So viel Hysterie gab es schon lange nicht: Menschenversuche durch die Mörderlobby! Heiliger Bimmbamm, erstmal durchatmen. Was war los? Schwer zu sagen. Unter den panischen Schreien ist kaum eine Information aufzufinden. Noch bevor der durchschnittliche SZ-Artikel überhaupt zu erklären in der Lage ist, worum es geht, distanziert sich schon die Autoindustrie. „Wer auch immer dafür Verantwortung zu tragen hat, ist selbstverständlich zur Rechenschaft zu ziehen“, sagt bereits VW Chef-Kontrolleur Pötsch. Rübe ab, mindestens! Wofür? Egal. Ab jetzt wird ernst gemacht: Tests an Affen oder sogar an Menschen sind „ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen“, wie uns Steffen Seibert versichert, weswegen zukünftig alle Medikamente ungeprüft auf den Markt kommen werden. Schon werden personelle Konsequenzen gefordert und natürlich die gute alte Aufklärung. Lückenlos, schonungslos, ultra-brutal. Der Tagesanzeiger weiß, wie es läuft: „Forschen bis es passt“, titelt er. Denn: „Die Autokonzerne versuchten systematisch, die Folgen von Abgasen schönzureden. Nun gibt man sich empört. Doch einige Manager wussten Bescheid.“ Moment, haben die Affen etwa die Ergebnisse gefälscht? Heimlich die Luft angehalten, um keine Vergiftungszeichen zu bekommen?
Kurz dachte man, der Skandal wäre, dass Affen benutzt wurden. Aber da kommt schon das Lobby-Dings. Die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) wurde von der Autoindustrie finanziert und hat ihrerseits Forschungen unterstützt, die, so Tagesanzeiger, dazu dienen „Dieselabgase zu verharmlosen und so den Konzernen hohe Investitionen in die Schadstoffreinigung zu ersparen“. Das ist zwar eine Unterstellung, die nirgends belegt wird, aber egal. Zwar wäre es auch irgendwie doof, wenn Konzerne keinerlei Forschungen über die Umwelt- und Gesundheitsschäden ihrer Produkte anstellen würden, aber da genau hinzuschauen befürworte ich gerne. Bloß wo ist der Zusammenhang? Die Tatsache, dass Affen verwendet wurden, genügt der hyperventilierenden Öffentlichkeit bereits, um als erwiesen anzusehen, dass der Feind die Ergebnisse schönt. Ist ja auch logisch: Wer zu derartiger Grausamkeit fähig ist, der schreckt auch vor gefälschten Zahlen nicht zurück. Man kann solche Tests wohl auch ohne Affen durchführen. So sagte Tobias Stöger vom Helmholtz-Zentrum bereits am 26.1. in der SZ: „Den meisten Fragen könne man auch durch Versuche mit anderen Tieren wie etwa Ratten nachgehen oder auch mit Menschen.“
Moment! Menschen??? Was am 26. noch eine beruhigende Alternative zu Cheeta war, stellt sich wenige Tage später als grausames Folter-Experiment heraus. Die haben sogar Menschenversuche gemacht. Trockenen Mundes klickt man sich durch die Horror-Meldungen. Man liest so oft „Diesel-Skandal“ dass man das „schon lange vor dem …“ gar nicht mehr wahrnimmt. Man liest beim NDR, dass „diese Studie … zwar durch die Ethik-Kommission des Klinikums genehmigt“ war. Aber: „Die Finanzierung durch die Autoindustrie macht aber auch sie verdächtig.“ Nie mehr werden wir irgendeiner Untersuchung trauen können, nach dieser erschütternden Enthüllung. Verdacht! Was könnte schlimmer sein?
Zur Verschleierung wurden da noch nicht einmal Abgase getestet. Sondern Stickoxid-Belastung am Arbeitsplatz. Dreist auch das Vorgehen der Uniklinik Aachen, die sich erlaubt, in einer sachlichen Pressmitteilung zu erläutern, was da erforscht wurde und dass da niemand zu Schaden kam. Zu Recht titelt Blick.ch: „So billig redet sich die Uni Aachen raus“.
Was also passiert ist? Soweit ich den Dschungel aus Herzattacken und Empörungskakophonie durchblicke:
1. Es wurden Affen zu Untersuchungen verwendet, für die vermutlich auch weniger menschenähnliche Tiere hätten verwendet werden können (eine konkrete Stellungnahme dazu, was dort eigentlich genau untersucht wurde und wie begründet wurde, gerade Affen zu nehmen, ist mir nicht begegnet).
