München verbietet Flashmob – Bitte weitergehen!

München Foto: David Kostner Lizenz: CC

Protest, egal gegen was: Fünf Minuten sollen die Menschen am Samstag auf dem Marienplatz stehenbleiben. Aber die Stadtverwaltung hat den auf facebook angekündigten Flashmob verboten. Oberkreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle erklärt, warum die Aktion total gefährlich ist und sowas von verboten gehört. Ein fiktives Interview von unserem Gastautor Daniel Kasselmann

Daniel Kasselmann: Dastehen gegen etwas, was man nicht mag. Das ist doch mal eine nette und friedliche Idee? 

Wilfried Blume-Beyerle: Es ist jedem unbenommen, sich darüber zu äußern, gegen was er ist. Das Motto ist uns scheißegal. Uns geht es um die Aktion, weil sie am Christkindlmarkt am 4. Adventssamstag stattfinden soll und dabei eine Blockade beabsichtigt ist. Das halten wir für eine konkrete Gefährdung von Personen, Sachwerten und dem Finanzplatz Christkindlmarkt.

Aber die angesagten Teilnehmer haben die Aktion als friedlich angekündigt.

Ich unterstelle den Einladenden ja gar keine kriegerischen Absichten. Aber wir haben letzten Samstag bei der S-Bahn-Aktion…

Sie meinen das Massenbesäufnis gegen das Alkoholverbot? 

Ja.

Komasaufen für das Biertrinken in der S-Bahn. Der Vergleich hinkt etwas…

Aber die Situation ist eskaliert, darauf kommt es an.

Weil die Teilnehmer teilweise hackenstramm waren… 

Das kann man nicht ausschließen.

Heißt das, Sie wollen für den Tag auch den Ausschank von Glühwein  und anderen alkoholischen Getränken verbieten, um eine Eskalation zu vermeiden? 

Nein.

Aber Sie verhaften jeden, der steht. 

Verhaftet wird mit Sicherheit niemand, aber es sind Geldstrafen von bis zu 1000 Euro möglich. Uns geht es nicht um das Stehenbleiben, sondern um Blockaden. Auf facebook wird von Einzelnen angekündigt, zwischen Kaufhof und Rathaus eine blockierende Menschenkette zu bilden. Wenn die Polizei so etwas erkennt, muss sie einschreiten.

Das erinnert mich jetzt stark an § 217, Strafgesetzbuch der DDR über die Zusammenrottung…

Es geht hier um eine Blockade!

Wer sich an einer die öffentliche Ordnung und Sicherheit  beeinträchtigenden Ansammlung von Personen beteiligt… § 217, Strafgesetzbuch der DDR. 

Man kann ja deutlich unterscheiden zwischen einem, der im Weg steht und blockiert und einem, der nur steht und Glühwein trinkt.

Wie sind die Ordnungskräfte angewiesen, sich zu verhalten, wenn jemand beiden gleichzeitig tut? 

Da werden die Sicherheitsorgane im Einzelfall entscheiden.

Als rechtliche Handhabe haben Sie eine Allgemeinverfügung erlassen. Das ist ungewöhnlich. 

Das ist bundesweit sogar eine Premiere bei einem Flashmob.

Das klingt jetzt sehr stolz… 

Die Allgemeinverfügungen gibt es bei uns sonst in der Regel nur einmal im Jahr, bei der Sicherheitskonferenz. Die Verfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich auch an unbekannte Personen richtet. Die rechtliche Schwierigkeit besteht ja darin, dass Flashmobs im derzeitigen Katalog von Menschenansammlungen nicht vorgesehen sind. Bei Veranstaltungen und Versammlungen habe wir Anmeldungen und Ansprechpartner, bei Flashmobs nicht, Das ist ein neues Phänomen, mit dem wir umzugehen lernen müssen.

Und lernen bedeutet, dass Sie auch zukünftig Allgemeinverfügungen gegen Flashmobs erlassen? 

Das ist immer eine Einzelfallentscheidung.

Also von Fall zu Fall gegen die jeweilige Flashmobinitiative? Oder ist ein neues Gesetz wie § 217 StrGB DDR notwendig? 

