Torsten Schlösser bezeichnet sich gerne als „echter Ruhrie“ und der Makler hat sein Büro am Rande des Ruhrgebiets in Unna. Jeden Tag macht er sich auf den Weg, um seine Immobilien unter das Volk zu bringen. Das Ganze spielt sich in der Öffentlichkeit ab und nach 18 Uhr können die Zuschauer bei „mieten, kaufen, wohnen“ auf Vox zusehen. Schlösser ist Teil einer Armee von Immobilienverkäufern und zurzeit gehören 63 Makler zum Aufgebot des Kölner Privatsenders.
Bei den Zuschauern kommt das Format gut an und von der geliebten „werberelevanten Zielgruppe“ schalten immerhin 1,52 Millionen Menschen ein. Bei ihnen schwingt das voyeuristische Interesse mit, einen Blick in fremde vier Wände zu werfen und sich ein Bild vom Leben der Mitmenschen zu machen. Im Kern ist „mieten, kaufen, wohnen“ ein reines Werbeformat – eine Art Dauerwerbesendung. Die Makler arbeiten an ihrem schlechten Image und menscheln sich durch die 60 Minuten. Natürlich präsentieren sich auch die Besitzer der Immobilien und die Wohnungsgesellschaften in einem positiven Licht. Das ist keine große Überraschung, aber auch die potenziellen Mieter und Käufer setzen auf ihre Vermarktung. Da besichtigen viele Jogalehrer, Stylisten, Lebensberater, Musikanten, Inhaber von Fingernagelstudios, Wahrsager und Fitnesstrainer ihre künftige Wohnung. Das führt dann zu reichlich absurden Situationen, wenn der Makler zu Kniebeugen angeleitet wird, einen Kopfstand machen soll oder nach einem erfolgreichen Abschluss ein schräges Ständchen anhören muss.
Ergänzt wird die durchsichtige Präsentation durch den Auftritt vermeintlicher Prominenz, wie zum Beispiel des Berliner Friseurs Udo Walz, der sich im Prenzlauer Berg kostspielige Lofts zeigen lässt. Selbst die Macher haben dann Zweifel, was die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Formats betrifft. „Wie auch in der Sendung eingeblendet wird, sind die Geschichten um die Wohnungssuchenden teilweise nacherzählt“, erklärt Julia Kikillis, Pressesprecherin bei VOX. „Die Prominenten sind nicht zwingend aktuell auf der Suche nach einer neuen Wohnung oder einem neuen Haus. Es ist aber in jedem Fall ein Interesse an Immobilien und anderen, neuen Wohnmöglichkeiten vorhanden“. So spielen alle Beteiligten ihre Rolle, werben für sich selbst und hoffen auf gute Einschaltquoten.
Eigentlich geht es hier um „Schleichwerbung“ und unlauteres „Product-Placement“. Am Ende der Sendung wird kurz eingeblendet, dass einige der Szenen nachgespielt sind. Laut geltendem Rundfunkstaatsvertrag ist Schleichwerbung nicht gestattet und der Zuschauer darf nicht in die Irre geführt werden. „Product-Placement“ ist in Deutschland dagegen erlaubt, wenn ausdrücklich darauf hingewiesen wird. Bei „mieten, kaufen, wohnen“ gibt es laut Angaben des Senders keine Sponsoren und auch keine Zahlungen von Dritten. Der Landesmedienanstalt NRW ist das Format schon aufgefallen, aber bisher sieht man keine Möglichkeit aktiv zu werden. Dabei ist mit wenig Aufwand die Täuschung der Zuschauer festzustellen. Anfang September stand bei den Maklern ein Ausflug in das sonnige Immobilienparadies Florida auf dem Programm. Die deutschstämmige Maklerin Andrea Palmer zeigte der Chefin einer Agentur für Models ein paar Villen mit Blick zum Wasser. Das Domizil für die Nachwuchsmodells durfte mehrere Millionen kosten und sollte Platz für kostspielige Events bieten – Geld spielte hier keine Rolle. Der Normalbürger mag sich über solche Geschäftsmodelle und Investitionen wundern, aber der bunten Welt der Partys, Modells und Prominenten traut man ja einiges zu. Bei genauem Hinschauen stellt sich aber heraus, dass die vermeintliche Übermutter der Modells selber als Maklerin in Florida arbeitet – vom Modegeschäft keine Spur.
Das Format ist aus einem Grunde dennoch interessant, denn es zeigt wie Gentrifizierung – also die Privatisierung und Verteuerung von Wohnraum – in Deutschland abläuft. „Die Konditionen für die gezeigten Objekte entsprechen der Realität“, sagt Julia Kikillis. „Was bekomme ich in Köln, München oder Hamburg für mein Geld? Wie sehen die Mieten und Kaufpreise im Vergleich dazu in Leipzig oder dem Ruhrgebiet aus?“ In Städten wie Berlin kann man einen Blick in sanierte Altbauwohnungen in Szenevierteln werfen, der einem sonst meist verwehrt bleibt. Hier gibt es großzügige Lofts mit vierstelligen Mieten, die mit durchschnittlichen Einkommen nicht zu bezahlen sind. Im Ruhrgebiet sind solche Immobilien die Ausnahme, auch wenn viele Lokalpolitiker sich eine „moderate Gentrifizierung“ wünschen. Thorsten Schlösser aus Unna wird in Zukunft weiter „normale“ Immobilien verkaufen – auch wenn er es nicht mehr im Fernsehen tut.
