Große Aufregung: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat zum Thema grüner Wasserstoff gesagt, was jeder weiß.
Auf einer Betriebsrätekonferenz des Arbeitnehmerflügels in Bochum sagte Merz: „Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Den haben wir nicht. Und wenn wir das mit Wasserstoff machen, dann ist die Tonne Stahl immer noch mindestens 300 Euro teurer, als wenn sie bisher konventionell erzeugt wird.“
Merz widersprach dem grünen Dogma von der Zukunft des grünen Stahls durch grünen Wasserstoff. Die Aufregung bei den Grünen ist groß, hat da doch einer gewagt auszusprechen, dass die Königin nackt ist. Mona Neubaur, die grüne NRW-Wirtschaftsministerin, und Robert Habeck, der zurzeit ebenfalls als Wirtschaftspolitiker gelesen werden will, hielten sofort dagegen. Habeck sagte dem Stern: „Wer sagt, er glaube nicht an grünen Stahl, kann den Stahlunternehmen und ihren Beschäftigten in Deutschland auch gleich sagen: Ich glaube nicht an euch, auf Nimmerwiedersehen. Wer den Weg hin zu grünem Stahl verbaut, der verabschiedet eine ganze Industrie aus Deutschland und sorgt dafür, dass wir den Anfang hunderter Wertschöpfungsketten – von der Schraube übers Auto bis zum Windrad – ins Ausland verlagern.“ Neubaur äußerte sich gegenüber der WAZ ähnlich: „Wer nicht an grünen Stahl glaubt, befördert das Ende der Stahlindustrie in Deutschland – mit fatalen Wirkungen weit über die Branche hinaus. Wir würden Zehntausende Arbeitsplätze verlieren und uns bei einem der wichtigsten Grundstoffe in eine gefährliche Abhängigkeit vor allem von China begeben.“
Blöd für beide, dass ihr Parteifreund Patrick Graichen, als er 2022 noch Staatssekretär in Habecks Wirtschaftsministerium war, ganz ähnlich wie Merz klang. Im Gespräch mit dem britischen Klimalobbyisten Michael Liebreich 2022 kündigte er an, dass energieintensive Industriezweige wegen der hohen Energiepreise in Deutschland keine Zukunft hätten: „Nun, das ist in der Tat eine große Herausforderung, und zwar nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa“, sagte er. Natürlich gäbe es Orte auf der Welt, wo man Strom für ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde bekomme. Und damit ließe sich dann preiswert Wasserstoff erzeugen. Aber Deutschland, das ist klar, ist keiner dieser Orte. „Was bedeutet das nun für uns? Im Wesentlichen wird es wahrscheinlich bedeuten, dass energieintensive Industriezweige die Produkte, die man auch an anderen Orten einfach herstellen könnte, dorthin gehen, wo es den Strom für ein bis zwei Cent gibt.“ Man müsse sich bei den energieintensiven Industrien auf diejenigen spezialisieren, deren Produkte viel Know-how und eine enge Kundenbindung benötigen.
Merz sagt, was jeder weiß und immer mehr auch öffentlich sagen: Die deutsche Version der Energiewende kostet Arbeitsplätze und führt zu Deindustrialisierung. Grüner Wasserstoff ist nicht mehr als ein teurer Traum, aus dem auch die Industrie längst erwacht ist: Eon hat das Thema Wasserstoff bereits „depriorisiert“. Auch bei Thyssenkrupp, das ab 2028 jährlich 143.000 Tonnen Wasserstoff für einen CO2-freien Hochofen verwenden will, ist die anfängliche Euphorie verflogen. Die geplante Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg wird voraussichtlich umgesetzt, da die Rückzahlung von Subventionen für den angeschlagenen Stahlkonzern problematisch wäre. Anstatt die gesamte Produktion auf Wasserstoff umzustellen, plant das Unternehmen jedoch Personalabbau und Stilllegung ganzer Anlagen.
RWE plant den Bau eines 100-Megawatt-Elektrolyseurs in Eemshaven, teilte jedoch bereits im Oktober mit, dass die Investitionsentscheidungen für das 50-MW-Eemshydrogen-Projekt und den 100-MW-Elektrolyseur von OranjeWind noch ausstehen. Vorstandschef Markus Krebber äußerte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass man bei der „Wasserstoffwirtschaft skeptisch sei, ob dies so rasch gelingt wie geplant“. Wegen der unsicheren Aussichten im Wasserstoff-Geschäft kaufte RWE Aktien im Wert von 1,5 Milliarden Euro zurück.
Bereits im Juli verabschiedete sich die Steag-Tochter Iqony von der Idee eines Wasserstoff-Clusters am Kraftwerk in Bergkamen. Eine Machbarkeitsstudie ergab, dass die bisher identifizierten Wasserstoffbedarfe derzeit nicht ausreichen, um das Projekt wirtschaftlich umsetzen zu können.
Für die Grünen sind die Energiewende und der grüne Wasserstoff im Gegensatz zu Merz keine wirtschaftliche Frage. Es geht für sie eher um Religion. Für alle anderen hingegen um ihre Jobs und bezahlbare Rechnungen.
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