Merkels Freude und Bin Ladens Tod

Gestern wurde Osama bin Laden von einem US-Kommando in Pakistan getötet. Am Mittag hörte ich dann im Radio Bundeskanzlerin Angela Merkel den Satz sagen „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ Das fand ich ehrlich. „Manchmal  ist sie  einfach cool“ dachte ich. Denken aber nicht alle. Hannes auf Zoom:

Israel hat den Verbrecher Eichmann entführt und ihm den Prozess gemacht. Der Prozess hat der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der geschichtlichen Erkenntnis gedient.  Als “Banalität des Bösen” hat Hannah Arendt die Person und die Verbrechen des Mörders Eichmann in unserem politisch-kulturellen Gedächtnis verankert. Eichmann ist von einem Gericht zum Tode verurteilt worden.

(…)

Dieser Osama bin Laden hätte entmystifisziert werden müssen – als die Banalität des Terrors.

Ich wünsche, trotz aller Bedenken, dass dies Unterfangen, so es existiert, noch gelingt. Ich befürchte, dass es sehr schwer wird.

Vor allem unter meinen Facebook-Freunden gibt es einen erbitterten Streit um diesen Satz von Merkel. Sicher, ein Prozess gegen bin Laden hätte ihn entmystifizieren können. Und wäre gut gewesen. Aber ob er hätte überhaupt verhaftet werden können weiß ich nicht – und wir werden es nie wissen. Bin Laden er starb in einer Kampfsituation, er starb in einem Krieg, den er begonnen und gewollt hat. Merkels Freude über den Tod eines Massenmörders kann ich verstehen. Der Mann kämpfte Zeit seins Lebens gegen die Freiheit, gegen die Gleichbgerechtigung der Frau und für Unterdrückung. Warum sollte man am Tag seines Todes  trauern?

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allemachtdendrähten
allemachtdendrähten
13 Jahre zuvor

Wenn ich Vergleiche zwischen einem Bin Laden und Eichmann ziehe, dann sehe ich einen demokratischen Staat der den Massenmörder Eichmann vor ein Gericht stellte und ihn dort aburteilte. Im anderen Fall sehe ich einen demokratischen Staat der sich diese Mühe erst garnicht macht und Richter und Henker in ein und der selben Minute ist.

Mit-Leser
Mit-Leser
13 Jahre zuvor

… na ja: Ein Prozess wäre rechtsstaatlich gewesen. Jemanden umbringen kann fast jeder – aber „fair“ bleiben ist eine (Staats-)Kunst.

Mich stört das wirklich enorm, dass im Zusammenhang mit solchen Ereignissen ständig Worte wie „cool“ etc. fallen. Mir kommt das hier manchmal vor wie ein Spielplatz großer (mir größtenteils trotzdem sympathischer) Jungs in der Midlife Crisis, die sich in der Rolle des Säbel rasselnden Freiheitskämpfers gefallen. Aber wie schon gestern gesagt: ich glaube, es bringt aktuell nichts hier zu diskutieren. Doch als regelmäßiger Leser kann ich trotzdem nicht aufhören meine Meinung zu sagen.
😉

Ich erinnere mich daran, dass ich neulich zu später Stunde auf einer Party ein ähnliches Gefühl hatte. Da sagte einer ständig „W-i-r müssen da kämpfen, w-i-r müssen die vernichten…“ Ich bin auch kein naiver Pazifist. Man muss manchmal leider kämpfen, um sich zu verteidigen. Aber Krieg und Tod sind keine „coolen“ Themen. Mir erscheinen manche Freunde derzeit ungewöhnlich „kriegslüsternd“ und „gewaltaffin“.

trackback

[…] darf ausschliesslich ostwärts über den Atlantik gehen. Ausserdem ist es menschlich, allzumenschlich. Alle Kriegsparteien haben immer davon gelebt, unsere Feinde emotional auszubürgern. Aus der […]

Dirk Haas
Dirk Haas
13 Jahre zuvor

@Mit-Leser (#2): Bei der Verrohung der Mittelschichten und ihrer „entsicherten wie entkultivierten Bürgerlichkeit“ (Heitmeyer) bleiben auch Ruhrbarone nicht ausgespart.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Dirk @ Mitleser

Ihr macht es euch nach meiner Einschätzung zu einfach.

Der Hass auf Terroristen, und ich verspüre den immer wieder auch selbst, liegt ja in der Tatsache, dass sie keinen normalen Krieg führen sondern systematisch und nicht als sogenannten Colateralschaden unschuldige und unbeteiligte Zivilisten auf sehr grausame Art und Weise töten und verletzen. Dazu kommen Brutalitäts- und Abschreckungsrituale wie z.B. das Köpfen von Gefangenen vor laufender Kamera.

