Mertesacker-Geständnis: Profifußball hat aus der Tagödie Robert Enke noch immer nichts gelernt!

Foto: Robin Patzwaldt

Als sich Nationaltorwart Robert Enke von Hannover 96 am 10. November 2009 das Leben nahm, da war das Entsetzen in diesem Lande naturgemäß groß. Der offenkundig seit Jahren schon unter schweren Depressionen leidende Keeper sah letztendlich keinen anderen Ausweg mehr für sich, und stürzte sich vor einen Zug, ließ Frau und Kind von diesem Tage an alleine zurück.

Die Fußball- ja die ganze Sportnation trauerte öffentlich. In einer Veranstaltung zu seinen Ehren im Fußballstadion zu Hannover wenige Tage später gaben sich damals unzählige Prominente als ambitionierte Weltverbesserer, betonten lautstark und eindringlich die große Notwendigkeit den extrem belasteten Profisportlern etwas von ihrem ungeheuren Druck zu nehmen, die Rahmenbedingungen für die Sportler in Zukunft dringend verbessern zu wollen. Das alles damals vor dem aktuellen Hintergrund der Enke-Tragödie.

Dass das Ganze jedoch wohl nur Lippenbekenntnisse waren, das war dabei eigentlich von Anfang an den meisten Beobachtern schon klar. Schließlich ist Profifußball ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Und trotzdem wecken die jüngsten Ereignisse rund um Nationalspieler Per Mertesacker vor diesem Hintergrund doch ungute Erinnerungen, machen einen sogar regelrecht wütend.

Was ist passiert? Weltmeister Mertesacker hat in einem aktuellen Spiegel-Interview den enormen Druck auf die Fußball-Profis öffentlich kritisiert und am eigenen Beispiel ganz konkret beschrieben. Sein Körper habe auf die hohe Erwartungshaltung vor jedem Spiel gar mit Brechreiz und Durchfall reagiert, berichtete der zur Zeit in London spielende Abwehrrecke.

„Als sei das, was dann kommt, symbolisch gesprochen, einfach nur zum Kotzen“, sagte Mertesacker, der seine lange Karriere nach dieser Saison beendet. Ferner beklagte der 104-fache Nationalspieler verbittert, „dass es null mehr um Spaß geht, sondern dass du abliefern musst, ohne Wenn und Aber“.

Als besonders belastend habe der erfahrene Profikicker den Druck während der WM 2006 im eigenen Land empfunden. Damals verlor die DFB-Auswahl bekanntlich im Halbfinale, bei uns vor der Haustür, hier in Dortmund mit 0:2 nach Verlängerung gegen Italien und wurde am Ende des Turniers Dritter.

„Klar war ich auch enttäuscht, als wir gegen Italien ausgeschieden sind, aber vor allem war ich erleichtert“, wird Mertesacker zitiert. „Ich weiß es noch, als wäre es heute. Ich dachte nur: Es ist vorbei, es ist vorbei. Endlich ist es vorbei.“

Und statt für diese offenen Worte nun auf besonders viel Verständnis zu treffen und/oder sogar Lob für sein freimütiges Eingeständnis zu bekommen, da wird Mertesacker von vielen Zeitgenossen genau dafür sehr heftig kritisiert. Nicht zu glauben!

So haben unter anderem auch die Sky-Experten Lothar Matthäus und Christoph Metzelder, beide selber bekanntermaßen auch erfahrene ehemalige Fußballprofis und Nationalspieler, in der Halbzeitpause der Begegnung Leverkusen gegen Mönchengladbach am Samstagabend regelrecht bestürzt auf diese Worte ihres Kollegen reagiert, das Verhalten von Mertesacker quasi sogar als eines Profis unwürdig dargestellt. Man mochte seinen Ohren gar nicht wirklich trauen.

Beide gaben sich mit den Aussagen von Mertesacker konfrontiert völlig verständnislos. Und damit sind sie nicht alleine. In den sozialen Medien kommen die Aussagen des Wahl-Londoners vielfach auch nicht gut weg, wird das ‚Sommermärchen‘ hier doch in den Augen einiger Zeitgenossen unnötig mit ‚Dreck‘ beschmutzt.

Das Eingestehen von Schwäche scheint in dieser Branche, ja in diesem Geschäft, noch immer nicht gerne gesehen zu sein. Und das fast neun Jahre nach den Geschehnissen um Robert Enke.

