Für viele Menschen, insbesondere hier im Ruhrgebiet, sind die Zeiten hart. Das Geld ist knapp. Dementsprechend freuen sich viele, wenn sie etwas geschenkt bekommen – sollte man zumindest meinen.
Dass dem jedoch nicht immer so ist, musste ich kürzlich in der eigenen Familie erfahren.
Meine Eltern hatten sich entschieden, ihre Couchgarnitur nach einigen Jahren treuer Dienste gegen eine neue, seniorengerechtere auszutauschen. Das alte Modell war mittlerweile etwas durchgesessen und zu weich, sodass ältere oder unbeweglichere Personen Schwierigkeiten hatten, sich daraus wieder zu erheben.
Ansonsten war die Leder-Garnitur, bestehend aus einer 3er- und 2er-Couch sowie einem Sessel, aber noch völlig intakt. Sie hatte weder Löcher noch größere Kratzer. Für Menschen, die sich ihre erste Wohnung einrichten oder neu anfangen wollen, hätte sie durchaus noch mehrere Jahre gute Dienste leisten können. Da gebrauchte Möbel bekanntlich nur geringe, fast schon symbolische Verkaufspreise erzielen, entschieden sich meine Eltern direkt dazu, die Sitzgarnitur zu spenden bzw. zu verschenken. Nur abgeholt werden hätte sie eben müssen.
Gesagt, getan – sie informierten unter anderem die örtliche Diakonie, die hier regelmäßig um Kleider- und Möbelspenden wirbt, um diese günstig an bedürftige Menschen weiterzuverkaufen. Nachdem diese vor einigen Jahren jedoch schon einmal einen einzelnen Sessel von unserer Familie als Spende abgelehnt hatte, schwante uns jedoch bereits, dass ein Interesse an der zu verschenkenden Garnitur keineswegs garantiert wäre.
Damals hieß es allerdings, einzelne Sitzmöbel seien grundsätzlich nur schwer zu verkaufen. Da es sich diesmal um eine komplette Garnitur handelte, gingen meine Eltern insgeheim jedoch davon aus, dass die Diakonie sich über die angedachte Spende freuen würde. Das Erstaunen war dementsprechend groß, als die zuständigen Mitarbeiter die Möbel nach ausführlicher Begutachtung und Probesitzen vor Ort nach einer längeren Bedenkzeit und Rücksprache mit Kollegen dennoch erneut ablehnten. Auch alternative potentielle Abnehmer hatten kein Interesse. Nachdem auch ein Aushang an der Pinnwand im örtlichen Supermarkt über Wochen hinweg keinen Erfolg brachte, ging die ‚Spende‘ letztlich zum Sperrmüll. Das Thema war damit erledigt.
Ich finde es allerdings sehr schade und wundere mich, ebenso wie der Rest der Familie, über den erkennbaren Widerspruch zwischen der offensichtlich stetig zunehmenden Armut in weiten Teilen unserer Gesellschaft und der gleichzeitig offenbar entstandenen Anspruchshaltung bei gut gemeinten Möbelspenden.
Wer die Nachrichten verfolgt und die allgegenwärtige Armut im Alltag– gerade auch im Ruhrgebiet – wahrnimmt, hat Schwierigkeiten, ein solches Verhalten nachzuvollziehen.
Offenbar geht es uns als Gesellschaft materiell doch noch immer relativ gut – zumindest gut genug, um eine Sitzgarnitur, die ich in meiner ersten Wohnung damals liebend gerne als Erstausstattung gehabt hätte, als Geschenk zur Selbstabholung auszuschlagen. Das kann einen schon nachdenklich stimmen…