Die dadurch entstehende emotionale Rachebereitschaft beim breiten Medienpublikum dieser Verbrechen kann man deswegen, glaube ich, nicht einfach als Verrohung der Mittelschichten bezeichnen bzw. sozialpsychologisch auf den Begriff zu bekommen versuchen. Hinzu kommt, dass die meisten die sich da mehr oder weniger situativ als Kämpfer simulieren in Wirklichkeit natürlich klein beigeben oder sich zurück ziehen würden.

Krieg und Terror sind beileibe keine coolen Themen, aber es ist das martialische Auftreten und die (Ver)Kleidung der Gotteskrieger selbst, die natürlich nichts anderes als deren bewusste Selbstinszenierung als „coole“ Kämpfer sein soll. Es ist also nicht erstaunlich, dass auf der Gegenseite der selben Prozesse passieren. Ähnlich wie in Videospielen.

Das alles hat aber nichts mit genereller Kriegslüsternheit zu tun. Die war z.B. vor dem ersten und zweiten Weltkrieg in Deutschland um ein vielfaches größer als alles was zur Zeit bei uns zum Kampf gegen den Terror privat und öffentlich gesagt wird. Und das ganz ohne brutalste Gotteskrieger und weltweite terroristische Anschläge.

Hinzu kommt, dass die Terroristen um Bin Laden nicht vorrangig einen Beute- sondern einen Wertekrieg führen. Da wird natürlich noch eine ganz andere Art der Betroffenheit hervorgerufen, auch bei mir selbst. Diese Leute stehen gegen fast alles was mir politisch, sozial und kulturell wichtig ist. Da ist es nicht einfach rational, abwägend und fair zu bleiben. Da , und ich sage es hier nochmal, kommt auch bei mir Freude auf, dass Bin Laden tot ist. Obwohl ich die Argumente über Gericht und Gerechtigkeit teile.

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

Wenn es so, so wie sie (die Bundeskanzlerin) sich äußerte, „…einfach cool.“ ist, dann sind Gesetze, Verfassungen wohl unnötig. Aber es geht ja glücklicherweise nicht darum, was „…cool…“ ist (Ist dieser Ausdruck immer noch nicht ‚out‘? …), es geht immer noch um Rechtsstaatlichkeit. Aber die erwähnte Person, die da angeblich so „cool“ war, ist (wie wir alle) ein Mängelwesen. Ihre Mängel sind u.a. angemessene Rhetorik, Mimik, Gestik. Wann immer sie auftritt, finde ich sie nicht „cool“, sondern peinlich. So auch, als sie sich gestern so unverhohlen freute.

Olaf Mertens
Olaf Mertens
13 Jahre zuvor

Kein vernünftiger Mensch ist traurig über den Tod von Bin Laden, glaube ich. Wenn Frau Merkel gesagt hätte, dass sie einem fairen Prozess gegen ihn den Vorzug gegeben hätte, wäre das m.E. auch noch kein völkerrechtliches Kurzgutachten gewesen, hätte aber gezeigt, dass sie an Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht glaubt. Ich persönlich glaube nicht, dass die Verantwortlichen in den USA einen solchen Prozess angestrebt haben. Schade drum!

Mit-Leser
Mit-Leser
13 Jahre zuvor

@Arnold Voss. Sie sagen es: Es ist nicht einfach. Und weil es nicht einfach ist, ist es für Sie auch nicht einfach ihre Freude über Bin Ladens Tod zu unterdrücken. Und das ist: einfach menschlich. Aber ein „wirklich cooler“ Rechtsstaat sollte über dieser uns allen dann und wann innewohnenden Einfachheit thronen.

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

zu #7 Stefan Laurin „…Aber Merkel ist Politikerin und keine Verfassungsrichterin…“

Lustig, so ähnlich argumentierte sie ja, als es um den Vorgänger des jetzigen Verteidigungsministers ging. Er war ja nicht wegen wissenschaftlicher Qualitäten in der Regierung usw. …

Na klar, ist sie keine Verfassungsrichterin! Das wäre ja auch noch schöner! Bzw., das wäre fürchterlich – da keine Teilung der Gewalten mehr. Aber sie, die per Amt, die Richtlinien der Regierungspolitik bestimmt, muss, per Verfassung, auf der Grundlage der Verfassung, von Gesetzen, handeln. Und damit stimmt das, was sie ausdrückte (unverhohlene Freude über den Tod von O.) überein?!