Dies verdeutlicht uns allen aktuell noch einmal ganz klar, wie wenig die Fußballnation aus der Enke-Tragödie doch tatsächlich gelernt hat. Sehr traurig, und daher auch an diesem Sonntag hier bei uns im Blog mein Fußball-Thema der Woche.

Das Tagesgeschäft der Bundesliga, dem ich mich hier ja sonst an Sonntagen immer ganz gerne widme und darüber diskutiere, tritt gegenüber dieser bitteren Erkenntnis aus meiner Sicht diesmal leider völlig in den Hintergrund. 🙁

 

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Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Robin,
daß SPIEGEL -Interview mit Mertesacker sollte jeder in Gänze (!!) lesen, der sich für den Fußballsport interessiert, und vor allem diejenigen, die meinen, nun über Mertesacker urteilen sein dürfen!

Die Sky -"Fußballexperten" Calmund, Matthäus, Metzelder fühlten sich bemüßigt, sich abfällig, wie ich meine sehr despektierlich, über den Fußballer Mertesacker hermachen zu sollen.
Von Mathäus war nicht Anderes zu erwarten. Meine Oma hätte gesagt: " Der Junge kann doch nichts dafür". Und Calmund? Zwar ein anderer Typ als Mathäus, aber ansonsten….?
Gewundert hat mich, wie oberflächlich Metzelder sich geäußert hat, den ich als intelligenten, nachdenklichen Menschen, guten Fußball-Analysten (und 'mal sehr guten Spieler) zu schätzen weiß.
Meinerseits:
Kompliment an Mertesacker für das Interview.
Er wird damit alle Fußballfreunde, die des (Nach-)Denkens fähig sind, sehr nachdenklich gemacht haben. Bin gespannt, ob dazu und was dazu hier bei den Ruhrbaronen als Beitrag zu Deinem Kommentar noch zu lesen sein wird.

Bebbi
Bebbi
6 Jahre zuvor

Einzige nachhaltige Lösung: Nicht mehr hingehen, nicht mehr gucken. Fußball wird auch um die Ecke gespielt, falls jemand zugucken will.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Bebbi,
das funktioniert bei den meisten Fans -mich eingeschlossen- nicht.

So wie sich der Theater-Freund über die allabendlich großartigen Leistungen von Schauspielerinnen/Schauspielern freut, der Film-Fan über die jahrelang zu bewundernden Darbietungen von Oscar-Preisträgern begeistert ist oder, oder, oder……. und so wie sich alle diese Menschen Ihre Freude nicht vermiesen lassen wollen, wenn sie immer wieder (!!) davon hören und lesen, "welcher Preis" dafür durch die Schauspieler gezahlt wird , so wird auch der Fußball-Fan sich dauerhaft nicht davon abhalten lassen, begeistert zu sein, wenn er z.B. Spitzenfußball in der Champ.lig zu sehen bekommt -in der Vergangenheit u.a. dargeboten durch Arsenal London mit P.Mertesacker.

Ich würde mir wünschen, daß im Fußball-Profi-Geschäft zumindest ein wenig mehr als das derzeit der Fall ist, seitens der Arbeitgeber die Folgen ständiger physischer und psychischer Grenzbelastungen ihrer Arbeitnehmer bedacht und ggfls daraus Konsequenzen gezogen würden, z. B. angeregt u.a. durch das Mertesacker-Interview
Ich bin mir jedoch sehr, sehr sicher, daß insofern nichts, gar nichts Nennenswertes passieren wird.

Und trotzdem oder gerades deshalb wird das Spiegel-Interview mit Mertesacker viele Fußball-Fan nachdenklich werden lassen; und allein das wäret dann eine bemerkenswerte Folge dieses möglicherwies ansonsten folgenlosen Interviews -jedenfalls kurzfristig folgenlosen-.

ke
ke
6 Jahre zuvor

Ich habe nicht das gesamte Interview gelesen. Der Druck ist aber überall, wo es um Spitzenleistungen geht, vorhanden.
Die Kamera ist bspw. nach den Eiskunstlaufpräsentationen immer sehr stark an den Reaktionen interessiert. Diese Sportler haben auch nur ganz wenige Gelegenheiten, an denen alles passen muss. Der Druck ist also enorm.
Was ist mit Lampenfieber, der Nacht vor dem ersten Start beim Langdistanz Triathlon , dem Tag vor der wichtigen beruflichen Präsentation.
Druck gibt es überall. Ein Job macht nicht immer Spaß. Für viele Sportler geht es dann noch um die finanzielle Existenz.
Spitzenleistung unter Druck zu bringen, ist auch eine der Schwierigkeiten im Sport.

