Moers-Festival 2018: Das Programm zu Pfingsten steht

Pressekonferenz Moers 2018

2017 war ein Jahr des Umbruchs für das traditionsreiche Festival, das seit 1972 immer wieder Tausende Musikbegeisterte aus ganz Europa an den linken Niederrhein zieht –oder je nach Sichtweise an den westlichsten Rand des Ruhrgebiets. Von unserem Gastautor Matthias Heße.

2017 löste Tim Isfort Rainer Michalke als künstlerischen Leiter des „Jazz“ (wie es bei den Eingeborenen lapidar genannt wird) ab und verordnete dem zwar hochkarätigen, aber auch etwas in die Jahre gekommenen Großereignis eine Frischzellenkur, die nicht nur für die zahlenden Festivalbesucher, sondern in der gesamten Stadt spürbar war. Der Auftritt der SWANS oder die Kollaboration der dänischen Saxophonistin Mette Rasmussen mit den belgischen Crustpunkern von Cocaine Piss setzten das deutliche Signal, daß mit der reinen Lehre des avantgardistischen Jazz allein, garniert mit ein bißchen Weltmusik, die Zukunft des Moersfestival nicht zu haben ist. Gespielt wurde dabei nicht nur in der Halle, sondern auch im Schlosspark, Kirchen, Kneipen, Friseursalons und Geschäften – selbst das schrägste Zeugs kann Spaß machen, davon konnten sich beim Neustart 2017 auch skeptische Bürger überzeugen, während Ticketinhaber durchaus Wege auf sich nehmen mußten, um den Wunsch-Act hören zu können. Ciao Snobism!

Kein Jazz „auf’m Jazz“?

Viel Spektakel also letztes Jahr – und der rote Faden bei der Programmgestaltung 2018? „Das Spiel mit dem Unerwarteten,“ sagt Tim Isfort bei der Pressekonferenz im Moerser Hallenbad und reckt den Arm in die Luft, um sein Mikro zu retten – während der Vorstellung der diesjährigen Festivalkünstlerinnen und Künstler hat sich der Hubboden des Beckens gesenkt, sind Biertisch, Namensschilder und der Kulturdezernent abgesoffen, ist Badegast-Statisterie zu Nixen, Seebullen und Piraten mutiert und haben Musiker unbeeindruckt weiterimprovisiert. Lust am Wahnsinn also und Mut zum Risiko, und der findet sich auch im diesjährigen Programm wieder:

Freejazz-Institution Peter Brötzmann, der mit früheren Konzerten einiges zur Legendenbildung des Festivals beigetragen haben dürfte, trifft auf die US-Noise-Formation Oxbow, laut eigener Aussage „hörbarer letzter Wille und Testament der gescheiterten Menschheit.“

Die Indierocker Elfterklang begegnen B.O.X, einem belgischen Ensemble, das sich mit Cornett, Theorbe, Viola da Gamba und Cembalo der Alten Musik verschrieben hat.

Bei der Marimba-Madimba Conférence treffen Marimba-Spieler aus verschiedenen Kontinenten aufeinander. Richard Dawson (UK) spielt innovativen Folk, bei Mikrosaivo singt Tom Liwa in der Phantasiesprache Halverstek, Josephine Bode rettet den Ruf der Blockflöte, Jaques Palminger oder die WDR Bigband dürften auch einem breiteren Publikum bekannt sein.  Mit Siddi Traces, einem extra für Moers initiierten Projekt des Dortmunder Klangkünstlers Achim Zepezauer mit indischen und Siddi- Musikern, einer  winzigen südasiatischen Volksgruppe mit afrikanischen Wurzeln, ist für Weltmusik-Fans ein echtes Sahneteilchen im Programm.

„Wir werden vertiefen, was wir letztes Jahr begonnen haben,“ so Isfort. Und da das Unerhörte  in Moers Tradition habe, dürften auch die Traditionalisten im Publikum zufrieden nach Hause gehen. Es ist ja auch nicht so, als gäbe es auf „dem Jazz“ plötzlich keinen Jazz mehr zu hören: Das US-Duo Talibam! hat letztes Jahr schon auf einigen Nebenschauplätzen gezeigt, wo der Hammer hängt und ist 2018 gemeinsam mit Matt Nelson und Ron Stabinsky als „Artists in Resistance“ in der Halle zu Gast, außerdem machen This Against That feat. Ravi Coltrane, die Großformation Nate Wooley’s Seven Storey Mountain, Just Another Foundry aus Deutschland und viele andere Künstlerinnen und Künstler neugierig.

(Und daß Google nicht bei jedem genannten  Act ein aussagekräftiges Ergebnis ausspucken kann, sollte in Zeiten von Fake News nicht ernsthaft verwundern. Auch wenn ich einiges darum gäbe, eine Band wie Botox Family um den legendären Stef Flops tatsächlich auf der Bühne sehen zu können.)

Fokus Pjöngjang

Defintiv kein Fake: Isfort und sein Team haben noch ein As im Ärmel, das sie vielleicht aber nicht werden ausspielen können. Der künstlerische Leiter hat auf der Suche nach authenischer Musik Nordkorea bereist und ist dort, jenseits von Marschmusik und Propaganda, fündig geworden. Damit setzt er seine Linie fort, musikalische Begegnungen auch über schwer zu überwindende Grenzen hinweg zu versuchen (Myanmar, Kongo…). Nordkorea hat bereits Entgegenkommen signalisiert, das auswärtige Amt und der Schengenraum tun sich da noch etwas schwerer. Fokus Pjöngjang hat es unter Vorbehalt auf das gedruckte Plakat geschafft – ob es die Musikerinnen und Musiker, die Isfort einladen möchte, aber tatsächlich nach Moers schaffen, steht noch in Frage.

Außerdem: Die Moers Sessions, kuratiert von The Dorf-Mastermind Jan Klare. Die Reihe discussions wird fortgesetzt. Und ein üppiges Beiprogramm, das im Festivaldorf und überall in der Stadt für Aussehen sorgen soll. Das wird allerdings in einer separaten Pressekonferenz bekannt gegeben – vielleicht sogar trockenen Fußes.

 

 

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