ch_we
ch_we
13 Jahre zuvor

Ich glaube, das ist letztendlich eine Spielart deutscher Vergangenheitsbewältigung. Nach dem zweiten Weltkrieg, der als von den Deutschen begonnener totaler Krieg mehr tote Zivilisten hervorgebracht hat als es Al-Qaida und die Taliban jemals hinkriegen können, haben die Alliierten mit den Nürnberger Prozessen das moderne Völkerstrafrecht eigentlich erst begründet. In Deutschland hat man dies schon damals nicht sonderlich gemocht, sondern als „Siegerjustiz“ verurteilt.

Von daher wundert mich die unverhohlene Freude gegenüber dem Tod Bin Ladens erstmal nicht so besonders. Die Akzeptanz völkerrechtlicher Normen hat es halt schwer in diesem Land. Besonders schön konnte man das bei Henryk M. Broder in der Welt studieren. Letztendlich geht es dabei um eine Identitätskonstruktion: Sind „wir“ die „deutschen Bedenkenträger“ oder die „coolen Kämpfer gegen den Terror“, der uns all die westlichen Errungenschaften von Wein, Weib und Gesang verbieten will? Natürlich geht das wie bei jeder Identitätskonstruktion nicht ohne Zerrbilder und Stereotypen, klar. Der Westen ist ja leider auch nicht so verlottert, wie es die Jihadis gerne darstellen. Aber „deutsche Bedenkenträger vs. coole Kämpfer“ ist insofern problematisch, weil das Bedenkenträgertum in Sachen „Deutschland führt Krieg“ eine der zivilisatorischen Errungenschaften ist, die die Alliierten hier (u.a. durch die völkerrechtlich vorbildlichen Nürnberger Prozesse und ihre Nachfolgeprozesse) erst mühsam durchsetzen mussten. Der „coole Deutsche“ ist dagegen der alte Chauvinist, egal der Nachname Fischer, Broder oder Merkel lautet.

Höddeldipöpp
Höddeldipöpp
13 Jahre zuvor

Nachdem die Kanzlerin schon ihre Verachtung gegen Prinzipien der Wissenschaft kundtat, indem sie Guttenberg ’nicht als wiss. MA, sondern als Minister‘ zu beschäftigen beabsichtigte, zeigt sie nun ihre Verachtung gegenüber rechtsstaatlichen Prinzipien.

Mir ist es kalt den Rücken runtergelaufen, als ich diesen Satz gehört habe. Für ein öffentliches Statement einer Bundeskanzlerin ist er geradezu verfassungsfeindlich.

Offensichtlich heiligt immer mehr der Zweck jedes Mittel. Auf Gesetz, Wissenschaft, Demokratie und Verfassung (und natürlich auf das Volk) pfeift man.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

Das Wort „Freude“ ist in dieser Situation völlig unangebracht. Die USA haben einen Massenmörder zur Strecke gebracht und ich bin gewiss nicht in der Lage, das zu verurteilen. Ich gehe dabei davon aus, dass weder die USA noch Bin Laden selbst ein Interesse an einem Prozess in den USA oder in Den Haag gehabt hätten. Insofern ist es folgerichtig, dass die Aktion mit dem Tod Bin Ladens enden musste – völlig unabhängig davon, mit welcher Zielrichtung sie durch die USA geplant war. Die Welt wird ohne Bin Laden eine bessere sein.

Ich finde allerdings auch, dass man erleichtert, vielleicht sogar allenfalls befriedigt sein kann. Freude aber ist ebensowenig angebracht wie Trauer. Von einer Bundeskanzlerin erwarte ich in solch einer Situation Haltung, keine Stammtischparolen.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Oliver Fink

Ich stimme ihnen in jedem Satz zu. Und trotzdem hat es mich im ersten Moment gefreut, dass es Bin Laden nicht mehr gibt. Es ist einfach zu selten, dass solche Leute für ihre Verbrechen zahlen müssen. Sorry.

Tom
Tom
13 Jahre zuvor

@ Oliver Fink

Sie schreiben, dass die USA kein Interesse an einem Prozess in den USA oder in Den Haag gehabt hätten.

Ähnlich wurde das auch gestern in den Medien kommentiert, es wurde gefragt: Was wäre geschehen, wenn Bin Laden vor Gericht ausgepackt hätte?

Jetzt hat man Bin Laden einfach exekutiert. Man darf gespannt sein, wie die Verschwörungstheorien aussehen. Oder aber die wikileaks Enthüllungen.

