Multikulturelles Stammesbewusstsein

Graffiti an der Bochumer Christuskirche Foto: Ayla Wessel

„Tötet die Deutschen“ – dieses Graffiti steht seit einer guten Woche an der Wand der Bochumer Christuskirche. Von unserem Gastautor Thomas Wessel.

„Wir stellen bei den Gewalttätern seit einiger Zeit eine unverblümte Deutschenfeindlichkeit fest.“ Der Satz ist bald fünf Jahre alt, er stammt aus einem Interview, das Kirsten Heisig, Berliner Jugendrichterin, zusammen mit ihrem Kollegen Günter Räcke dem Tagesspiegel gegeben hatten: „Scheiß-Christ, Schweinefleisch-Fresser – das sind Begriffe, die  richtig in Mode sind.“ Ist der Satz Tötet die Deutschen, vor kurzem auf die Außenmauer der Christuskirche geschmiert, deutschenfeindlich? Ist das Rassismus?

Nein, würde die Publizistin Andrea Dernbach vermutlich sagen. Rassismus, schrieb sie kürzlich, sei das „falsche Wort“, denn:

„Rassismus war immer der Vorwurf der Unterdrückten an die Adresse der Unterdrücker, der Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse gegen deren Nutznießer. Er erzählt von Macht. […] Alles, was  wir inzwischen über strukturelle Diskriminierung von Migranten allein auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem wissen, spricht eine andere Sprache.“

Ja, würde die Bundesministerin Kristina Schröder sicherlich sagen, der Satz Tötet die Deutschen ist  „Deutschenfeindlichkeit ist Fremdenfeindlichkeit, ja Rassismus. Denn hier wird jemand diskriminiert, weil er einer bestimmten Ethnie angehört.“ Recht hätten sie beide nicht, finde ich. Dernbach behauptet vorweg, dass nur, wer Macht habe, rassistisch sei und darum, wer keine habe, kein Rassist sein könne  – eine kuriose Logik, mit der sich auch Neo-Nazis solange freisprechen ließen, bis sie die Macht erneut übernähmen. Dernbach braucht aber diesen Unfug, um die Welt zu sortieren: Migranten, sagt sie, seien ohne Macht, darum Opfer, weil „strukturell“ diskriminiert, während Deutsche von Geburt wegen „Nutznießer“seien.

In der Redaktion ihrer Zeitung mag das auch durchaus so sein, ist es aber sicher nicht, wenn man die Namen der Abiturjahrgänge liest, die in der Zeitung stehen. Letzte Woche hatten wir hier in der Christuskirche zwei Abitur-Entlassungsfeiern, das war eine polyglotte Meisterleistung, das Aufrufen der Namen. Menschen sind nie Opfer oder Täter, sondern immer beides:

„simul iustus et peccator“ hieß das bei Martin Luther, gerecht und sündig zugleich. Es gibt kein Schwarzweiß und keine Weißen oder Schwarzen  –  entscheidend ist, wie sich das Grau schattiert.

Aber auch die Ministerin Schröder liegt falsch, wenn sie glaubt, Rassismus sei dann der Fall, wenn eine „bestimmte Ethnie“ diskriminiert werde. Was soll das sein, die deutsche Ethnie? Das Wort ethnisch ist bestenfalls eine Verlegenheit, es wanderte Anfang der 90er in den Sprachgebrauch ein, als man anfing, wieder in Völkern zu denken anstatt in Nationen, es aber nicht völkisch sagen konnte:

Völkisch hatten die Nazis ihre Bewegung genannt,  „Volk und Rasse“ heißt das Konzept in Hitlers Mein Kampf. Weshalb die Familienministerin glücklicherweise unrecht  hat: Den Völkischen ging es darum, aus Volk eine Rasse zu formen. Und genau das ist der entscheidende Punkt, wenn man verstehen will, was Rassismus überhaupt ist:

Zur Rasse wird, wer verfolgt, und nicht, wer verfolgt wird.

Rasse wird immer die Rotte, die egal wen zu Tode tritt. Tötet die Deutschen ist also lupenrein rassistisch, dies aber nicht deshalb, weil der Appell gegen die Deutschen gerichtet ist, sondern an die eigene Horde.

Die allerdings, wenn sie entsteht, so bunt gewürfelt sein wird wie die Gesellschaft, in der sie entsteht. So etwa die Vier, die jetzt in Berlin wegen Mordversuchs aus „Rassenhass gegen Deutsche“ angeklagt werden: Ihre Familien stammen aus Bosnien, Nigeria, dem Kosovo und dem Irak, gemeinsam aber scheint ihnen zu sein, über alles hinweg zu sehen, was man so liebevoll ethnisch nennt.

Die Horde, die heute entsteht, ist multikulturell, sie ist dabei, ihr Stammesbewusstsein zu entwickeln.

An diesem Punkt erst, an dem es ums Bewusstsein geht, kommt die Religion ins Spiel: Der Aufruf, Deutsche zu töten, wurde schließlich an die Christuskirche geschmiert und nicht ans Symbolgebäude nebenan, das Rathaus. Ob das jetzt spezifisch „christenfeindlich“ sei, ist ein eigenes Thema.

Thomas Wessel ist Pfarrer der Christuskirche

Hinweis: Wer jetzt glaubt, unter diesem Artikel sein fremdenfeindliches Mütchen zu kühlen: Es lohnt den Aufwand nicht. Wie immer löschen wir rigoros alle rechtsextremen und fremdenfeindlichen Kommentare unabhängig vom nationalen oder kulturellen Hintergrund. Und wir diskutieren auch nicht über unseren Umgang mit Kommentaren. ruhrbarone.de

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BioBlubb
BioBlubb
13 Jahre zuvor

Es wäre wirklich interessant zu wissen, wer denn der Urheber war. War es jemand „mit Migrationshintergrund“ bzw. muslimische „Fanatiker“*, fällt der Spruch also in die gleiche Kategorie wie „Scheiß Kartoffeln“, „Schweinefleischfresser“ und „Scheiß Christ“? Oder waren es linke Antideutsche? Von denen kommt sowas ja auch gerne mal (woraufhin ich jedesmal schreien möchte „Was glaubt ihr eigentlich, warum ihr eure bekloppte Meinung hier so frei kund tun dürft?!?“).
Erst wenn die Frage geklärt ist, kann man drüber diskutieren.

*Anmerkung: Ich tue mich an dieser Stelle schwer mit den Bezeichnungen „muslimischer Fanatiker“, „Islamist“ oder „muslimischer Fundamentalist“, denn die bedeuten für mich eher Leute, die den Dschihad unterstützen. Sollte es sich bei dem Schmierer um einen Muslim handeln, sehe ich eher den Ed-Hardy-und-Basecap-Träger mit Bling-Bling im Ohr vor mir, der halt einfach frustriert ist und seinen Glauben (bzw. den der anderen) als Projektionsfläche nimmt.