Ich sehe hier auch keine "Schwäche" und gehe davon aus, dass es vielen Fußballern und anderen Sportlern/Arbeitnehmern auch so geht. Irgendwann muss sich auch jeder entscheiden, wie wichtig ihm sein Job, der Titel, das Mega-Gehalt ist.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

@Walter Stach: Loddar, Calli und (leider auch) Metze sind kleine Spielfigürchen im Sky-Gruselkabinett, ein bisschen wie Waldorf&Statler bei den Muppets angesiedelt, aber weder so tiefsinning noch so lustig wie die Originale.
Das ist Zielgruppen-Bespaßung mit der Dampframme, einzig den Werbekunden geschuldet, die in dieser Phase der Sendung Krawall und Dumpfsinn pur für die Konzentration auf den eigentlichen Sinn ihrer Auftritte, die Werbepause, benötigen.
Da wird dann auch kein Talent verheizt oder ein zukünftiges TV-Gesicht den Löwen zum Fraß vorgesetzt, da werden halt über Jahrzehnte immer wieder die gleichen durchgenudelten Hack(*von Moderator editiert*) benötigt, denen rufmäßig sowieso alles egal ist und die woanders nix mehr werden müssen – und nix mehr werden können. Einzig Bobbele fehlt noch, aber der sitzt ja wg. Geldmangel beim Tennis fest…

Vielleicht könnte man ein einziges Element dieser Schleimorgie ausmachen, welches nicht kompletter Demenz geschuldet ist: Loddar probt mit seinem unentschuldbar dummen Hirnauswurf evt. schon fürs Dschungelcamp.

Bebbi
Bebbi
6 Jahre zuvor

@Walter Stach

Und warum gibt es den Druck? Weil die Nachfrage nach Begucken von Leistungen so hoch ist, die nur so erbracht werden können.

thomas weigle
thomas weigle
6 Jahre zuvor

Nie bin ich schneller am Ball….ääähh, Quatsch, an der Fernbedienung, wenn irgendwo Loddar oder Calmund auftauchen. Wenn die Behörden ihre Arbeit ordentlich machen würden, wären die längst wegen Gefährdung der geistigen Volksgesundheit aus dem Verkehr gezogen und zur Langzeitbehandlung eingewiesen worden.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Klaus Lohmann,
Thomas Weigle

Lodda und Kalli……..???
Sind wir die Einzigen , die " des Leidens an und mit Lodda und Kalli " schon seit langem überdrüssig sind? Scheint so, denn ansonsten würde es doch die Medienpräsenz von Lodda und Kalli gar nicht mehr geben. Oder verstehen wir den eigentlichen Sinn ihrer medialen Präsenz nicht, nämlich regelmäßig in einer Sportsendung z.B. uns Fußball-Fans nicht möglichst sachliche Beiträge zum Fußballgeschehen zu liefern, sondern etwas " zum Lachen" nach dem Motto "Humor ist, wenn man trotzdem lacht"?
In diesem Sinne: "Laßt die Spaßmacher Lodda und Calli `mal weitermachen, denn bei Vielen scheint ihr Humor gut anzukommen."

PS
Es ist ja "eigentlich" schon Unsinn unsererseits, sich hier mit Lodda und Calli "näher" zu befassen

Thomas Weigel, bei dieser Gelegenheit:
Vor dem Spiel zwischen "meinem" BVB und "Deiner" Eintracht" haben wir beide von einer Begegnung auf Augenhöhe gesprochen.
Und das war gestern dann auch so -jedenfalls nach meiner Wahrnehmung-.

Ich fand, es war ein spannendes, ein interessantes, ein intensives, ein schnelles, ein von vielen harten Zweikämpfen geprägtes Spiel, dessen spielerisch Qualität für mich allerdings nicht überdurchschnittlich war.
"Mein" BVB war letztendlich der glückliche Sieger.