„Cool“, d.h. richtig, wäre es gewesen, Bin Laden gefangen zu nehmen, ohne ihm ein Haar zu krümmen, um dann die Aufklärung und Verurteilung einem unabhängigen Gericht zu überlassen.

Dieter Carstensen
13 Jahre zuvor

„Freude“ über den Tod eines anderen Menschen ist mir fremd. Dass ein Mensch für böse Taten bestraft wird, finde ich richtig, aber ich bin absolut gegen jede Form der Todesstrafe, auch bei Leuten wie Osama bin Laden.

Ich finde, man stellt sich damit auf dieselbe primitive Stufe wie die Täter, nach dem alttestamentarischen Bibelspruch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

Das Bin Laden gefasst wurde, freut mich, aber die USA Navy Seals Aktion kommt mir ein bisschen komisch vor. Wenn der Mann überlebt hätte, vor Gericht gekommen wäre, was hätte er alles ausgeplaudert?

Diese Chance wurde vertan und die Medien berichten ja mehrheitlich immer kritischer über den Einsatz.

Da werden wohl in den nächsten Tagen noch viele offene Fragen auftauchen, aber in jedem Fall bin ich der Meinung, dass es keinem Menschen zusteht, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, egal was für ein schlimmer Verbrecher er war, das widerspricht allen meinen ethischen und moralischen Vorstellungen, für mich ist das Barbarei und pures Mittelalter!

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@Tom:

In einer idealen Welt wäre es in der Tat richtig – und meinetwegen auch „cool“ – gewesen, Bin Laden vor ein ordentliches Gericht zu stellen. In der Welt, in der wir gerade real leben, gibt es für mich Wichtigeres, als genau diesen Massenmörder unbedingt vor Gericht zerren zu müssen. Ich kann mit dem Stand der Dinge leben.

Und mich interessiert eigentlich auch nicht wirklich, was „Herr Laden“ (Hagen Rether) vor einem Gericht von sich gegeben hätte. Jemand, der mit allergrößter Wahrscheinlichkeit seine eigene Frau als Schutzschild benutzt hat, hat mir nichts mitzuteilen, das irgendeine Relevanz besitzen könnte.

Tom
Tom
13 Jahre zuvor

@ Oliver Fink

hätte es nach Ihrer Logik dann auch keine Nürnberger Prozesse geben dürfen?

oder den Prozess gegen Adolf Eichmann?

Die führenden Nazis waren ja nun wirklich Kandidaten für die Todesstrafe, so man sie denn befürwortet (ich nicht). Trotzdem hat man mit ihnen nicht einfach „kurzen Prozess gemacht“.

Ich finde es wichtig, die Hintergründe zu erfahren – auch für eine effektive Terrorbekämpfung –, und möchte schon gar nicht, dass jahrelang wild spekuliert wird: „Verschwörungstheorien“.

Mit-Leser
Mit-Leser
13 Jahre zuvor

@Fink: „In einer idealen Welt“? Rechtsstaatliche Prinzipien kann man nicht nach Gutdünken relativieren und im Stile einer Bananenrepublik je nach Bedürfnislage zurechtbiegen.

Cowboyaktionen wie die Exekutionen Bin Ladens höhlen das aus, was sie eigentlich verteidigen sollen. Punkt.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Tom

Ein Märtyrer wird man nicht vor einem Gericht, sondern wenn man im sogenannten Kugelhagel stirbt. Und Bin Laden wollte mit Sicherheit ein Märtyrer werden.

Er hätte auch nicht mehr vor Gericht erzählt als die Welt schon weiß bzw. wissen könnte, wenn sie denn wollte. Die USA hätten also auch von Bin Laden vor Gericht nichts zu befürchten gehabt. Mit jedem Satz zuviel hätte er nämlich auch seine eigenen Leute und Unterstützer gefährdet.

Mit-Leser
Mit-Leser
13 Jahre zuvor

@Laurin: Weil wir beide genau wissen, wie Kommunikation funktioniert. 😉

Mit-Leser
Mit-Leser
13 Jahre zuvor

@Laurin: Nehmen wir einmal an, es wäre tatsächlich „im Kampf“ passiert. Hätte man dann auf „unserer Seite“ nicht sagen müssen: Leider ist es uns nicht möglich gewesen, Bin Laden den Prozess zu machen“? Hier geht es vor allem darum, dass Merkels Aussage zum Töten von einem gewissen Herrn Stefan Laurin als „cool“ empfunden wird.

