„Meinungsvielfalt statt Demokratiefördergesetz“

Marc Henrichmann Foto: Marc Henrichmann


Unser Gastautor Marc Henrichmann (CDU) sieht das Demokratiefördergesetz kritisch.

Eine Demokratie braucht kein Demokratiefördergesetz, sondern überzeugte Demokraten. Dazu gilt es, das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen, Missstände klar zu benennen und Lösungen anzubieten. Wir müssen offen sein gegenüber allen Argumenten aus den Reihen der Demokraten. Das sogenannte „Demokratiefördergesetz“ macht das Gegenteil: Es verengt den Blick und schränkt Meinungsvielfalt ein.

Im März haben wir im Bundestag über das sogenannte „Demokratiefördergesetz“ beraten. Ich habe mich im Plenum skeptisch gezeigt. Denn mit diesem Gesetz nimmt die Bundesregierung die Zivilgesellschaft ans staatliche Gängelband. Das ist für mich nicht ansatzweise vereinbar mit einer selbstbewussten, unabhängigen Zivilgesellschaft.

Dabei scheint es verlockend, sich an die kurze staatliche Leine legen zu lassen: Die Bundesregierung belohnt dies mit dauerhafter Förderung. In den Genuss sollen Gruppen kommen, die sich gegen Extremismus engagieren. Wer sollte schon gegen ein solches wichtiges Anliegen sein? Es lohnt sich aber, genauer hinzuschauen. Erstens erzeugt der Staat Abhängigkeiten. Zweitens arbeiten künftige Förderberechtigte an den Förderrichtlinien mit. Hier praktizieren die Ampel-Parteien das, was sie sonst so gerne als „Lobbyismus“ und „Klientelpolitik“ geißeln.

Nur politisch genehme Weltanschauungen werden prämiert

Drittens, und das ärgert mich am meisten, steht zu befürchten, dass die Bundesregierung vor allem „ihr genehme politische Weltanschauungen prämiert“, wie die NZZ schreibt. Politische Vorfeldorganisationen links-grüner Parteien sollen auf Kosten der Allgemeinheit alimentiert werden. Schon jetzt werde die „moderne Demokratieförderung zunehmend Betroffenengruppen oder Aktivisten mit politischer Agenda anvertraut“, stellt die FAZ fest. Das ist das genaue Gegenteil der viel beschworenen Vielfalt, die eben auch für andere, auf dem Boden der Demokratie stehende Meinungen gelten sollte.

Was mich stört: Ehrenamtliche Organisationen, die sich fürs Gemeinwohl engagieren, werden nach den vorliegenden Vergabekriterien des Demokratiefördergesetzes eher leer ausgehen. Die Freiwillige Feuerwehr oder der Sportverein vor Ort leisten Unschätzbares, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft genauso wie für die Integration geflüchteter Menschen. Das ist demokratiefördernd im besten Sinne. Förderwürdigkeit in den Augen der Bundesregierung? Jedenfalls nicht nach dem „Demokratiefördergesetz.

Verengter Blick auf Rechtsextremismus

Dabei steht außer Frage, dass es eine Vielzahl guter, förderwürdiger Initiativen gegen Extremismus und für Demokratie gibt. Die Bundesregierung verengt aber ihren Blick viel zu sehr auf den Extremismus von rechts. Dieser ist zweifellos eine sehr große, aber eben nicht die einzige Gefahr für unsere Demokratie. Deswegen wäre die Ankunft der Bundesregierung in der 360-Grad-Realität so wichtig.

Die Unionsfraktion setzt sich für eine „Extremismusklausel“ ein, weil jede Form von Extremismus der Demokratie schadet. Wer gefördert wird, soll sich klar zur Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung bekennen. Das fehlt im Demokratiefördergesetz. Linda Teuteberg von der FDP, die selbst einer Regierungsfraktion angehört, hat recht, wenn sie warnt: „Gegen andere Antidemokraten zu sein, macht einen selbst noch nicht zum Demokraten“. Es gibt eben auch Links- und islamistischen Extremismus. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen.

Wir brauchen kein Demokratiefördergesetz

So gut sich das „Demokratiefördergesetz“ anhört, wir brauchen ein solches Gesetz nicht. Das bestehende Zuwendungsrecht erfüllt seinen Zweck. Das auch gelegentlich kritisch beäugte Bundesprogramm „Demokratie leben“ zum Beispiel fördert 600 Projekte mit 200 Millionen Euro, für ein Jahr und nach vorheriger Prüfung. So schön eine dauerhafte Förderung sein mag, der immer engere Spielraum im Bundeshaushalt spricht dagegen. Die Folgen spürt auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), vor der die Kürzungen der Regierungskoalition nicht Halt machen. Das ist für mich, als stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums, völlig unverständlich. Jedenfalls wenn die Bundesregierung mit dem „Rasenmäher“ und nicht nach sorgfältiger Evaluierung kürzt. Denn gerade die Bundeszentrale steht für Meinungsvielfalt – oder sollte doch zumindest dafür stehen.

Denn es gibt Verbesserungsbedarf. Vielfach wird ein politisches Ungleichgewicht beklagt – nicht zu unrecht, wie ich finde. Wir müssen kritisch hinterfragen, was seinen Zweck erfüllt und was nicht. Vor allem müssen wir prüfen, wie und wo wir Menschen erreichen, die sich für Politik und unsere Demokratie vielleicht noch (zu) wenig interessieren, sie vielleicht verachten. Wir müssen hingehen zu den Menschen in Schulen oder Unternehmen. Das meine ich mit aufsuchender politischer Bildung. Da kann und muss die Bundeszentrale besser werden – gerade im Sinne der Demokratieförderung. Aber auch das braucht Geld. Geld, das der politischen Bildung jetzt genommen wird, um es vielleicht der Regierung „genehmen“ Organisationen über ein unausgewogenes „Demokratiefördergesetz“ dauerhaft in die Taschen zu stecken.

Probleme klarer benennen, Meinungen aus dem demokratischen Spektrum zulassen

Was ist die Aufgabe? Meinungsfreiheit muss gestärkt, offensichtliche Probleme müssen benannt werden. Sonst fühlen sich Menschen nicht wahrgenommen. Wer illegale Zuwanderung begrenzen will, ist nicht sofort ein Rechtsextremer. Wer das Selbstbestimmungsgesetz kritisch sieht, sollte nicht gleich von einer grünen Ministerin als reaktionär und menschenverachtend diffamiert werden. Wir müssen wieder lernen, andere Meinungen aus dem demokratischen Spektrum zuzulassen und offen darüber zu diskutieren. Damit erreichen wir mehr für Meinungsvielfalt und für unsere Demokratie als mit einem „Demokratiefördergesetz“. Einem Gesetz, mit dem der Staat seine ureigensten Aufgaben in ein wohl selektiertes politisches Vorfeld verlagern könnte.

Marc Henrichmann gehört seit 2017 der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag an. Der Innenpolitiker ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Coesfeld/Steinfurt II. Zu seinen Themen gehören politische Stiftungen. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
1 Jahr zuvor

„Politische Vorfeldorganisationen links-grüner Parteien sollen auf Kosten der Allgemeinheit alimentiert werden.“
Darum geht es.
Man mache sich dabei nichts vor, auch „Initiativen zur kritischen Aufarbeitung des Kolonialismus mit Fokus Nahost“ werden zu den Begünstigten gehören. Islamismus gibt es schließlich nicht, nur Islamophobie.

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