Mondfahrten – Eine Besprechung

Mondfahrten nennt er sie, seine Touren durch den „unterbelichteten Planeten namens USA“. Markus Franz kennt sich dort aus in den Staaten.

Er war Sozialattache an der deutschen Botschaft in Washington, hat sich mit Gewerkschaftern getroffen, mit Mächtigen und Ohnmächtigen. Ist wochenlang durch das Land gereist, hat mit Sozialhilfeempfängern gesprochen, mit Glücksspielern und dem normalen Joe Schlosser. Der eine oder andere wird ihn kennen. Für letzten Print-Ding der Ruhrbarone hat Markus Franz einen Report über die Indianer geschrieben, über ihr Leben, ihr Sterben.

In seinem Buch Mondfahrten hat Markus Franz nun Miniaturen versammelt, Beobachtungen und Gedanken, entstanden in der Nacht, teilweise in Schlaflosen. Er wollte damit ursprünglich seinem Bruder in Japan erklären, in was für ein Land er da geraten ist. Markus schreibt über das Brot in den Staaten, über Verpackungen und Vernunft. Über zu große Autos, über den durchschnittlichen Wert eines Amerikaners, über die Brandgefahren einer Matratze und über den unterschwelligen Rassismus in weißen Wohngegenden.

Markus Blick ist dabei der Blick eines Reporters. Ich kenne ihn noch aus seiner Zeit als Redaktionsleiter bei der taz ruhr, damals vor Urzeiten. Markus hat im Normalen, alltäglichen das Besondere gesucht. Er hat sich in stinknormale Straßen gehockt und versucht die Geschichte dieses einen Ortes einzufangen. Dabei war an diesem Ort alles austauschbar. Es waren die gleichen Bäume wie überall, die gleichen Siedlungshäuser wie im restlichen Ruhrgebiet.

Trotzdem hat Markus gesagt, ist dieser Ort einzigartig. Wie jedes Wesen einzigartig ist. Es liegt an uns, diese Einzigartigkeit zu entdecken. Dann hat er sich hingesetzt und gewartet. Ob was passiert. Er ist herumgegangen, hat mit Leuten gesprochen und gesucht. Ein Reporter eben, neugierig, interessiert.

Jeder hat eine Geschichte.

Markus ist dann später zur Süddeutschen gegangen, war danach beim DGB als Pressesprecher und eben dann drei Jahre als Sozialattache in den USA.

Auch dort hat er die Geschichten der Menschen gesucht. Was dabei herausgekommen ist, ist weniger erfreulich für das Land. Etwa wenn Markus über die Stromrechnung eines US-Anwalts berichtet. 4800 US-Dollar pro Monat. Wow. Das ist der Betrag, der im reichsten Land der Welt „die Spreu vom Weizen trennt.“ Kannst Du Dir Luxusstrom leisten, gehörst Du dazu, ansonsten Piss Off. Die Dritte Welt liegt in den Staaten direkt in der ersten Welt. Shawn der Hotelhausmeister in Florida etwa kann nicht zum Arzt gehen mit seinem kaputten Rücken. Das Geld reicht bei einem Stundenlohn von 12 Dollar einfach nicht und der Arbeitgeber will sich nicht an den Arztkosten beteiligen. Shawn trägt deswegen einen Gürtel gegen seine Rückenschmerzen.

Markus ist ein Kind des Ruhrgebietes. Ein Querdenker. Kein Schubladenmensch, der alles nur nach gut und böse einordnet. Manchmal ist er romantisch, manchmal brutal. Derzeit lebt Markus mit seiner Familie in Berlin. Wahrscheinlich wird er dort bleiben.

Seine Mondfahrten erhellen die Sicht auf ein fremdes und doch irgendwie nahes Land in einem seltsamen fahlen Licht. Manches ist bekannt, und doch ganz anders, wie die Wiese vor einem Schloss im Mondschein. Für die einen gespenstig, für die anderen einzigartig. Mir hat das Buch unheimlich gefallen.

Das Buch „Mondfahrten“ ist im Aphorisma Verlag erschienen. 37 Geschichten kosten 12,50 Euro. Das ist ein fairer Preis. Hier kann man das Buch bestellen: klack.

Markus Franz wird bei der ersten Lesung der Ruhrbarone am 4. Mai im Rottstr5 Theater dabei sein und aus seinem Buch lesen. Es wird spannend.

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Michael Kolb
Admin
13 Jahre zuvor

Mal ganz abgesehen davon, daß sich die Rezension spannend liest… Wenn man nicht schon Ultra ist, spätestens zu diesem Termin sollte man es werden.

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