Stefan Laurin
Admin
13 Jahre zuvor
Reply to  BioBlubb

@BioBlubb: ich habe so etwas aus dem Antideutschen-Spektrum noch nie gehört. Kritik bezieht sich immer auf die Nation, nicht auf die Menschen die die Staatsangehörigkeit besitzen.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

Ermittelt denn jetzt auch der Staatsschutz ?

Stefan Laurin
Admin
13 Jahre zuvor
Reply to  Bert

@bert: Ja.

BioBlubb
BioBlubb
13 Jahre zuvor

Hm, jetzt wo du es sagst wird mir auch bewußt, dass ich tatsächlich meistens eher sowas wie „Nieder mt Deutschland“ gehört habe. Nur in Einzelfällen mal sowas wie „Scheiß Deutsche“ (und dann auch nicht gedruckt oder publiziert, sondern gesprochen. Von Einzelpersonen.).

Ich behaupte jetzt aber einfach mal, dass manch 15-jähriger „Antideutscher“ (also eher die Kategorie, die mitmacht weil es irgendwie cool ist), zu einer solchen Differenzierung nicht unbedingt in der Lage ist 😉

P.S.: Während ich das hier schrieb hab ich nochmal ganz schnell „Antideutsche“ wikipediert, um sicher zu gehen, auf wem ich grad rumhacke. Jetzt bin ich komplett verwirrt. Was bin ich, wenn ich Deutschland mag und kein Antisemit bin?!? Ich blick da nicht mehr durch…

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

Hakan leitet ein Jugendzentrum in Berlin und wurde für das Projekt „Heimat kennt keinen Plural“ interviewt. Obwohl hier aufgewachsen, sind für ihn die Gedanken der Rückkehr in den Herkunftsland nicht mehr fremd. „Ich kann gar nicht sagen wo genau der Punkt war, wo es für mich zu viel wurde. Es ist eine ständige unterschwellige Geschichte die ich erlebe… Nicht zuletzt die Sarazzin-Debatte … für mich schon ein Tropfen das den Topf zum überlaufen gebracht hat, emotional. Es reicht! Was soll das. Ich reiß mir den Hintern auf, wie weit soll ich mich noch integrieren ohne das ich zurückgeworfen werde auf ‚Du bist doch Türke‘. … Ich habe doch immer wieder das Gefühl. Es wird mit dem Finger gezeigt ‚Für ein Türken sprechen sie gut Deutsch‘ Ich will das nicht mehr hören!“
Hakan leitet ein Jugendzentrum in Berlin, erlebt wie türk. Jugendliche ein ambivalentes Verhältnis zu ihrer Identität haben (hier geboren aber stolzer Türke). Führt dieses widersprüchliche Empfinden auch auf das Fehlen eines Konzeptes in der Frühgeschichte der Migration zurück. Kann ich auch nur unterstreichen.
Die Schmiererei als deutschfeindlich zu bewerten? Kann man wohl nur bejahen. Es wäre gefährlich jetzt etwas aufzubauschen, wo man noch nichts in der Hand hat und es wahrscheinlich eine Einzelne dumme Tat bleibt.

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@ Mir: Was hat ein ambivalentes Verhältnis zur eigenen Identität mit einem Mordaufruf zu tun? Hätte jemand „Tötet die Türken“ an die DiTiB-Moschee geschmiert, die hier um die Ecke steht, wäre die Argumentation doch auch eine andere, oder? Ohne dass damit irgendetwas gegen Hakan gesagt wäre.

trackback

[…] dieses Graffiti steht seit einer guten Woche an der Wand der Bochumer Christuskirche Die Ruhrbarone berichten dazu… Dieser Eintrag wurde veröffentlicht unter Antisemitismus Antizionismus, Deutschland Nazis, Iran […]

J.K.
J.K.
13 Jahre zuvor

Für den Fall dass so etwas wie „Arier“ gemeint sein sollten:
Waren das vielleicht HipHopper? Mich erinnert das an „Kill all the white men“, aber vor allem an „Fear of a black planet“ von Public Enemy – kann Frau Schröder ja mal verbieten gehen, haha. Auszüge:

Man you ain’t gotta
Worry ’bout a thing
’bout your daughter
Nah she ain’t my type
(but supposin’ she said she loved me)
Are you afraid of the mix of black and white

What is pure? who is pure?
Is it european state of being, I’m not sure

Excuse us for the news
You might not be amused
But did you know white comes from black
No need to be confused

What’s wrong with some color in your family tree
I don’t know

Aber warum wird davon ausgegangen, dass so ein Prinzip wie „Rasse“ dahinter steckt?
Für den Fall dass einfach deutsche Staatsbürger gemeint sein sollten:
Dann ist das vielleicht einfach eine politisch motivierte Symbolhandlung, die auf die „Aktivitäten“ Deutschlands in Ex-Jugoslawien und Afrika hinweist. So etwas mit dem Verweis auf „Rassismus“ mundtot zu machen, wäre … nicht gut. Manchmal liegt Rassismus auch im Auge des Betrachters.

h.f.ullmann
13 Jahre zuvor

„Ihre Familien stammen aus Bosnien, Nigeria, dem Kosovo und dem Irak, gemeinsam aber scheint ihnen zu sein, über alles hinweg zu sehen, was man so liebevoll ethnisch nennt.“
Alles Muslime? Schade dass der Autor nicht die Kairoer Menschenrechtserklärung kennt.

Im Übrigen habe ich schon 2 mal versucht hier zu erklären, dass dies nichts Neues ist, da ich schon vor 30 Jahren Rassismus gegenüber Deutschen am eigenen Leib erlebt habe. Aber dann gilt man ja sofort als Rechtsextremist, nicht wahr?

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@9 Wäre „Tötet die Amis“ Pop? Die Frage ist doch, wer fordert hier wen auf, „die Deutschen“ zu töten? An wen richtet sich der Appell? Rassistisch ist das Ganze nicht, weil damit Deutsche „rassifiziert“ würden, sondern sich diejenigen „rassifizieren“ – sprich: zur Horde ausbilden – an die so ein Appell gerichtet ist. Könnte im Zweifelsfall ganz hilfreich sein zu wissen, wer gemeint ist.

@ 10 Weiß ich nicht, ob alle Vier muslimisch sind; wir hatten hier neulich z.B. eine irakische Gruppe, das waren Zoroastrier. Aber dass es schwierig ist, in solchem Zusammenhang über die Religion zu reden, stimmt schon. Gerade deshalb, finde ich, müsste man es üben, das Reden, damit es die Rechten nicht tun.

Stefan Laurin
Admin
13 Jahre zuvor
Reply to  h.f.ullmann

@h.f.hullmann: Wenn es Ihnen hier nicht passt – kommentieren Sie doch anderswo….

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

Zu #7 Thomas WEssel

Der Bezug ist wegen dem „multikulti“ im Titel. Nach Hakan ist das gescheitert, weil die Politik sich nicht ganz früh um Gastarbeiter-, Einwanderer-, Migrantenkinder gekümmert hat bzw. ein „Konzept“ erstellt hat. Die Folge ist diese widerspruchliche Identität dieser Generation. Diejenigen Politiker die sagen Multikulti funktioniert nicht, sind die die früher nichts taten und nun auch weiter nichts tun wollen für ein miteinander.

