen zwischen der "echten" Wintersonnenwende und Weihnachten beruht meiner Information nach darauf, dass die Möglichkeit den Unterschied in der Dauer des Tageslichts zu messen, nicht so präzise war.
Die Wintersonnenwende, die Äquinoktien und die Sommersonnenwende sind für alle Menschen objektiv beobachtbar und universell. Glaubenssysteme und historische Koinzidenzen völlig Kontingent 😉
Viele Kulturen haben ihre heiligen Feste oder Jahreszählungen an diesen Bezugsdaten, eben weil sie durch jedermann gut beobachtbar waren und sind.
Wer lieber Märchengeschichten wie Jungfrauengeburten etc. glaubt, kann das gerne machen 😉
@Wolfram Obermanns, wenn dich dies Thema so interessiert, dann forsch doch mal danach, wann und wie das Geburtsdatum von Jesus festgelegt wurde.
Tipp von mir ist irgendwann während eines Konzils um 400, wenn nicht sogar 500.
Vorher hat niemand danach gefragt.
Ich finde im Moment andere Themen wichtiger und deshalb muß mich auf Hilfe zur Selbsthilfe beschränken.
Ausführliche Religionskritik auf akademischem Niveau findest du übrigens nicht bei den germanophilen Spinnern, sondern etwa ab Bruno Bauer https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Bauer_(Philosoph) Im 18.Jahrhundert hat man noch heftig über jedes mögliche Thema diskutiert. Das ist heute ganz anders.
im 19. Jahthundert natürlich.
Aber auch vorher hielt der alte Friedrich die christliche Religion für ein "orientalisches Märchen."
Unwissenschaftlich natürlich.
Daß die antike Astrologie als Vorläufer der Astronomie bei der Sonnenwende mehrere Tage daneben gelegen habe, ist Wunschdenken, die Fehlerquote babylonischer Astrologen lag bei den Jahreszyklen bei 0,2 bis 1h.
Die Feststellung der Überschreibung ist trivial und tendenziell inhaltlich wertlos, da naturreligiöse, pantheistische Weltbilder die Umwelt und den Jahreszyklus mit Widmungen an die mehr als 365 Gottheiten und metaphysischen Wesenheiten mehrlagig zugepflastert haben.
Im Deutschunterricht der 5. Klasse wird unterrichtet, was ein Märchen ist. Biblische Geschichten sind dies im allgemeinen nicht. Textkritik, die bereits bei der Textgattung scheitert, kann im Weiteren nur daneben liegen.
Wer Bildungslücken ab der 5. Klasse für einen Ausdruck einer aufgeklärten Weltsicht hält, kann das offensichtlich machen.
@Wolfram, deine 0,2 bis 1h machten bei der Gregorianischen Kalenderreform bereits 10 ganze Tage aus. Soviel zur Genauigkeit.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender
11min/Jahr ist der Julianische Kalender mit 365,25 Tagen im Jahr zu schnell. In 1650 Jahren läppert sich da was zusammen.
In den 300 Jahren bis zur Einweihung des römischen Sonnentempels der unbesiegbaren Sonne kommen so aber keine 4 Tage zusammen um soweit neben dem astronomischen Datum zu liegen.
Den Sonnenwenden-Käse habe ich selbst lange genug geglaubt, diese (Wissenschafts-) Legende ist jedoch schon länger in Argumentationsnöten. Erst wurde festgestellt, Weihnachten wurde zum 25.12. zuerst nicht nur nicht in Germanien sondern in Regionen gefeiert, in denen die Wintersonnenwende überhaupt nicht begangen wurde. Der zweite Teil der Kritik wurde von den Vergeidigern der Überschreibungshypothese mit dem Klammern erst an den Mithras-Kult und dann, als auch dies sich als unhaltbar erwies, mit Sol invictus soweit ignoriert, das man weiter eine naturreligiöse Lesart im Zusammenhang mit Weihnachten vertreten konnte.
Christologisch ist das windig. Historisch-kritisch von der Quellenlage her ungesichert und mit Blick auf römische Religion dubios.
Glauben kann man daran natürlich trotzdem, man sollte als aufgeklärter Geist aber gleichzeitig wissen, gesichert ist davon nichts und ideengeschichtlich verwurzelt ist diese Hypothese in germanenseligen, rassistisch-nationalistisch-militaristischen Milieus des Kaiserreichs.
Eine ambivalente Haltung zu diesem Narrativ scheint mir darum zumindest geboten.
Dass Weihnachten zur dunklen Jahreszeit in der Nähe der Wintersonnenwende gefeiert wird, hat natürlich eine symbolische Bedeutung und nichts mit dem gänzlich unbekannten realen Geburtstag Jesu zu tun.
Andere Religionen mögen aus ähnlichen Gründen einen Feiertag in dieser Zeit gehabt haben oder auch nicht. Vielleicht hat da das Christentum etwas übernommen, was es für eine gute Idee gehalten hat, vielleicht auch nicht.
Die Kritik Wolfgang Obermanns oben an der These einer direkten Überschreibung eines angeblich konkurrierenden "Sol Invictus"-Fests, von der ich auch schon mal gehört hatte, hört sich für mich überzeugend an.
Aber selbst wenn sie doch stimmen würde – ja und? Für die Bedeutung, die Christen und Nichtchristen dem Weihnachtsfest heute geben, ist diese historische Frage doch völlig irrelevant. Weder würde einen Weihnachtsverächter ein plötzlich auftauchender Nachweis des Weihnachtsfests als original christlicher Idee (C) auf einmal zum Kirchgang bewegen, noch würde es mich besonders jucken, wenn diese These klar beweisen würde.
————————————————
Zum Post oben: Mich irritieren die von der Autorin geschilderten Erfahrungen, da ich derlei nie mitbekommen habe. Für mich ist es einfach selbstverständlich, dass Nichtchristen ihren eigenen Umgang mit dem Fest bestimmen und dass ich den respektiere. Ob sie es wegen des unterschiedlichen religiösen Hintergrunds nicht feiern (und wie sie mit diesen gesellschaftlich dann ja doch ziemlich speziellen Tagen umgehen) oder ob sie es trotz des unterschiedlichen Hintergrunds feiern, weil ihnen das Fest gefällt – das ist einfach völlig ihre Sache. Ich würde ihren Erfahrungen mit dem Fest und ihren Gründen, was sie damit machen, wohl interessiert zuhören, aber mich in keiner Weise so einmischen, wie es die Autorin erlebt hat.