Ja. Wir werden künftig selbst verstärkt auf facebook sein, um zu lesen, was da angekündigt wird und auch aktiv eigene Beiträge einstellen.  Nur so erreicht man ja die Nutzer von facebook. Ob ein neues Gesetz erforderlich ist, wird man sehen.

Wie werden die Sicherheitsorgane einschreiten, wenn sich auf dem Christkindlmarkt Flashmobs oder Zusammenrottungen an den Glühweinständen bilden? 

Wenn jemand am Glühweinmarkt Schlange steht, dann kann er das natürlich gerne tun.

Also wäre die Menschenkette zwischen Kaufhof und Rathaus für sie kein Problem, wenn sich dort ein Glühweinstand befinden würde? 

Da ist aber kein Glühweinstand. Die Ordnungskräfte können schon unterscheiden, ob jemand blockiert, oder in einer Warteschlange ansteht.

Wie zum Beispiel am Toilettenwagen auf dem Weihnachtsmarkt. Oder muss ich  auch ein Bußgeld der Ordnungskräfte befürchten, wenn ich dort in einer Schlange stehe, weil ich pinkeln muss?

Nein, da können Sie ganz unbesorgt sein.

Auch nicht, wenn ich beim Aldi an der Kasse stehe? Sie wissen, die Schlangen bei denen sind manchmal ziemlich lang, das erfüllt total den Zusammenrottungsparagraphen…

Die Schlangen bei Kaisers sind länger.

Da kaufe ich nie ein. Zu teuer. Nur machbar für einen Kreisverwaltungsreferenten. Ich bin Journalist. 

Sie müssen sich keine Sorgen machen, wenn sie bei Aldi an der Kasse stehen.

Und wenn ich im Auto auf der A 40 im Stau stehe auch nicht? 

Nein, das ist ja höhere Gewalt.

Nun, ich könnte ja zur Not auf dem Standstreifen… 

Nein, der ist ja zum Stehen da.

Also könnte ich da theoretisch einen Flashmob… 

Nur, wenn Panne. Mit dem Auto.

Ach, da fällt mir ja ein, ich habe ja gar keinen Führer-Schein… und Panne bin ich auch nicht. 

Das hat ja auch keiner behauptet.

Gut. Sie sind ja auch überhaupt nicht Panne, ne?

Sagen sie mal, wollen Sie mich verarschen?

Ja wer hat den damit angefangen? 

Das Kreisverwaltungsreferat hat den Text der Allgemeinverfügung, mit der der Flashmob auf dem Marienplatz untersagt wird, auf der Facebook-Seite der Veranstalter platziert – von Freitag an bis zum 24. Dezember ist das Verbot für Veranstaltungen solcher Art gültig. Im Internet gibt es geteilte Meinungen. Einige wollen die Aktion trotz Verbot durchziehen und halten dessen rechtliche Begründung für Unfug. Andere sehen ein, dass es zu massiven Behinderungen kommen könnte und schlagen andere Termine vor. Auch eine Ortsverlagerung wird diskutiert. Ein paar Nutzer schlagen auch vor, sich mit einer Tasse als „ordentliche Glühweintrinker“ zu tarnen – und sich in der Fußgängerzone zu verteilen.

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Katharina
Katharina
13 Jahre zuvor

Danke für den herrlichen Artikel.

Schon früh am Morgen herzlich gelacht.

Möchte gerne in München einen Glühwein trinken.

Die Kreisverwaltung hat Angst vor stehenden Menschen.
Das hat was Unschönes.
Was ist mit einer Demo von A nach B gehend? Mit Glühwein in Bechern wohlgemerkt. Glühweintrinker werden akzeptiert.
Nee, jetzt wird´s ernst. Das verdirbt mir den Spaß am Artikel.

Stimpel
Stimpel
13 Jahre zuvor

Genial, dafür möchte man glatt aus dem hohen Norden nach München fahren…

KATHARINA
KATHARINA
12 Jahre zuvor

Was ist eigentlich aus dem Flashmob geworden ?
Hat er stattgefunden und hat München den Tag überlebt ?
Oder oder ?
Wer weiß es ?

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