2. Eine Studie zu Luftbelastungen am Arbeitsplatz wurde von einer Vereinigung finanziert, die als Lobbyvereinigung gilt.
Was, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht passiert ist:
1. Es wurde nicht betrogen.
2. Es wurden keine Ergebnisse geschönt.
3. Es wurden keine Menschen gequält oder geschädigt.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Bento, das in seiner bedrückenden Enthüllungsstrecke über Menschenversuche sowohl auf unkorrekte Versuche an Kindern verweisen kann (gut, war schon zwischen 1950 und 1975, aber KINDER!) als auch, fast noch schlimmer, darauf, dass sich bei einem Evakuierungstest für den A380 jemand ein Bein gebrochen hat. Aua.
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der Versuch an 82.521.653 Menschen in Deutschland ist sicher kritischer zu bewerten:
http://www.tagesschau.de/ausland/bruessel-luftverschmutzung-101.html
Hendricks bei Umweltkommissar
Dicke Luft in Brüssel
Umweltministerin Hendricks ist heute bei der EU-Kommission in Brüssel. Sie muss sich zu den viel zu hohen Stickoxid-Werten in deutschen Städten erklären …
Ich glaube der Punkt ist das es vielen Menschen reicht…zumindesten auf Facebook habe ich so den Eindruck das immer mehr Menschen sich gegen Tierversuche, Tierquälerei einsetzen. Bestes Beispiel ist derzeit in den Nachrichten dieser Jäger der erst einen Löwen erschossen hat und danach dann selbst von einer Kugel tödlich getroffen wurde. Ich hab mir die Kommentare dazu genau angeguckt und da war kaum einer der auch nur eine Spur von Mitleid für den Jäger hatte. Daher denke ich das diese Geschichte hier jetzt das Faß zum überlaufen überlaufen gebracht hat.
Offensichtlich werden sich immer mehr Menschen bewußt was für ein Chaos der Mensch der Fauna und Flora auf diesem Planeten antut.
Ich sehe das so: Wir Menschen sind die dominante Spezies auf diesen Planeten, wir können uns nahezu an jeden Lebensraum auf diesen Planeten anpassen (natürlich meistens immer mittel Tedhnologie), viele Tiere können das aber nicht. Deswegen denke ich wir Menschen eine biologische Pflicht haben auf die Fauna und Flora auf diesen Planeten aufzupassen und sie nicht sinnlos zu töten.
Es ist erstaunlich, wie weltfremd Journalisten sein müssen, um in diesen Fällen Skandale zu erzeugen.
Von den Vertretern der Autoindustrie hatte ich mir auch differenziertere Statements gewünscht.
Vielleicht sieht man als altes Ruhrgebietskind die Luftverschmutzung auch einfach gelassener und freut sich über die Verbesserungen der letzten Jahre
Guten Abend Herr Robert von Cube.
Ich finde ihren Text hier auf Ruhrbarone gut geschrieben. Witzig, und mit der nötigen Schärfe gegenüber diesen ganzen Zirkus.
Ich finde es auch wichtig aufzuzeigen was für ein Nullskandal der wissenschaftliche Versuch mit den freiwilligen Testpersonen ist.
Ich muss aber leider auch feststellen das die inhaltlichen Aussage des Textes sonst schlicht und ergreifend falsch ist.
Sie behaupten es sei in der Presse nicht ersichtlich was jetzt an den Versuchen an Affen verwerflich sei.
Nach einer kurzen Googlesuche könnte ich durch die deutschen Leitmedien folgendes erfahren:
Der Versuchsaufbau bestand darin daß man die Affen Abgase eines, auf einen Prüfstand stehenden, VW Beetles einatmen ließ. Als Vergleich hat man das gleiche mit einen Ford F 250 (Pick – Up) aus den Jahre 1999 gemacht.
Ist dieser Versuch schon eher Fragwürdig, dank erwartbarer Ergebnisse, wird er dadurch zusätzlich entwertet da der Versuchsleiter selbst vermutet daß die VW Betrugssoftware eingeschaltet war, weswegen die Studie nicht einmal veröffentlicht worden ist.
Also fallen zwei Punkte ihres Kenntnisstandes weg.
Die Studie mit den Affen war schon darauf ausgelegt ein eher geschöntes Ergebniss zu liefer und es liegt ein starker Verdacht vor das sogar von Seite der Autohersteller dabei betrogen worden ist.
Jetzt kann man von Tierversuchen meine wass man will. Ich halte sie unabdingbar für die Wissenschaft. Aber gerade deswegen finde ich diesen sogenannte Studie auch so unethnisch. Für einen besseren Werbegag macht man das einfach nicht!
@ Christian Perzl
Da schließe ich mich gerne an.
Und was sonst noch?
Es ist doch bekannt, welche Bestandteile, die so aus den Auspuff geblasen werden, schädlich sind und die sind messbar (oder auch nicht, wenn man die entsprechende Software einsetzt…) ohne dass man Affen in irgendwelche Versuchsboxen setzt. Dieser Test war also vor allem eines: überflüssig!