Ich frage mich allerdings, wie es nach dem Unentschieden in Leipzig aufgrund einer m.E. insgesamt mit befriedigend zu bewertenden Gesamtleistung des BVB und der jetzt m.E. wieder mit befriedigend zu bewertenden Leistung gegen die Eintracht zu der desaströsen und von mir mit mangelhaft bewerteten Leistung gegen Salzburg kommen konnte. Dem BVB fehlt offenkundig doch noch so Einiges, um ihn als feststehende Größe für einen Champ.lig-Platz bestimmen zu können -von einer "Größe in Europa" ganz zu schweigen.
Aber es gibt für mich nach den Spielen gegen Leipzig und gegen die Eintracht doch mehrere Faktoren, die dafür sprechen, daß die Mannschaft des BVB mit Trainer Stöger sich auf einem sehr guten Weg befindet -kurzfristig zumindest in Richtung 4. Tabellenplatz und mittelfristig als feste Größe für die Plätze 2- 4 hinter den Bayern. Jedenfalls bin ich etwas optimistischer als vor den Spielen gegen Leipzig und gegen die Eintracht.

Bin gespannt auf den Ausgang des Pokalspieles der Eintracht gegen S04. Eine Auseinandersetzung, die jedenfalls auch "auf Augenhöhe" stattfinden dürfte.
Und S04?
Ja, da scheint ein Champ.lig-Platz möglich zu sein.
Rückblickend auf das Spiel in Mainz frage ich mich allerdings, was "S04 mit dem dort Gebotenen in der Champ.lig zu suchen hat.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Robin,

"Meztelder" -sh. mein Beitrag 1-;
sehe ich also grundsätzlich so wie Du.

In Sachen "Lodda" hier und "Calli" dort:

Ja, die Nummer die Calli regelmäßig vorzuführen weiß, kommt mir -jedenfalls dann und wann- doch als "gekonnt humorvoll" vor im Gegensatz zu Loddas Darbietungen. Das ändert nichts daran, daß mir Calli mit seinem steten Bemühen um Humor und Ironie doch regelmäßig "auf den Wecker geht. "
Mir scheint jedoch, daß wir dem nachdenkenswerten Spiegel Interview mit Mertesacker nicht gerecht werden -im Gegenteil-, wenn wir statt über dessen Inhalt und damit auch über die Persönlichkeit von Mertesacker zu diskutieren , uns mit "Lodda und Calli" befassen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Nö Kinners, in punkto Metze kommen wir nicht zusammen.

Christoph mag zwar allgemein nicht zu den dunkleren Kerzen auf der Torte gehören und allgemein kann man auch sein Engagement für Profis, insbesondere als Vize der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) als durchaus meinungsbildend und wichtig sehen – aber genau an *diesem* Punkt seiner Lebensleistung ist es völlig unverständlich (zumindest, wenn man finanzielle Vorteile außer acht lässt), dass es es bei Sky nicht schafft, den beiden affigen Pausenclowns neben ihm verbale Paroli zu bieten. Nein, im Gegentum tutet er auch noch ins gleiche Horn.

Florian Gothe, der aktuelle Präsident der VdV, hatte nach dem Tod von Robert Enke in einem öffentlichen Appell (http://www.spiegel.de/sport/fussball/appell-der-polizei-fans-sollen-enke-beerdigung-fernbleiben-a-661168.html) mehr Unterstützung von Profisportlern in solchen psychischen Problemsituationen eingefordert. Wäre ich Gothe, würde ich grade Metze aber sowas von den Kopp waschen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Und scheinbar ist es Senderpolitik, mit höchstmöglichst asozialen, grenzdebilen "Subjekten" auf Quotenfang zu gehen: http://www.spiegel.de/sport/sonst/jamie-carragher-sky-suspendiert-ex-liverpool-profi-nach-spuck-attacke-a-1197755.html

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Klaus Lohmann,
in Sachen "Metze":
Relativ betrachtet, hier in Relation zu Lodda und Calli…………….; mehr ist da meinerseits nicht.

Im übrigen habe ich den Eindruck, daß weitestgehend in der medialen Öffentlichkeit gar nicht mehr verstanden wird bzw. es mit Blick auf die Quote unzulässig ist, sich darum zu bemühen, daß das Spiegel-Gespräch mit Mertesacker und der einschlägige Bericht darüber im wesentlichen etwas vermitteln über einen Menschen und über dessen ganz persönliche Verfaßtheit in seinem bisherigen Leben als Profi-Fußballer. Wenn sich jemand als Mensch so offenbart wie Mertesacker, dann sollte das jedermann sehr, sehr nachdenklich stimmen und jedermann sollte ihm dafür höchsten Respekt zollen .und insofern sind der Beitrag "als solcher " und die Person P.Mertesacker für die diversen Quasselrunden untauglich, nicht nur, aber eben auch, oder vor allem dann, wenn sich Lodda/ Calli (und Metze?) darum bemühen.

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