Dieter Carstensen
13 Jahre zuvor

Ich zitiere mal aus tagesschau.de:

„Kommentar zum Tod Bin Ladens
Eine ganz einfache Rechnung

Was ist das für ein Land, das eine Hinrichtung derart bejubelt? Zivilisierte Nationen haben einst das Völkerrecht geschaffen. Sie verständigten sich darauf, dass Verbrecher vor Gericht gestellt und nicht einfach getötet werden. Die Welt ist mit dem Tod Bin Ladens nicht sicherer geworden, meint Jörg Schönenborn. Aber Präsident Obama ist seiner Wiederwahl näher gekommen.“

Link: https://www.tagesschau.de/kommentar/kommentarschoenenborn100.html

Yaku
Yaku
13 Jahre zuvor

@Dieter Carstensen

„Ich finde, man stellt sich damit auf dieselbe primitive Stufe wie die Täter, nach dem alttestamentarischen Bibelspruch “Auge um Auge, Zahn um Zahn”.“

Oh bitte, nicht auch noch hier dieses fürchterliche Klischee. Informiert euch dort erst einmal, bevor immer wieder diese Patzer passieren.

Wie Nahost-Kommentatoren mit einem biblischen Zitat umgehen

Von Richard Chaim Schneider
Süddeutsche Zeitung, 13.4.02

Wenn Journalisten und Politikern zum Thema Nahost nichts mehr einfällt, dann werden sie gerne biblisch und zitieren aus einer Passage des Buches Exodus, Kapitel 21, Vers 23/24: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Eine ideale Beschreibung der Situation in Israel, meinen sie, weshalb diese Formel gerne für Artikelüberschriften oder ganze Titelseiten verwendet wird. Denn sie ist knapp und angeblich treffend: Die Israelis seien nämlich ebenso rachsüchtig wie ihr alttestamentarischer Gott, meinen jene Bibelkenner. Das jüdische Prinzip „Rache“ stünde also der christlichen „Nächstenliebe“ diametral gegenüber – im Grunde gäbe es darüber hinaus nichts dazu zu sagen. Auf diese Weise werden 2000 Jahre christlicher Antijudaismus in einem Zitat aufgefangen, und niemand fragt danach, ob dessen populäre Interpretation überhaupt richtig ist.

https://www.nahost-politik.de/israel/bibel.htm

Antijüdisches Klischee

Viele Menschen erklären die Politik Israels gegen die Palästinenser mit typisch jüdischer Rachsucht – und sitzen damit einem christlich inspirierten Vorurteil auf. Denn in der Thora ist „Auge für Auge“ zu lesen, nie „Auge um Auge“. Ein Essay zur Klärung einer Differenz

https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2002/03/02/a0287

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@Tom:

Der Unterschied zwischen „brauche ich nicht“ und „will ich nicht“ ist Ihnen bekannt? Wie erklärt man in Kenntnis dieses Unterschieds die Formulierung: „hätte es nach Ihrer Logik dann auch keine Nürnberger Prozesse geben dürfen?„?

@Mit-Leser:

Die rechtsstaatlichen Prinzipien sind durchaus ein wichtiger Punkt. Allerdings lassen sich diese in einem Staat wie Pakistan wohl kaum durchsetzen. („Herr Laden, würden Sie bitte mit auf die Wache kommen? Der Herr Obama hat sie angezeigt. Wir müssten da zunächst mal ein Protokoll aufnehmen. Haben Sie einen Anwalt oder soll Ihnen ein Pflichtverteidiger gestellt werden?„) In der Abwägung zwischen einer Kommandoaktion in einem failed state und dem Risiko, dass sich Bin Laden erneut absetzt, haben die Amerikaner aus meiner Sicht keine optimale, aber eine angesichts der Situation durchaus akzeptable Lösung gefunden.

Ich gebe weiterhin zu Bedenken, dass Bin Laden kein normaler Krimineller ist, sondern der gesamten Bevölkerung des Westens und insbesondere den USA den Krieg erklärt hat. Nach meiner Kenntnis sieht das Recht für solch asymmetrische Kriegsführung zurzeit noch keine ausreichend sicheren Regeln vor. Kurz: Ich habe hohen Respekt vor der Entscheidung Obamas und der Leistung der Navy Seals, die unsere Welt zu einer besseren gemacht haben. Ich hätte es lieber rechtlich einwandfrei geregelt gehabt. Aber wichtiger ist mir, dass es überhaupt geregelt wurde.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Mitleser #19

Der Begriff der Exekution bedeutet die Erschießung eines Wehrlosen. Bin Laden war aber das genaue Gegenteil von wehrlos. Selbst wenn er absichtlich erschossen worden wäre, hätte es sich also nicht um eine Exekution gehandelt.