Neben Multikulti benutzen sie noch das Wort Stammesbewusstsein im Titel, was mich wiederrum irritiert. Was soll das denn zusammen genommen heißen.

Wenn sie jetzt mit solchen Vergleichen mit Schmierereien an Moschee kommen wird das nur Fronten verschärfen, auch wenn es keine gibt. Ich würde erst mal Untersuchungen Abwarten und nicht Angst und Schrecken verbreiten.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Mir (6),
„Es wäre gefährlich jetzt etwas aufzubauschen, wo man noch nichts in der Hand hat und es wahrscheinlich eine Einzelne dumme Tat bleibt.“
Ja, Mir, das, sehe ich auch so.
Aber: Was mich an Ihrem Kommentar dann doch erstaunt, ist, dass Sie dann, wenn Sie schon so denken, dass ein Mordaufruf besonnen betrachtet werden sollte, dennoch Verständnis dafür haben, dass der von Ihnen zitierte Hakan gar nicht besonnen reagiert, wenn ihm jemand sagt:
„Für ein Türken sprechen sie gut Deutsch“.
Mir, fällt Ihnen da nicht auf, dass dieser Hakan unverhältnismäßig reagiert, und Sie für dessen Empfindungen Verständnis haben, aber für jede mögliche Schlußfolgerung der vom Mordaufruf evtl. betroffenen Personen nicht?
Mir, Sie persönlich meine ich.
Ich finde, Sie bewerten sehr unterschiedlich.
Warum?

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

Der Spruch könnte auch von Nazis stammen, es soll ja auch ein paar clevere unter Ihnen geben. Selbst wenn am Ende dann doch andere dahinter stecken sollten, empfinde ich es schon als recht befremdlich, mit welcher Selbstverständlichkeit hier ein anonymes Graffitti Nichtdeutschen zugeschrieben wird. Und das ausgerechnet noch von einem Pfarrer.

Und unlogisch ist das ganze obendrein: wenn Rassismus erst dadurch entsteht, dass man sich an die eigene „Horde“ wendet, dann ist das mindeste, dass man diese auch benennt. Genau das macht das Grafitti – im Gegensatz zu einem „Deutsche, kauft nicht bei Juden“ – aber gerade nicht.

Jetzt kann man natürlich alle Nicht-Deutschen oder Migranten alle über einen Kamm scheren und so eine neue multikulturelle Ethnie definieren. Nur dann stellt man sich mit denen auf eine Stufe, die schon seit „tausend Jajhren“ ein wir Deutsche gegen die all die anderen propagieren und dabei sich selbst gerne als Opfer der „anderen“ dargestellt haben. So gesehen ist dieser Text ein vorzügliches Beispiel, wie sich ein latenter Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft breitmacht und wie weiland im Dritten Reich sind auch Kirchenvertreter mit dabei, wenn es auch eine religiöse Dimension gibt.

Dabei ist es alles andere als nachvollziehbar, dass sich Menschen mit so unterschiedlichen ethnischen Hintergründen gegen „uns Deutsche“ zusammentun, ohne dass es etwas mit unserem Umgang mit ihnen zu tun haben soll. Oft müssen schon geringere Unterschiede im Rest der Welt für Mord und Totschlag herhalten, für unseren Pfarrer scheint es hingegen selbstverständlich zu sein, das es reicht, sich nicht als Deutscher zu verstehen, um Einigkeit gegen „uns“ herzustellen.

Stefan Laurin
Admin
13 Jahre zuvor
Reply to  Thomas

@Thomas: Andre Zimmer, ein gerade verurteilter Neonazi, hatte ähnliche Aktionen gebracht: https://www.bo-alternativ.de/2011/06/04/andre-zimmer-legt-gestaendnis-ab/ und hier: https://linksunten.indymedia.org/de/node/41758
Zimmer hat übrigens Bewährung bekommen: https://www.bo-alternativ.de/2011/06/18/zimmer-urteil-22-monate-auf-bewaehrung/

J.K.
J.K.
13 Jahre zuvor

@Thomas Wessel: Hinter der Idee bei Public Enemy, die auf der Oberfläche bewusst spiegelbild-rassistisch ist, steckt natürlich dass nur durch die Behauptung von „Reinheit“ das Problem überhaupt aufkommt. Daher schreib ich „Arier“, denn: Wenn die weg sind, und die „Vollschwarzen“ auch, dann ist auch kein Problem mehr da. Das sagt der Rap. Und das sagt er selbstverständlich provokant und ist nicht so piefig-wörtlich zu nehmen. Und die Schmiererei vielleicht halt auch nicht.
Die Sprache, die Geste muss nun einmal verstanden werden. Verstehe ich die Aussage eben nicht rassistisch, auch von mir aus nicht, dann muss ich bei derzeitigem Hintergrundwissen von „was Deutschland in Ex-Jugoslawien und Afrika tat und tut“ als Motiv ausgehen.
Nur weil irgendwo „Deutsche“ steht, muss das doch niemand als Angriff auf eine „Ethnie“ verstehen. Weder jemand jetzt hier noch die, die das auf der Wand lesen. Und da wird auch nicht zwingend „eine Ethnie konstruiert“. Weil „die Deutschen“ (und alle anderen) „Deutsche“ einfach als „deutsche Staatsbürger“ lesen dürfen. Warum sollte jemand das anders lesen (wollen)? Weil es immer noch „Volksverhetzung“ heißt und „Volk“ immer noch falsch verstanden wird? Ich gehe davon aus, dass die jungen Herren damit eine politische Aussage machen und die deutschen Staatsbürger einfach nur kurz und knapp im Graffiti-Stil in Sippenhaft genommen haben für das, was ihre Regierungen so tun in Europa und Afrika. Ist ja eine Demokratie hier, ne? Wer da Rassismus sieht… (s.o.)

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

@Helmut Junge
Vielleicht tue ich das. Ich bin hier als Gastarbeiterkind aufgewachsen. Hätte ich nach jeder Diskrimierung empfindlich reagiert, wäre ich wohl schon ganz oft weg.
Nach dem Artikel ist der Satz an der Wand nicht konkret oder an jemanden gerichtet. Ich würde nicht spekulieren, hypothesen aufstellen oder fragwürdige zusammenhänge herstellen.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Mir (18),
Sie haben ja Zeit.
Denken Sie einfach mal darüber nach, dass Menschen zunächst nicht als Gruppe empfinden, sondern erst mal individuell, was aber immer geprägt ist, von der Sozialisierung, die sie durchlaufen haben. Daraus bildet sich dann allerdings doch ein gruppenspezifisches Denken.
Nur, Mir, dieses Denken gilt es zu überwinden.
Allerdings muß man, wenn man es überwinden will, verstehen, wie die jeweils Anderen denken. Die sind womöglich genau so verletzlich wie man selbst.
Wenn Sie darüber nachdenken, habe ich alles erreicht, was ich in meinen Kommentar (14) erreichen wollte.