Ich persönlich fänd es toll, wenn Gegenden wie Kray, Hördel, Riemke, Hochfeld mal ordentlich durchgentrifiziert werden würden. Dann würde der Verfall gestoppt. Vielleicht würde es auch mehr Arbeit geben. Damit sich mehr Leute schöne Wohnungen leisten können. Leider passiert das nicht, weil die Gegenden ziemlich abgekackt sind.
Das sollte mal zu denken geben.
Die Ablehnung der Gentrifizierung im Ruhrgebiet ist völlig jenseits der Realität.
Stimmt. Der etwas „getunte“ Einblick in diese Welt des oberen Drittels der Einkommensbezieher – das sind übrigens alle, die etwas über den persönlichen Bedarf hinaus verdienen und diese Überschüsse für den privaten Vermögensaufbau zurücklegen können – ist durchaus interessant.
Spannend fand ich vor allem die Geschichte von dem „Kunstfreund“, der eine Villa am Stadtrand selbst bewohnt und sich zusätzlich eine teure Innenstadt-Immobilie leistet, wo er seine umfangreiche Privat-Kunstsammlung in edlem Ambiente unterbringt, ohne dass er selbst dort wohnt.
Da kann man schön sehen, welche Blüten die krasse Umverteilung von unten nach oben in den letzten 30-40 Jahren getrieben hat. Jetzt werden schon Spekulationsobjekte (Wohnungen) als Behälter für Spekulationsobjekte (Kunst) gekauft und die nehmen natürlich den normalen Menschen „vernünftigen“ Wohnraum weg.
Ich glaube, Düsseldorf ist in der Beziehung auch so ein Problemfall. Es wird Zeit, den Stadtplanern dort mal auf der Nase rumzutanzen.
Was hilft da? Jede Menge Sozialwohnungen mitten in die exklusivsten Lagen setzen. Das senkt die Mieten wieder auf ein humanes Niveau. Und vielleicht weichen die Reichen dann aus nach Duisburg oder Emscher Land, wo ihr Prunk wenigstens keinen Schaden anrichtet. Das wäre eine Politik, die sich wieder an den Interessen der Gesamtgesellschaft orientiert.
@ Georg kontekakis
„Die Ablehnung der Gentrifizierung im Ruhrgebiet ist völlig jenseits der Realität.“
Gentrifizierung im Ruhrgebiet ist völlig jenseits der Realität: es gibt keine Gentrifizierung im Ruhrgebiet.
Wer etwas anderes behauptet, war noch nie am Prenzlauerberg. Gestern abend war ich dort, da wurde den ganzen Abend nur über den trickreichen Erwerb von Eigentumswohnungen gesprochen: Wie macht man die besten Deals mit Dänischen Immobilien-Haien? Diesen: https://taekker.de/
@Berliner: Die Mietpreise die Dein „Hai“ aufruft liegen auf dem Niveau von Mieten in guten Lagen im Ruhrgebiet. Jeder Frankfurter, Kölner, Düsseldorfer, Hamburger oder Münchener lacht sich angesichts der Preise tot. Von Londonern oder Parisern – den Referenzen Berlins in Europa – ganz zu schweigen. Unter 5 Euro den Quadratmeter Mieteinkünften ist es kaum möglich, ein Haus auch nur halbwegs auf dem technischen Stand zu halten (Vorgabe: Invest 20 Euro Quadratmeter pro Anno). Berlin ist nach wie vor für eine Stadt diese Größe und Bedeutung ein Mieterparadies. Auch wenn die Preise jetzt etwas höher als in Mecklenburg sind.
@ Stefan Laurin
„Die Mietpreise die Dein “Hai” aufruft liegen auf dem Niveau von Mieten in guten Lagen im Ruhrgebiet.“
wer redet von „Mietpreisen“? Ich nicht. Es geht um die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen: „Entmietung“ …:
https://de.wikipedia.org/wiki/Entmietung#Entmietung_heute
„Der zweite Themenkomplex, in dem von Entmietung gesprochen wird, ist die Sanierung von Altbauten mit dem Vorwurf der „Luxussanierung“. Hierbei werden Altbauten mit niedrigem Mietniveau und aufgrund eines Investitionsstaus schlechter Bausubstanz zu hochpreisigem Wohnraum saniert oder durch hochpreisige Neubauten ersetzt. Auch hier ist eine Beendigung aller Mietverhältnisse vor Beginn der Maßnahme notwendig. Häufen sich derartige Maßnahmen in einem Stadtteil, spricht man von Gentrifizierung.“