Das was dieser Mann aber seinen Leuten weltweit befohlen hat waren Exekutionen. Terror ist nämlich nichts anderes als die absichtliche Tötung Wehrloser.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

Keiner der Beteiligten hatte ein Interesse an einem Prozess. Gut, dass wir dies so weit schon mal klar haben. Bleibt noch die Frage, ob bin Laden im Gefecht gefallen sein soll, oder Opfer eines Todeskommandos geworden ist.
Beide Versionen böten beiden Seiten jeweils Vor- und Nachteile; vermurlich sind deshalb beide Seiten auch noch etwas unentschlossen, für welche Variante man sich entscheiden soll.
„Osama bin Laden stirbt im Kugelhagel“ ist freilich der Stoff, aus dem die T-Shirts sind. Andererseits: die Amis kommen vorbei und knipsen ihn einfach ohne nennenswerten Widerstand aus, ist für das Image der USA – jedenfalls in Europa – auch nicht so das Richtige.
Schwierige Sache. Halten wir fest: bin Laden ist tot. Irgendwie auch im Interesse beider Seiten.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Dieter Carstensen #26

Danke für das Zitat und den Link.

„Was ist das für ein Land, das eine Hinrichtung derart bejubelt? Zivilisierte Nationen haben einst das Völkerrecht geschaffen. Sie verständigten sich darauf, dass Verbrecher vor Gericht gestellt und nicht einfach getötet werden. Die Welt ist mit dem Tod Bin Ladens nicht sicherer geworden, meint Jörg Schönenborn. Aber Präsident Obama ist seiner Wiederwahl näher gekommen.”

Glauben sie Dieter, dass der Mann das gleiche gesagt hätte, wenn 9.11 in Deutschland passiert wäre? Oder wenn wir hier statt der verhinderten Terroranschläge der letzten Jahre schon ein paar gelungene hinter uns hätten?

Und was die „Hinrichtung“ betrifft, habe ich mich zum Begriff der Exekution hier schon geäußert. # 19

Tom
Tom
13 Jahre zuvor

@ Oliver Fink #28

Sie schreiben: „Die rechtsstaatlichen Prinzipien sind durchaus ein wichtiger Punkt. Allerdings lassen sich diese in einem Staat wie Pakistan wohl kaum durchsetzen.“

1. als Mitglied der FDP sollten Sie sich – an welcher Stelle auch immer – für die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien einsetzen. Oder? Oder ist das die FDP von gestern, die ich erinnere?

2. der Mossad konnte Adolf Eichmann entführen und vor Gericht stellen:

halten Sie die USA für unfähig?

Dirk Haas
Dirk Haas
13 Jahre zuvor

Die hier diskutierte Frage, ob Bin Laden „im Kampf“ getötet wurde, hat Obama bereits in seiner ersten Ansprache beantwortet: „After (!) a firefight, they killed Osama bin Laden and took custody of his body“.

Yaku
Yaku
13 Jahre zuvor

Aus dem Tagesspiegel, siehe link oben:

Wer sagt, ein Christ dürfe sich nicht freuen über die Tötung eines Feindes der Menschheit, spricht ihm das Recht ab, aktiv für Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zu streiten. Niemand freut sich über den Tod an sich. Aber Erleichterung zu empfinden, wenn die Ursache einer mörderischen Gefahr beseitigt wurde, ist weder unethisch noch unchristlich. Im Gegenteil: Es zeugt von einem Gewissen, das noch intakt ist.

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

„…Der Mann kämpfte Zeit seins Lebens gegen die Freiheit, gegen die Gleichbgerechtigung der Frau und für Unterdrückung. Warum sollte man am Tag seines Todes trauern?“ (Artikel, siehe oben – Schlusssätze)

Also die Schlusssätze sind ja fast niedlich. Siehe Passage über die Gleichberechtigung der Frau. Da müsste man ja nun scharenweise Männer im Meer versenken und da lägen sie dann neben Plastikmüll …

Ermordete Menschen! Darum geht es!
Und andere, die auch so Schlimmes taten, bekamen einen Prozess. Und wenn dieser Prozess durch welche Umstände auch immer (richtig festgestellt: wir waren nicht dabei, als…) nicht möglich war, so war dieses ‚Versenken des Problems‘ (so schnell, so heimlich …) m.E. ein Fehler, denn was ich da heute für wirres Zeug im net las, das…

Yaku
Yaku
13 Jahre zuvor

Es geht vor allem aber darum, warum man Menschen ihre Genugtuung absprechen will! Ich persönlich freue mich nie über den Tod eines Menschen, werde es aber nie jemanden absprechen, wenn Massenmörder wie bin Laden getötet werden.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Nachtrag zu meinem Kommentar #32

Das gerade ein deutscher Kommentator den USA was von zivilisierten Nationen vorhält, die das Völkerrecht geschaffen haben, sagt eigentlich schon alles über den Kommentator Schönenborn und seine bornierte nationale Geschichtsvergessenheit.