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@15 Da ist jetzt aber wirklich alles versammelt, was es an halbkritischen Standards so gibt. Erst ist es „ausgerechnet ein Pfarrer“, dann ist das „schon seit ‚1000 Jahren'“ so, dann kommt auch schon das „Dritte Reich“, alles Nazis und das bis heute und also „selber schuld“. Und natürlich viel Verständnis für alle, von denen das halbkritische Bewusstsein glaubt, sie könnten qua Geburt nie Nazis sein.

Können sie aber, und zwar eben „wie weiland im Dritten Reich“, weil der Faschismus eine internationale Bewegung war (und ist) und es überall Verbündete und Geistesverwandte gab (und gibt). Am 27. Januar 2010 hat Feliks Tych, polnischer Historiker und Holocaust-Überlebender, im Bundestag darüber gesprochen, dass der „Unschuldsmythos“ langsam bröckelt:

„Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass fast in jedem europäischen Land, in dem die nationalsozialistischen Deutschen ihr Projekt zur Ausrottung der Juden verwirklichten, ein Teil der einheimischen Bevölkerung so oder anders in den Völkermord verwickelt war: sei es als Retter, als Täter, Denunzianten, als den Tätern geneigte Zuschauer oder sei es nur als Profiteure, die sich selbst die Hände nicht schmutzig machten, und vor allem als Gleichgültige.“

Das also war „wie weiland“, wie ist das heute? Hat Tych „die Deutschen“ freigesprochen, weil er über ihre Verbündeten gesprochen hat? Natürlich nicht, „Thomas“ halbkritischer Verweis auf die Geschichte macht nichts mehr deutlich als dass es für die Gegenwart keine Sprache gibt. Was daran liegt, dass man hierzulande nie begriffen hat, wie Rassismus entsteht und was das überhaupt ist. Beispiel „Thomas“: Ihm zufolge ist kein Rassist, wer „Tötet die Deutschen“ ruft, sondern derjenige, der sich fragt, wer wohl gemeint sein könnte mit diesem Appell.

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@ 13 Mir Das stimmt, Multikulti war schon gescheitert, als es den Begriff noch gar nicht gab. Es war auch nie, was immer alle denken, etwas Linkes, sondern ziemlich reaktionär, weil es davon ausgeht, dass Kultur etwas sei, das man „hat“, und also nichts, was man erwirbt. Bildung zum Beispiel. Multikulti war das perfekte Konzept dafür, nichts zu tun, es „haben“ ja alle. Wer sich da rausgearbeitet hat aus diesem „Deutsche sind deutsch“ und „Türken müssen türkisch sein“, alle Achtung. Ambivalente Identitäten sind großartig, das ist der Stoff, aus dem Individualität entsteht.

Übel sind die Leute, die solche Mühen scheuen und türkisch „sind“ oder deutsch „bleiben“ wollen. Muss man sich nur die Nazi-Horden vor Augen rufen, die in Ostdeutschland anzutreffen sind oder in Ungarn, diese Leute denken nicht nur das Gleiche, die sehen auch so aus. Das passiert, wenn man ein Stammesbewusstsein entwickelt, man ähnelt sich an. Was dann sehr praktisch werden kann, am Ende weiß niemand, wer der Mörder war.

Was ich mich gefragt habe, ob wir nicht gerade dabei zuschauen, wie hier ein Stammesbewusstsein entsteht. Eines, das eben nicht mehr „deutsch“ ist oder „türkisch“, sondern multikulti. Wenn aber, dann wäre es eines, das ein Problem hat mit der Frage, auf wen man es denn abgesehen hat. Wen töten, wer ist schuld? Dasselbe Problem hatten „weiland“ auch die Nazis, und die haben nicht versucht, es mit Logik zu lösen.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

Irgendwie möchten fast alle Kommentare hier diese Tat relativieren, „ach ist ja nicht so schlimm“, „bestimmt ein EInzelfall“, etc…

IMHO sollte man das nicht so locker sehen, denn sonst fliegt uns in ein paar Jahren hier alles um die Ohren.

Hoffen wir mal, dass der Staatsschutz Erfolg bei den Ermittlungen hat.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

Ich finde es seltsam, dass hier ein Aufruf zum Töten nicht eine Diskussion über das Töten selbst sondern über die kollektive Identität oder auch Nichtidentität der Objekte des Tötens thematisiert.

Tötung bedeutet die komplette und absichtliche Auslöschung menschlichen Lebens. Sie bezieht sich hier obendrein umstandlos auf die gesamte Bewohnerschaft eines Landes, also auf zig Millionen von Menschen ohne jeden Unterschied von Geschlecht, Alter oder Herkunft.

Welche archaischen und zugleich in jeder Weise maßlosen Vernichtungsfanatasien beherrscht einen Menschen, der soetwas gut sichtbar an ein öffentliches Gebäude schreibt? Welcher Art von Provokation soll das sein, die auf diese Weise zu nichts anderem als zum Massen-, ja defacto zum Völkermord auffordert?

Mir ist es völlig egal ob da jetzt Deutsche oder Türken, oder Russen oder Amerikaner oder Sinti und Roma, oder Schwule an der Kirche steht. Mir ist es auch egal, dass es an einer Kirche steht. Es ist die Totalität und die Massenhaftigkeit des Tötens die mich bei diesem Graffiti zur Sorge veranlasst.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Thomas Wessel:

Aus welchem Teil meines Kommentares lesen sie „viel Verständnis“ und die Unmöglichkeit für bestimmte Gruppen heraus, „qua Geburt“ keine Rassisten sein zu können? Ich hatte dazu nichts geschieben.

Ich habe mich ausschließlich auf die fremdenfeindlichen Stereotypen in Ihrem Text bezogen. Vielleicht sollte ich sie noch einmal klar benennen: Sie fragen sich nicht, wer den Text an Ihre Kirche gemalt hat, sondern der ganze Text beruht darauf, dass es ein „multikultureller Stamm“ war und dass der Autor das auch so allen Ernstes gemeint haben kann. Vielleicht haben Sie da ja am Ende auch recht, aber solange sie es nicht wissen, ist es nichts weiter als ein Vorurteil. Zweifel wären hier also angebracht, aber davon findet sich in Ihrem Text keine Spur.

Das zweite Stereotyp ist die vermeintliche Opferrolle, die sie hier für die Deutschen konstruieren. Wenn Sie den Begriff „multikulturell“ benutzen, dann immer genau so, dass auf der einen Seite die Deutschen und auf der anderen der multikulturelle Rest steht. Und dieser Rest rottet sich wie selbstverständlich gegen uns Deutsche zusammen, als ob alle anderen Unterschiede keine Rolle mehr spielten, solange es nur gegen uns Deutsche geht. Diese Idee der Verschwörung aller anderen gegen uns Deutsche ist ebenso eine klassische Stereotype. Und sie stellen sie nicht in Frage, nein, sie bedienen sie.

