Mit Anstand und Erschöpfung: Habecks Abschied von der Spitze der Grünen

Robert Habeck 2021 in Dortmund. Quelle: Wikipedia, Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Lieber Robert Habeck,

am gestrigen Montag hast du (als ehemaliger Parteifreund bleibe ich einfach mal beim „du“) in einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 angekündigt, in Zukunft keine höheren Aufgaben bei den Grünen mehr anzustreben. Zu enttäuschend sei für dich das Ergebnis gewesen.

Rund drei Prozent habt ihr am Sonntag im Vergleich zu 2021 verloren und nur noch 11,6 Prozent der Stimmen hinter dir als Spitzenkandidat versammeln können. Du sahst bei der Verkündung deines Rückzugs müde und erschöpft aus und konntest die Anstrengungen der vergangenen Wochen und Monate, ja wohl Jahre, nicht länger verbergen. Mich hat das persönlich sehr berührt, und das nicht nur, weil ich euch Grünen diesmal zum ersten Mal seit meinem Parteiaustritt im Jahre 2012 wieder gewählt habe.

Bis zum Samstag war ich mir nicht sicher, welcher Partei ich diesmal meine Stimme bei der Bundestagswahl geben soll. Am Ende entschied ich mich für euch und wurde dadurch meiner mir selbst gegenüber gemachten Versprechung, die Grünen nicht mehr zu wählen, untreu. Den entscheidenden Kick in diese Richtung gabst du mir letztendlich.

Obwohl auch ich längst nicht mit allen Entscheidungen der Ampel und speziell der Grünen in den vergangenen gut drei Jahren einverstanden war, war es letztendlich auch deine sympathische Erscheinung, die meine Wahlentscheidung maßgeblich mit beeinflusste.

Dein Rückzug am Tag nach der Wahl enttäuschte mich daher sehr, wenngleich ich ihn auf der anderen Seite sehr respektiere und ihn nachvollziehbar finde. Du ziehst die Konsequenzen aus dem Erlebten. Das finde ich grundsätzlich ehrenwert. Nicht jeder Spitzenpolitiker in diesem Land ist so konsequent.

Dass die in vielen Dingen des Alltags vielleicht zunächst unbequeme Politik der Grünen auf Widerstände in der Bevölkerung treffen würde, war von Anfang an zu erwarten. Dass die Proteste und auch die aggressive mediale Berichterstattung gegen sie solche Ausmaße annehmen würden, fand ich dann schon überraschend und teilweise ungerecht. Dir wird das nicht anders gegangen sein.

Die Grünen und auch du persönlich sind im Laufe der Jahre in der Verantwortung für viele Mitbürger zu regelrechten Feindbildern geworden. Gerecht war das aus meiner Sicht in diesem Ausmaß nicht. Es waren extrem schwierige Zeiten, in denen du als Wirtschaftsminister dieses Landes die Verantwortung hattest.

Die befürchtete Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine haben wir in Deutschland jedenfalls ganz gut überstanden. Zwar hatten sich auch meine persönlichen Stromkosten kurzzeitig verdoppelt, doch blieb der von manchen erwartete Blackout aus. Die Bekannten, die im ersten Kriegswinter in der Ukraine Teelichter gebunkert hatten, kauften diese jedenfalls umsonst. Das alles hätte auch deutlich schlechter laufen können. Der Respekt für diese Leistung dir gegenüber hielt sich jedoch im Rahmen, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Ich sehe im überkritischen Umgang mit dir übrigens gewisse Parallelen zur Situation von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn, der in der Corona-Krise maximal gefordert war und in der Verantwortung damals auch alles andere als fehlerfrei agierte, dafür ebenfalls teilweise sehr hart angegangen wurde. Auch das fand ich, obwohl beileibe kein Unions-Anhänger, häufig viel zu hart und ungerecht. Ich habe Spahn damals immer wieder mal öffentlich in Schutz genommen.

In Situationen zu stecken, für die es noch keine verlässlichen Erfahrungswerte gibt, ist undankbar und gebietet aus meiner Sicht auch eine gewisse Nachsicht gegenüber Fehlern. Leider hat Jens Spahn das wohl schon wieder vergessen, steht er heute in der ersten Reihe der Kritiker der scheidenden Ampel. Ich würde mir da von ihm etwas mehr Selbstreflexion wünschen. Aber das ist ein anderes Thema. 😉

Dass du, lieber Robert, dich jetzt enttäuscht von der Grünen-Spitze zurückziehst, ehrt dich vor diesem Hintergrund, auch wenn ich es persönlich sehr schade finde. Für deine körperliche und mentale Gesundheit sollte sich die Entscheidung allerdings auszahlen. Wie sehr dich die Verantwortung und der Umgang damit beansprucht haben, das konnte man dir ja von Monat zu Monat mehr ansehen. Auch deshalb wünsche ich dir jetzt von Herzen erst einmal ein paar ruhigere Wochen. Die hast du dir zweifelsohne verdient. Und vielleicht sieht man dich ja dann irgendwann in einer gestalterischen Rolle in der Republik wieder. Das muss dann ja kein Ministeramt sein. Und schon gar nicht in solch wilden Zeiten…

Meinen vollsten Respekt hast du dir in den vergangenen Jahren jedenfalls verdient. Dessen kannst du dir sicher sein, auch wenn dich das aktuell vielleicht nicht wirklich tröstet…

Mach es gut, und danke für deinen Einsatz, Robert!

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