Den USA kann man eine Menge vorwerfen. Aber nicht dass es dort Jubel über den Tod von Osama Bin Laden gibt.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@Tom:

1. Wenn man die Welt unter Ausblendung der Realität nur in Schwarz und Weiß einteilt, haben Sie recht. Ich denke allerdings auch an diejenigen, die permanent in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit von Leuten wie Bin Laden bedroht sind. In der Abwägung stufe ich deren Rechte als höher ein. Sie mögen zu einer gegenteiligen Auffassung kommen. So, wie ich Ihnen deshalb nicht unterstelle, ein Befürworter des Terrorismus zu sein, sollten Sie mir umgekehrt nicht die Wertschätzung geordneten Rechts absprechen. Sonst wird eine solche Debatte schnell unappetitlich und verlogen.

2. Nicht alles was hinkt, ist auch schon ein Vergleich. Die Situation der Verhaftung Eichmanns war eine völlig andere, was die Meisterleistung des Mossad nicht schmälern sollte. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass – nach allem, was man bisher weiß – die Leistung der Navy Seals in Pakistan bemerkenswert war. In anderen Fällen hingegen haben die Amerikaner durchaus auch schon ihre Unfähigkeit bewiesen, beispielsweise beim Versuch der Befreiung von Geiseln ihrer Teheraner Botschaft. Aber nicht „die Amerikaner“ sind unfähig oder „die Israelis“ sind toll. Man muss die konkreten Einsätze und ihre Randbedingunen betrachten…

@Yaku:

Der ansonsten sehr geschätzte Malte Lehming vermischt dort leider Erleichterung (legitim) und Freude (fragwürdig). Das ist schade und entwertet seinen Kommentar.

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

@#37 Arnold Voss

Im Jahr 2011 dürfen Deutsche ganz selbstbewusst (jedoch nicht überheblich) über Völkerrecht sprechen. Sie dürfen die USA kritisieren. Natürlich!

Sie (dt. Bürger) können mit ihrer Kritik (wie Bürger alle anderen Völker) daneben liegen oder ins Schwarze treffen, je nachdem.

Der Kritisierte kann ja nun wiederum kritisieren, wird ggf. seinen Kritiker überzeugen usw.. So ist das eben in einer Debatte von Gleichberechtigten. Wir leben doch nicht mehr in einer Besatzungszone oder unter ähnlichen Zuständen.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Dirk Haas 34#

Du weisst doch, dass bei ganz bestimmten Themen Fakten von zweitrangiger Bedeutung sind. Dazu steht gerade in Deutschland ein amerikanischer Präsident bei Vielen schon, was die Unwahrheit betrifft, von vorneherein unter Generalverdacht. Und leider gibt es dafür auch noch gute Gründe.

Alles in allem keine guten Ausgangsvoraussetzungen für Obama. Ich glaube ihm aber, selbst wenn es dazu keine objektiven Dokumente gibt bzw. geben wird, weil er sich in diesem Fall einfach keine Unwahrheit erlauben kann. Irgendwann kommt sie in den USA nämlich immer raus. Bush wäre das egal gewesen. Obama kann das nicht egal sein.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Angelika 37#

Natürlich dürfen die Deutschen die Amerikaner kritisieren. Nicht erst seit 2011. Aber sie sollten dabei eben nicht, wie sie selber sagen, überheblich sein. Schönenborn wirft den USA aber nichts geringeres als eine „Hinrichtung“ vor, ohne auch nur einen Beweis dafür zu haben und beklagt sich dann über ihre Unzivilisiertheit. Da werden nicht nur Begriffe absichtlich zu Vorurteilen, da tut auch einer so, als hätte Deutschland das Völkerrecht erfunden und durchgesetzt. Sorry, aber das nervt dann schon.

Yaku
Yaku
13 Jahre zuvor

@Oliver Fink und Arnold Voss

bevor ich mich hier verabschiede, muss ich noch eines los werden: danke für eure Kommentare.

