Mobile Stromstecker unterwegs…

Foto: flickr.com/ moritzmerkel

Auf der Leistungsschau der deutschen Industrie, der Hannovermesse hat in diesem Jahr ein kleiner Gegenstand für Aufmerksamkeit gesorgt. Es ging um einen Stecker. Etwa Handtellergroß wird er zum Symbol für die Zukunft im Straßenverkehr.

Denn mit dem Stecker wird ein neuer Standard für Stromautos gesetzt: Die Norm für die Elektro-Tankstellen in Europa. 20 der größten Energieunternehmen und Autohersteller Europas haben sich mit dem Stecker auf die grundsätzlichen Eckpunkte für die Versorgng der Elektrowagen der Zukunft geeinigt. Dreiphasig, mit einer Leistung von 400 Volt und bis zu 63 Ampere, kann über die neuen Anschlüsse genügend Strom in leere Batterien gepumpt werden, um platte Elektroautos in wenigen Minuten wieder flott zu bekommen. Ende April sollen die Details zum neuen Industriestandard vorgestellt werden.

Ein Stecker ist spannend? Ja, denn die Nachricht ist entscheidend für die Entwicklung der zukünftigen Stromautos, wie Carolin Reichert erklärt. Reichert ist Leiterin der Abteilung für die Entwicklung neue Geschäftsfelder beim Stromkonzern RWE.

Sie sagt, nur wenn es europaweit einheitliche Anschlüsse für die Stromautos gebe, könnten diese in Großserie gebaut werden. „Ein Auto muss in Italien genauso betankt werden können, wie in Dänemark, Deutschland oder Frankreich.“ Probleme wie mit Rasierapparaten oder Laptops in fremden Ländern müssten für den PKW-Vertrieb vorab gelöst werden. Die Standards sollen für jeden Anbieter frei zugänglich sein. „Das ist für die Massenproduktion sehr wichtig.“

Doch bevor es soweit ist, müssen weitere Schwierigkeiten gemeistert werden. Experten rechnen damit, dass es bis zu 20 Jahren dauern kann, bis die Stromer zur echten Konkurrenz für Diesel und Benziner werden. Nach Ansicht von Bernd Bohr, Geschäftsführer des Automobilzulieferes Bosch, hindern vor allem die hohen Kosten für den Elektroantrieb und die Batterien einen schnellen Ausbau des Antriebs. Allein die Stromspeicher, die eine Reichweite von 200 Kilometern garantieren könnten, seien mit Kosten von rund 8000 Euro so teuer wie ein komplettes Benzinauto. Bevor nicht die Batterien eine dreifach höhere Leistungsdichte hätten, sei eine Ablösung des Verbrennungsmotors „illusorisch“, sagte Bohr. Es scheint, wenn man dem Experten zuhört, als seien die Elektroautos so etwas wie die Brennstoffzellenwagen der Jetztzeit – hochgelobt und doch nie eingeführt.

Tatsächlich bestätigt auch RWE-Entwicklungschefin Reichert: „Es gibt einen Hype um die Elektroautos.“ Der müsse nun ein wenig zurückgedreht werden. „Es ist nicht so, dass übermorgen jedes zweite Auto mit Strom fährt.“ Die Entwicklung brauche Zeit. So würden momentan die Fahrzeugbauer ihr Geld immer noch mit Benzinern verdienen. Zudem müssten in der Wirtschaftskrise die akuten Probleme gelöst werden. Da hätten die Stromwagen keine Priorität. Aber es sei eben klar, in welche Richtung sich der Markt entwickeln würde. „Wir werden Stromautos bekommen“, sagt Reichert.

Ähnlich sieht das der Chef des Versorgers E.on Energie, Klaus-Dieter Maubach: „Die Frage ist nicht, ob das kommt, sondern wann.“ Der Manager will sein Versorgungsnetz auf die Einführung der Stromautos ausrichten. Auch hier gibt es viele Probleme zu lösen. Denn das Netz muss stabil gehalten werden, wenn tagsüber oder nachts zehntausende Autos gleichzeitig an- oder abgeschaltet werden. Nach Ansicht von Maubach würde dies das ganze System der Stromversorgung verändern. „Stellen Sie sich vor, in einigen Jahren sind Hunderttausende oder gar Millionen von Elektroautos in Deutschland unterwegs. Dann müssen deren Batterien täglich zuverlässig aufgeladen werden“, sagte Maubach dem Focus.