Dabei stellt sich wirklich die Frage, woher die Ablehnung, Beleidigung und auch der Hass gegen Deutsche kommt. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, das das rein gar nichts mit uns Deutschen zu tun hat und wie wir mit Ausländern umgehen. Zweifel wären also auch hier angebracht, in Ihrem Text findet sich aber auch dazu nichts.

Stattdessen schüren Sie Ängste vor einem sich bildenden „Stammesbewusstsein“ der „Horde“. Was für eine Wortwahl! Wenn hier nicht Erinnerungen wach werden, wann dann? Dabei ist es vielleicht genau das, was diese „Horde“ eint: das Fehlen einer selbst im weitesten Sinne gemeinsame Abstammung, sowohl untereinander und vor allem mit der Mehrheitsgesellschaft der Deutschen.

Und wozu der Verweis auf Feliks Tych? Wenn es Beispiele für Rassismus und Massenmord gebraucht hätte, die nicht von Deutschen ausgegangen sind, dann wären z.B. Srebenica und Ruanda naheliegendere Beispiele gewesen. Allerdings hätten Sie dann auch auf den Verweis auf einen „bröckelnden Unschuldsmythos“ verzichten müssen. Tych meinte damit im wesentlichen aber den Umgang mit der Beteiligung am Holocaust in den von Deutschland besetzten Ländern nach dem Krieg und weniger Deutschland selbst. So, wie Sie dieses Thema einbringen ist das schon relativierend: wir sind zwar nicht unschuldig, dafür aber in bester Gesellschaft. Ich glaube nicht, dass Tych das so gemeint hat.

Und ich glaube auch nicht, das uns die Worte fehlen. Das Problem ist doch eher, dass der all zu wohlfeile Verweis auf einen Rassimus gegen uns Deutsche relativierend ist. Man kann das, was da einige Jugendliche von sich geben nicht mit dem vergleichen, was Migranten hier mitunter tagtäglich erleben müssen. Ich musste noch nie jemandem erklären, warum ich so gut deutsch spreche, ich musste noch nie erleben, dass man mich nur wegen meiner Hautfarbe nicht in eine Disko lässt, oder dass man mich am Telefon noch freundlich zu einem Bewerbungsgespräch einlud und dann, wenn man die Farbe meiner Haut sieht, mir vorstottert, dass das mit dem Job ein Missverständnis war.

Ich halte Sie im übrigen keineswegs für einen Rassisten, falls Sie das so missverstanden haben sollten. Allerdings schürt ihr Text Ressentiments, weil es an jeglicher Differenzierung mangelt. Und ich werde den Eindruck nicht los, dass das auch genau so beabsichtigt war.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Arnold:

Genau das wäre es: 80 Mio. deutsche als Opfer eines Völkermordes. Sich nie wieder als Nachfahre von Massenmördern angesprochen fühlen müssen. Dann wäre endlich der Schlussstrich gezogen. Was für eine Phantasie, wir Deutschen, endlich anerkannte Opfer.

trackback

[…] alle Deutschen: https://www.ruhrbarone.de/multikulturelles-stammesbewusstsein/ (gefunden über einen Kommentar bei pi, so auch […]

David Schraven
Admin
13 Jahre zuvor

@Thomas Wessel

Danke für den Artikel. Sehr bewegend.

fatima
13 Jahre zuvor

In Israel steht an den Wänden:Am Samstag töten wir die Juden am Sonntag die Christen.
Das sollten sich die Pali. Freunde mal hinter die Ohren schreiben-und wenn sie keine Christen sind sind sie noch weniger Wert werden dann wohl am Freitag getötet.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Laurin (2), @Bioblubb, (2)+(5)
spekulativ betrachtet, sehe ich auch die Täterschaft bei Islamisten, oder Leuten, die es als schick finden, negativ auf alles zu reagieren, was als „Deutsch“ gilt.
Lezteren Typus habe ich ja zuhauf kennengelernt, und da es sich um ein breites Spektrum politischer Positionen handelt, kenne ich natürlich nicht alle dieser Geistesrichtungen. Warum soll da nicht der eine oder andere so durchgeknallt sein, so was an eine Kirchenmauer zu schreiben?
Es sind übrigens häufig , aber nicht immer Leute aus dem linken Spektrum, die so denken.
Aber nichts, was ich von den neuerdings vielzitierten „Antideutschen“ gelesen habe, deutet darauf hin, dass diese Gruppe so denkt.
Die haben sich aber einen Namen gegeben, der so bescheuert ist, wie nur irgendwas.
Wenn die jetzt und in Zukunft immer häufiger den Finger auf sich gerichtet sehen,
weil sich außer einer Handvoll Leuten kaum einer mit mehr als diesem Namen beschäftigen, dann sind sie selber schuld.
„Jetzt bin ich komplett verwirrt. Was bin ich, wenn ich Deutschland mag und kein Antisemit bin?!? Ich blick da nicht mehr durch…“
tscha, Bioblubb, das geht vielen so.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Thomas Wessel,
wenn die von Ihnen zitierte Publizistin Andrea Dernbach schrieb:
„Rassismus war immer der Vorwurf der Unterdrückten an die Adresse der Unterdrücker, der Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse gegen deren Nutznießer. Er erzählt von Macht“,
so sollte das natürlich auch gelten, wenn statt eines Staates eine Stadt, oder gar nur ein Stadtteil, oder gar nur eine Schule betrachtet wird.
Oft meinen Leute aber, die Definitionen kreieren, ihre Definitionen gar nicht in dieser Konsequenz.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Thomas # 25

Kann es sein, dass du den letzten Abschnitt meines Kommentars nicht gelesen oder verdrängt hast?

Völkermorde haben übrigens nicht nur was mit Fantasie zu tun Thomas, sie haben stattgefunden und werden weiter stattfinden. Du solltest dich vielleicht lieber der Fantasie des Schreibers bzw. der Schreiberin des Grafittis stellen als mir eine zu unterstellen die ich nie gehabt habe und nie haben werde.

Oder vielleicht deiner eigenen: „Genau das wäre es: 80 Mio. deutsche als Opfer eines Völkermordes.“ Genau das wäre es, Thomas? Wirklich? Du wärest übrigens selbst bei den Toten. Klingt irgendwie therapieverdächtig. Oder soll das eine ganz besonders gewiefte Form der Ironie sein?

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Arnold,
entweder dieser Thomas mit dem Bildchen macht Satire, oder er ist so was von cool, dass ich mich nicht wundern würde, wenn er in einem seiner nächsten postings behaupten würde, dass Mord und erst recht ein Mordaufruf ethisch völlig überbewertet wird.
Dann mußt Du nämlich aufpassen, jetzt kommt mal von mir Satire, dass Du nicht als „Mordophob“ bezeichnet wirst. Wobei Mordophobie dann natürlich als verachtenswert betrachtet wird.