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

@#41 Arnold Voss

„…Ich glaube ihm aber, selbst wenn es dazu keine objektiven Dokumente gibt…“ Seltsam, sonst ist Ihnen die Ebene des Wissens doch lieber …

„…weil er sich in diesem Fall einfach keine Unwahrheit erlauben kann. Irgendwann kommt sie in den USA nämlich immer raus. Bush wäre das egal gewesen. Obama kann das nicht egal sein.“ Also es könnte ja auch sein, dass Fakten ans Tageslicht kommen, wenn Obama schon lange nicht mehr im Amt ist.

Aber wieso „…Bush wäre das egal gewesen. Obama kann das nicht egal sein.“? Bush der Böse? Obama der Gute? So ist das? So einfach? Nee, glaub ich nicht! …

Dirk Haas
Dirk Haas
13 Jahre zuvor

@Arnold, Obama sprach davon, dass bin Laden nach dem Feuergefecht getötet wurde (also nicht während eines Schusswechsels).

Zum Verlauf der Aktion gibt es neue Einlassungen offizieller Stellen:
https://www.huffingtonpost.com/2011/05/03/osama-bin-laden-wife-killed_n_856780.html

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Oliver Fink # 39

Wir alle, die wir hier diskutieren, wären unter einem Regime das nach den Regel des Osama Bin Laden funktionieren würde im Gefängnis, im Untergrund, oder in anderer Weise malträtiert oder ganz zum Schweigen gebracht worden. Auch wenn wir uns das im Moment nicht vorstellen wollen oder können.

Ich halte es in diesem Zusammenhang für äußerst spitzfindig zwischen Erleichterung und Freude über den Tod dieses Top-Terroristen zu unterscheiden. Das mag in einem juristischen Seminar oder vor Gericht selbst angehen. Ansonsten ist es gelinde gesagt weltfremd und in gewisser Weise auch unmenschlich. Gefühle unterliegen nun mal nicht ständig den selbst auferlegten Kriterien ob sie noch legitim oder schon fragwürdig geworden sind.

So kann jemand differenzieren, der nicht persönlich betroffen ist. Denen, die z.B. unter dem Terrorismus im welchen Land auch immer selber gelitten haben bzw. Jemandem nahestehen dem das oder noch Schlimmeres geschehen ist, kann das einfach nicht gelingen. Ihnen daraus einen moralischen oder sogar juristischen Strick zu drehen, halte ich, selbst wenn es nur theoretisch geschieht, für gelinde gesagt abgehoben.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@Dirk Haas:

Also, ich nehme mal Ihr Zitat von oben: „After a firefight, they killed Osama bin Laden and took custody of his body.“ Das bedeutet in der Übersetzung: „Nach dem Feuergefecht hatten sie Osama bin Laden getötet und nahmen seinen Körper in Obhut.“

Jetzt wollen wir doch bitte nicht schon mit wortweisen anstelle von sinngemäßen Übersetzungen anfangen, Verschwörungstheorien zu basteln – oder?

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

@ Angelika # 44

Wenn es (noch) keine objektiven Dokumente gibt, kann man nur Jemanden glauben oder nicht. Ich bin halt kein Hellseher. Und wenn man Jemanden glaubt, dann sollte man zumníndest sagen warum. Das habe ich getan. Dem wiederum müssen sie natürlich nicht glauben. Das ist doch klar. Aber das wird sich, hoffe ich, in den nächsten Tagen alles auf die Basis des Wissens stellen lassen. Ich bin gespannt.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@Arnold Voss:

Ich halte das nicht für spitzfindig, denn wir sind alle nicht betroffen, auch Herr Lehming nicht. Die Kanzlerin schon einmal gar nicht. Insofern darf man sich den akademischen Abstand erlauben – und sollte es auch tun.

Andererseits werden Sie – so hoffe ich zumindest – zur Kenntnis genommen haben, dass ich mir keine Kritik an den Freudenausbrüchen in Amerika angemaßt habe. Die halte ich zwar für wenig hilfreich für die Außendarstellung der USA, aber für durchaus verständlich.

Wären bei uns mehrere tausend Menschen durch irre Attentäter ums Leben gekommen, hätten wir die letzten 10 Jahre vermutlich ganz anders reagiert. In der Bundesrepublik bricht ja bereits der Notstand bei den innenpolitischen Scharfmachern aus, wenn lediglich Gasflaschen in Zügen gefunden werden, die nicht explodiert sind. Oder wenn in der Nachbarschaft eine Moschee gebaut werden soll. Oder wenn [insert your favourite German Angst here].

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