Es gibt zigtausende Wissenschaftler, die Forschungen betreiben – und sadistische Tierquäler, die sich jeden Tag nur so aus Jux und Dollerei neue Torturen ausdenken oder irre Dr. Marbuses, die Experimente machen nur um auszuprobieren, was so geht, dürften da die krasse Ausnahme sein.
Diese pööse Öffentlichkeit und die noch pöööseren Medien, die hyperventilierend der Autoabgasindustrie gefälschte und/oder geschönte Zahlen unterstellen. Unverschämtheit, die braven Autobauer solchen Tuns zu verdächtigen.
Im Ernst: der Artikel ist zwar amüsant zu lesen, aber inhaltlich der blanke Unfug in Sachen Autoindustrie.
@Christian Perzl: "Die Studie mit den Affen war schon darauf ausgelegt ein eher geschöntes Ergebniss zu liefer und es liegt ein starker Verdacht vor das sogar von Seite der Autohersteller dabei betrogen worden ist."
So stimmt es nicht.
Die "Affen"-Studie selbst wurde mit dem zu erwartenden Ergebnis durchgeführt, dass die Beetle-Abgase trotz der Schummelsoftware in den Affenlungen weit schlimmere Wirkungen erzeugten als die des Vergleichsautos, eines Ford-Pickup Baujahr 1997.
Dieses Ergebnis schmeckte dann ebenso erwartbar der Autoindustrie als EUGT-Sponsor und Hintergrund-Auftraggeber nicht und deshalb wurde es so nie veröffentlicht – erst 2017 gab es eine finale Ergebnis-Version für den internen Gebrauch bei der EUGT (die dann von den Stuttgarter Nachrichten entdeckt wurde), die aber dann wg. der Insolvenz der EUGT – welch strategisch günstiger Zeitpunkt – auch nicht veröffentlicht wurde.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diesel-affaere/geheimer-laborbericht-enthuellt-tierversuch-ergebnis-15425552.html
@Klaus Lohmann
Ja, den Faz-Artikel hab ich heute auch schon gelesen… und ab da hatte ich das Verlangen meinen Kopf gegen die Tastatur zu schlagen.
Das ist die Kirsche auf den Haufen….
ich werf das aber keinen vor das er das unterschlagen hat, soweit ich sichten kann, ist das in den deutschsprachigen Medien heute zum ersten Mal pupblik geworden.
Und man mag es nicht glauben, aber wenn das so stimmt, war der Test und seine Resultate nicht einmal unsonst.
Was natürlich in keinsterweise die Auftraggeber von unwissenschaftlichen und ,-ethnisch Verhalten freispricht
@@Christian Perzl: Ähnlich sind die Medien in ihrer Copy+Paste-Wut ja auch nach den ersten "Menschenexperiment"-Vorwürfen mit "Dr. Frankenstein" Prof. Kraus umgesprungen, den ich noch als äußerst engagierten und mahnenden Arbeitsmediziner im Envio-Prozess kenne.
Man muss VW, Daimler & Co. mittlerweile attestieren, dass sie mit Hilfe der unbedarften Medien den letzten Rest Stolz und Vertrauen auf deutsche Forschung und Wissenschaft auch noch klein kriegen, wenn sie ihr Lügengeflecht weiter so strammziehen.
Menschenversuche sind doch auch in Deutschland keine Ausnahme, sondern die Regel. Nach Abschluss der vorklinischen Studien an Tieren bei der Zulassung von Medikamenten schließt sich die Erprobung bei Menschen an.
Sie gliedert sich grundsätzlich in drei Phasen:
Phase I – Erprobung mit wenigen Gesunden (den Probanden)
Phase II – Erprobung mit wenigen Kranken
Phase III – Erprobung mit vielen Kranken
Oft handelt es sich bei den Phasen II und III um Probanden mit schweren Erkrankungen die, austherpiert sind. Man findet sie in den onkologischen Stationen der Kliniken.
@7 K. LOhmann:
Dasss Studien bei einem nicht gewünschten Ergebnis nicht oder erst sehr spät veröffentlicht werden ist insbesondere in der Politik ärgerlich.
Hier zeigt sich bspw. die EU wieder als Europa der Konzerne im Bereich Leistungsschutzrecht.
http://www.zeit.de/digital/internet/2017-12/leistungsschutzrecht-presseverleger-eu-kommission-haelt-studie-zurueck
Der Bürger zahlt die Studien, sie werde nicht / verspätet veröffentlicht und die Entscheidung wird vermutlich wieder gegen den Bürger/den gesellschaftlichen Nutzen und für die Groß-Konzerne erfolgen. Dies wird wieder zeigen, warum unsere Spitzen-Eurokraten so beliebt sind.
Die Arbeit von Frau Reda zeigt auch, dass wir doch noch einige Technik-nahe Piraten vermissen werden.