J.K.
J.K.
13 Jahre zuvor

Das hier über mir sind genau die Gründe, weshalb ich hier einmal nicht mehr geschrieben und kommentiert habe. Textkritische Kommentatoren werden eher ungern verstanden und „verdrängt“, Texte von Autoren auch dann fast zwanghaft verteidigt, wenn sie z.B. genau das Gedankengut beinhalten das sie vorgeben zu kritisieren.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

“Tötet die Deutschen” hat jemand an eine Kirchenmauer geschmiert. Worüber der Pfarrer – wer versteht das nicht? – nicht nur traurig ist, sondern richtig sauer: „Die Horde, die heute entsteht, ist multikulturell, sie ist dabei, ihr Stammesbewusstsein zu entwickeln“, kloppt er in die Tasten. Und Feuer frei zur Diskussion. Die Redaktion gibt vor, dass es keinen Zweck haben werden, “unter diesem Artikel sein fremdenfeindliches Mütchen zu kühlen“. Hier geht es nämlich gesittet zu und nicht wie bei „der Westen“.
„Tötung bedeutet die komplette und absichtliche Auslöschung menschlichen Lebens“, klärt uns ein Kommentator auf, wobei „komplett“ immer stimmt, „absichtlich“ jedoch nur dann, wenn – wie der Name schon sagt – Absicht vorliegt. Dies wäre bei Befolgung der Schmiererei an der Kirchenmauer zweifelllos der Fall. So wird dem Pfarrer beigepflichtet, dass es sich bei diesem Graffiti um einen „Mordaufruf“ handele. Ja, was soll das denn auch sonst sein. „Tötet die Türken“ z.B. oder „Tötet die Schwulen“ wären schließlich auch Mordaufrufe. Und wir Deutsche sind ja schließlich auch Menschen.
Deshalb schreibt ein prominenter Schreiber: „Danke für den Artikel. Sehr bewegend.“
Der gemeinhin als antideutsch geltende „Jihad Watch“ empfindet da ganz ähnlich und setzt einen Link zu diesem bewegenden Artikel ganz fett auf seine Homepage. Eingerahmt zwischen „Bosnische Muslimin zwang serbische Gefangene das Blut von getöteten Serben zu trinken“ und „Srebrenica: Muslime schlachten 3500 Serben ab und die deutsche Schweinepresse betrauert die Mörder“ die bewegende Überschrift „Multikulturelles Stammesbewusstsein“ mit dem Foto der verunstalteten Kirche und dem Link zu den Ruhrbaronen. Im Zweifel sind die antideutschen Kämpfer – Gott sei Dank – doch nicht so sehr gegen die eigenen Blutsbrüder wie gegen so primitive Stämme, die christliche Gotteshäuser beschmieren.
Die Christuskirche in Bochum, ein Mahnmal gegen den Krieg, eine Anti-Nazi-Geschichte, heute Rock und Pop und Klezmer-Musik. Was sind das nur für Barbaren, die solch eine heilige evangelische Kirche mit einer Sprühdose beschmieren?! Evangelische Kirchen in Deutschland haben an der Außenwand keine Graffitis, sondern höchstens schon mal Kunst am Bau, z.B. – aber auch kaum dreißigmal: die Judensau
https://archiv.jurga.de/html/die_judensau.html

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

„Tötet die Deutschen“ ist ein Aufruf. Die Frage ist, an wen er sich richtet und ob es Leute gibt, die sich angesprochen fühlen. Angesprochen von einer, wie Arnold Voss sagt, „maßlosen Vernichtungsfantasie“. Dass eine Situation entstehen kann, in der eine namhafte Anzahl von Leuten zusammen kommt und tut, wozu sie sich aufgerufen fühlt, dürfte unstrittig sein, seit sie im 19. Jahrhundert entstanden ist, nämlich in den Kolonien. Da hat sich gezeigt, dass es möglich ist, „die europäischen Völker aus Nationen in Rassenhorden zu verwandeln“.

Hannah Arendt hat diesen Prozess, ein „Stammesbewusstsein“ zu entwickeln, als POLITISCHEN Prozess beschrieben:

„Der Unterschied zwischen dem, was in der schemenhaften, halb irrealen Welt der Kolonien, und dem, was in Europa vor sich ging, war nur, dass es in Europa einige Jahrzehnte brauchte, die ethischen Standards der Gesellschaft zu zerstören, während hier alles mit der Geschwindigkeit eines Kurzschlusses ablief.“

Wenn man nun fragt, an wen sich der Aufruf richtet, ist es dann so falsch zu vermuten, dass die Nummer mit „Deutsche“ gegen „Ausländer“ nicht mehr zieht? Und dass diejenigen, an die sich „Tötet die Deutschen“ richtet, alle möglichen „kulturellen Hintergründe“ haben, den „deutschen“ eingeschlossen?

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

@#35 Thomas Wessel

Sie befinden sich in einem Alptraum, der sie fasziniert. Wachen sie auf.

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@ 36 Aufgewacht ist zum Glück der Mann, der kürzlich fast zu Tode getreten wurde, weil er ein „Scheiß-Deutscher“ sei.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Helmut Junge:

Richtig erkannt, das war Ironie.

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

Ich weiss nicht von welchem Mann sie schreiben und wovon er aufgewacht ist.
Wenn die Mauer wieder sauber ist, ich helfe ihnen dabei, bleibt es wahrscheinlich bei einem Spuk. Auf Blödzeitungsniveau lasse ich mich nicht ein.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel (#35): „`Tötet die Deutschen`“ ist ein Aufruf. “
Auch Ihr etwas nebulöser Hinweis in #37, ein Mann sei unter dem Vorhalt, ein “Scheiß-Deutscher” zu sein, überfallen worden, ändert nichts daran, dass es keine Tatsache, sondern eine Vermutung Ihrerseits ist, dass es sich bei der Schmiererei an Ihrer Kirche um einen „Aufruf“ handele. Da man nicht weiß, wer es war, und dies möglicherweise auch nie erfahren wird, dürfte sich Ihre Mutmaßung kaum widerlegen lassen. Und doch halte ich es für sehr fragwürdig, solch einen haltlosen Verdacht einfach mal so in die Welt zu setzen. Es ist auch keineswegs „unstrittig“, “dass eine Situation entstehen kann, in der eine namhafte Anzahl von Leuten zusammen kommt und tut, wozu sie sich aufgerufen fühlt“. Vielmehr hoffe ich, dass ich nicht der einzige bin, der Ihrem paranoid anmutenden Gerede entschieden entgegentritt.