Und genau dieser Wille, die Herausforderungen anzugehen, macht den Unterschied zwischen den Stromwagen und den Brennstoffzellenautos aus. Zudem herrscht ein massiver politischer Wille in ganz Europa, die neuen Gefährten auf die Straße zu bringen. Vorreiter ist Großbritannien. Hier soll der Kauf von Elektroautos direkt gefördert werden. Schon ab 2011 soll jeder Brite, der ein umweltfreundliches Fahrzeug kauft, bis zu 5000 Pfund (etwa 5700 Euro) als Zuschuss bekommen. Allein in London will die Stadt 25000 Stromtankstellen bauen. Hier fahren heute schon 2000 Elektromobile.

Dazu kommen Programme, mit denen die Fahrzeugentwicklung selbst unterstützt werden soll. Allein Nissan und Jaguar haben rund 500 Mio Pfund über die europäische Investitionsbank, um eine neue Produktion aufzubauen. Die Briten hoffen, dass Nissan mit dem Geld seinen Betrieb in Sunderland zum europäischen Hauptwerk für ein zusammen mit Renault entwickeltes Elektroauto macht. Von hier aus sollen schon ab 2010 Stromwagen von Band laufen. Zunächst werde diese in die USA verschifft, dann soll ab 2012 Europa beliefert werden.

Auch in Deutschland setzt die Bundesregierung auf Förderprogramme. 500 Mio. Euro sind schon bereitgestellt. 115 Mio davon alleine für die Entwicklung einer Infrastruktur. In Berlin wurden Pilotprojekte der großen Versorger Vattenfall und RWE gemeinsam mit den Konzernen Dailmer und BMW gestartet. Ähnliche Vorhaben sind in Oldenburg, dem Ruhrgebiet und Frankfurt in der Genehmigungsphase.

Es scheint also, als sei die Entwicklung nicht aufzuhalten. Doch bevor es richtig losgehen kann, muss eines der größten Wachstumshindernisse beseitigt werden. Die Stromer brauchen leistungsfähige Batterien. Und auch hier ist die Einigung bei den Steckern wegweisend. Der Standard definiert auf Jahre hinaus eine Norm, den alle Batterie-Entwickler berücksichtigen müssen, wenn sie im mobilen Strommarkt mitmachen wollen. Der Druck wächst also.

In Japan schließen sich die großen Autohersteller mit Batterieproduzenten zusammen. Hando kooperiert mit dem Spezialisten Yuasa. Der Konzern Toyota hat eine Partnerschaft mit dem Elektro-Marktführer Panasonic. Nissan hat sich mit NEC zusammengetan.

Auch in Deutschland suchen die Auto-Konzerne kompetente Partner. VW lässt sich Batterien von Sanyo liefern. Und Daimler ist mit 49 Prozent bei der sächsischen Firma Li-Tec eingestiegen.

Der Kamenzer Betrieb will ab 2011 Autobatterien in Großserie herstellen, sagt Vertriebsleiterin Claudia Brasse. „Wir können dann schnell bis zu 100.000 Autos im Jahr ausrüsten.“ Schon heute produziert das Werk in einer Vorserie neuartige Batterien, die aufgrund ihrer Technik, kleiner, leichter und sicherer sind, als die herkömmichen Lithium-Ionen-Batterien. „Wir gehen davon aus, dass wir den Preis in der Massenproduktion um 50 Prozent drücken können“, sagt Brasse. Die Maschinen und das Know How seien da. Nun gehe es darum die Produktion hochzufahren.

Grund genug also für Optimismus. Die Bundesregierung rechnet damit, dass im Jahr 2020 mehr als eine Millionen Stromwagen in Deutschland unterwegs sind. Die ersten Schritte auf dieses Ziel hin, wurden gemacht.

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