Wir hatten hier in Duisburg vor Jahren in irgendeiner Gemeinde einen evangelischen Pfarrer, der von der Kanzel und jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit gegen Ausländer, speziell Türken, gehetzt hatte. Irgendwann hatte es sich ausgehetzt, weil die Landeskirche ihn vom Dienst suspendiert hatte. Eine, wenn auch unerfreuliche, Episode. Sie aber, Herr Wessels, beziehen sich auf Hannah Arendt (um die Verwendung des in unseren Kreisen noch gewöhnungsbedürftigen Begriffs der „Horden“ zu legitimieren) und machen auch sonst auf intellektuell-aufgeklärt, was Ihnen hier auch den Beifall derjenigen sichert, die hier ansonsten den lieben Gott – obgleich nicht existent – scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Dass Ihre schöne Kirche beschmiert wurde, Herr Wessels, tut mir leid. Dass Sie dies zum Anlass nehmen, in einem Land, in dem in steter Regelmäßigkeit Menschen, die nicht deutsch aussehen verprügelt und manchmal auch getötet werden, vor einem bevorstehenden Ausbruch von Gewalt gegen Deutsche zu warnen, kann ich mir nur mit Ihrem Zorn erklären, der aufgrund dieser Krackelei aufgekommen ist. Ich möchte Sie dennoch bitten, sich zu mäßigen. Hilfe bei der Reinigung ist Ihnen ja nun angeboten worden. Und nochmal: wenn Ihnen die Außenansicht der Gotteshäuser unserer Kirche so am Herzen liegt, sollten Sie etwas gegen die „Judensäue“ unternehmen, die noch heute etliche evangelische Kirchen „zieren“. Zum Einstieg für Ihr zukünftiges innerkirchliches Engagement hier schon einmal die Listen mit den Standorten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Judensau#Verbreitung
https://en.wikipedia.org/wiki/Judensau#Partial_list

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel (#40):
Habe mir den Tagesspiegel-Artikel angesehen: „,Deutschenfeindlichkeit`und Habgier als Motive“. Du lieber Himmel! Berlin-Lichtenberg leidet unter den „Stigmata Nazis, Stasi und Platte“ (taz) und Hellersdorf ist ein Stadtteil von Marzahn, dem Fernsehpublikum durch die Komikerin bekannt. Der Brennpunkt im Brennpunkt; einfach mal googeln: da ist kriminalitätsmäßig ständig richtig was los. Hoher Migrantenanteil, natürlich; aber auch ethno-deutsche Täter.
Und weil da jetzt, mitten im Berliner Wahlkampf, ein Gericht meint, als Motiv auch „Deutschenfeindlichkeit“ entdecken zu können – vom Tagesspiegel in Anführzeichen gesetzt -, meinen Sie, Material für Ihre Bedrohungshypothese gefunden zu haben? Deutschenfeindlichkeit in Motiveinheit mit Habgier – eigentlich zum Lachen.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Werner Jurga,
Der von Dir erwähnte Duisburger Pfarrer hatte damals theologisch argumentiert.
Darin wollte ihm aber niemand, außer ein paar wenige Gemeindemitglieder folgen.
Mir kam das ziemlich mittelalterlich vor, und es handelte sich meiner Meinung nach um die Deutungshoheit darüber, was die Mitglieder der Landeskirche glauben sollen.
Das Thema hier ist aber eindeutig weltlich. Es geht um einen Mordaufruf, der an der Außenwand des Arbeitsplatzes von Herrn Wessel aufgesprüht wurde.
Eine so direkte räumliche Nähe von Menschen mit Mordabsichten ist durchaus geeignet, Emotionen in eine Diskussion hineinzubringen. Außenstehende bleiben da naturgemäß sachlicher.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Helmut Junge
Lieber Helmut,
diesmal kommen wir wohl nicht überein. Mir geht es auch nicht um das letzte Wort, will nur noch einmal meine Sicht der Dinge klarlegen:
1. Ich kann nicht erkennen, dass wir es hier mit einem Mordaufruf zu tun haben. “Tötet die Neger“ wäre einer; “Tötet die Deutschen“ ist es erkennbar nicht.
2. “Menschen mit Mordabsichten“ scheiden als Täter m.E. definitiv aus. Die Kriminalgeschichte kennt keine Mörder, die nach vergeblichem Aufruf via Krackelei an der Kirchenmauer selbst Hand anlegen.
3. Ob nun theologisch oder säkular „argumentiert“ wird, könnte eigentlich egal sein. Aber Du hast Recht: damals diese reaktionäre Giftzwerg mit seinen ergebenen Schäfchen aus Laar – im Grunde eine Albernheit. Niemals hätten ihm die Ruhrbarone das Forum geboten, gegen Türken zu Felde zu ziehen.
4. Dass Pfarrer Wessel mit seinen „Emotionen“ hier auf so viel Verständnis trifft, besorgt mich. Um ehrlich zu sein: wenn ich – auch nach all den Debatten hier über Glaube und Religion – mit allem gerechnet hätte, damit nicht.

Thomas Wessel
Admin
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga: Nochmal, und jetzt bitte LESEN, wie die Frage lautet: Wer ist es, an den der Aufruf gerichtet ist? Dass es ein Aufruf ist, ergibt sich aus der Grammatik, aber wer ist gemeint?

Danach zu fragen, hat Sinn, wenn man nicht nur schnell googelt, sondern – ich komme aus Berlin – die Diskussion verfolgt, die dort seit einiger Zeit geführt wird, und wenn man vor allem die Situation erinnert, die in den 90ern – z.T. bis heute – in ostdeutschen Landen entstanden ist, No-Go-Areas, Dutzende Morde, tausende Überfälle usw.

Dort waren (und sind) die Verhältnisse recht übersichtlich, da gibt es auf der einen Seite „die deutschen Nazis“ – keine organisierten Verbände oder Parteien, sondern eben Horden – und auf der anderen Seite waren es zuerst „die Ausländer“, dann „ausländisch Aussehende“, dann Schwule, Linke, Frauen, Wessis, Sozis, Christen usw., im Grunde alles, was nicht ist, wie es Ossi-Nazis sind.

Das Ruhrgebiet hat eine Menge Ähnlichkeit mit Ostdeutschland, und diese Ähnlichkeit nimmt nicht ab, sondern zu. Wäre also nett zu wissen, wie sich das hier entwickeln könnte, wo es erheblich schwieriger ist als im Osten, sich an gemeinsamen Kennmarken zu orientieren. Und da interessiert mich eben NICHT die Frage, wer den Aufruf verfasst haben könnte oder wer denn nun „die Deutschen“ seien, sondern wer Anstalten machen könnte, sich hier als Rasse zu formen und wie das wohl vonstatten gehen könnte.

Hannah Arendt ist, um eine Antwort zu finden, in der Tat „intellektuell-aufgeklärt“, wie Sie das nennen, aber gerade deshalb gut lesbar. Interessant ist bei ihr vor allem, wie sich Rassismus in Deutschland weiter entwickelt hat. Nicht sehr erfolgreich, gewissermaßen, die Allgemeinform des Hasses, der hier entstand, war – und ist, s. Duisburg, s. Dagdelen usw. – der Antisemitismus. Antisemitismus heißt, diejenigen zu verfolgen, von denen man sich gerade NICHT unterscheidet. Weswegen man sich selber unterscheiden, d.h. erkennbar machen muss.

Was wiederum zur Situation jetzt passt. Insofern kann ich auch Ihren Bedarf nach deutlich erkennbaren Feindbildern verstehen, muss Sie aber enttäuschen.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel (#45):
Grandioses Finale. Respekt! „Insofern kann ich auch Ihren Bedarf nach deutlich erkennbaren Feindbildern verstehen, muss Sie aber enttäuschen.“ Mein Gott, Herr Pfarrer! Ein traumhaftes Tor, ansatzlos verwandelt. Ich jedenfalls vermag in Ihrem kleinen Exkurs zum Antisemitismus keinerlei Ansatz zu erkennen.
Zurück zu den von mir vermeintlich ersehnten „deutlich erkennbaren Feindbildern“: Ja, ich habe es ge“LESEN, wie die Frage lautet: Wer ist es, an den der Aufruf gerichtet ist“. Und gewiss: es wäre „nett zu wissen, wie sich das hier entwickeln könnte“. Bedauerlicherweise weiß man so etwas sowieso immer erst hinterher. Insofern hat es nur der Herr nett; wir können es nicht wissen.
Wir können nur halbwegs plausible Prognosen treffen. Aber auch nur dann, wenn wir die halbwegs richtigen Fragen stellen. IHRE Frage, an wen dieser vermeintliche Aufruf gerichtet ist, scheint mir nicht dazu zu gehören. Die Grammatik: ein Ausruf braucht ein Ausrufezeichen, also ein Aufruf.
Wie gesagt: ich weiß es nicht, also kann ich diese Version nicht ausschließen. Nur blöd dann von dem Schmierer oder den Schmierern, dass nicht nur Sie, sondern auch die zum Töten Aufgerufenen ahnungslos durch die Gegend laufen, weil sie als Adressaten dieser Message irgendwie nicht klar rübergekommen sind.

Sie kommen aus Berlin. Ja, das ist ja das Schönste. Dann war Ihnen doch klar, dass die im Tagesspiegel erwähnten Ostberliner Stadtteile – sagen wir mal: in einem sehr komplizierten Zustand sind. Und dass dieser Ausruf vom „Scheiß Deutschen“ nun eben kein Beleg für einen von Ihnen konstruierten „deutschenfeindlichen“ Rassismus ist. Und jedermann ist klar, dass die „No-Go-Areas, Dutzende Morde, tausende Überfälle usw.“in ostdeutschen Landen“in den 90ern – z.T. bis heute“ eben nicht zulasten der eingeborenen Germanen, sondern zulasten der „multikulturellen Stämme“ gingen.
Gerade wenn sich das Ruhrgebiet, wie von Ihnen beobachtet, in Richtung ostdeutscher Verhältnisse bewegen sollte, wäre es an der Zeit, verstärkt über den Schutz der Menschen „mit Migrationshintergrund“ nachzudenken anstatt über ein „multikulturelles Stammesbewusstsein“ zu fabulieren oder über meine deutlich erkennbaren Feindbilder zu scherzen.
Zum Schluss noch eine Bitte, lieber Herr Wessels. Eine Wiederholung, zugegeben. Mg sein, dass ich ein wenig zu verklemmt auf political correctness bestehe und / oder dass mein Gefühl von Christlichkeit nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist. Aber wenn Sie so freundlich wären, den Terminus „Horden“ – trotz Hannah Arendt – wieder aus der Debatte herauszunehmen oder, falls es nun gar nicht ganz ohne geht, auf Nazis zu beschränken, wäre ich Ihnen äußerst dankbar.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

@#42 | Werner Jurga:

Vermutlich auch alles nur „Einzelfälle“ ???

https://www.zeit.de/2010/41/Schule-Mobbing-Gewalt

„Es liegt ein Hauch von Panik in der Luft, als die Lehrerin endlich zu sprechen beginnt. Sie schluckt. Sie sagt: »Ich bekomme immer mehr Ehrfurcht und Respekt vor diesem Thema.« Dieses Thema, das ist die »sogenannte Deutschenfeindlichkeit« ihrer türkisch- und arabischstämmigen Schüler.“

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Thomas # 38

Der Tod mag ironiefähig sein, die Tötung ist es nicht.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga

Ich zitiere aus einer dir wohlbekannten Schrift:
Du sollst nicht töten.

R.
R.
13 Jahre zuvor

Wenn hier schon Thomas Wessels Text von anderswo hin kopiert wurde, dann kopiere ich auch meinen Kommentar dazu:

————————————————-
Herr Wessel, Ihre Argumenation hat drei zentrale Denkfehler. Fangen wir vorne an. Erstens:

„Dernbach behauptet vorweg, dass nur, wer Macht habe, rassistisch sei und darum, wer keine habe, kein Ras­sist sein könne — eine kuriose Logik, mit der sich auch Neo-Nazis solange frei sprechen ließen, bis sie die Macht erneut übernähmen.“

Ein tragischer logischer Fehlschluss. Tragfähige soziologische Rassismusdefinitionen denken Rassismus immer als Macht– und Herrschaftsverhältnis. Der Begriff hätte überhaupt keine Bedeutung mehr, würde man ihn nicht in Beziehung zur Macht setzen. Dabei braucht es freilich einen etwas weniger unterkomplexen Machtbegriff als Sie ihn hier anführen. Nazis beziehen sich auf herrschende machtvolle Ausgrenzungsmecha­nismen, allen voran Nationen, Nationalitäten und Grenzen. Diese bestehenden Ausgrenzungsmechanismen halten nach wie vor zum Beispiel Millionen in Deutschland Lebende davon ab, wählen zu dürfen, eine Arbeit aufnehmen zu dürfen, oder sich nur angstfrei als Nicht-Illegalisierte hier aufhalten zu dürfen. Und diese macht­vollen herrschenden Ausgrenzungsmechanismen wollen die Nazis weiter radikalisieren und ausbauen. Es ist also ziemlich absurd zu behaupten, Nazis sprächen nicht aus einer Position der Macht und Herrschaft heraus, wenn sie rassistisch hetzen.

Es ist ein alter Trick von Vertreterinnen und Vertretern einer rassistischen Mehrheitsgesellschaft, der Minorität, die sie ausgrenzen, einen eigenen Rassismus zu unterstellen. Diesbezüglich gab es z.B. während der Black-Panther-Bewegung in den USA lange Debatten. Sind Publikationen der Black Panther rassistisch, wenn dort Weiße Polizisten als „Pigs“ bezeichnet werden? Nein — jeden falls nicht, wenn man keinen Wischi-Waschi-Rassismusbegriff zugrunde legt, son dern Rassismus als ein Herrschaftsverhältnis versteht — nämlich jenes Herrschaftsverhältnis, das dafür sorgte, dass Schwarze in den USA nicht auf die gleichen Schulen gehen durf­ten wie Weiße. Und jenes Herrschaftsverhältnis, das dafür sorgt, dass zehntausenden in Deutschland leben­den Flüchtlingen verboten wird, einen Job anzunehmen. Und jenes Herrschaftsverhältnis, das ihnen die Abschiebung häufig in Folter und Mord, in jedem Fall aber in die Armut androht. Und jenes Herrschaftsverhält­nis, das (nicht nur) die Kinder von diesen Flüchtlingen in Deutschland massiv benachteiligt, wie gerade der UN-Sozialbericht ein mal mehr deutlich angeprangert hat. In diese rassistischen Verhältnisse ist auch Nazi-Terror eingebunden: Auf sie bezieht er sich und fordert deren Verschärfung und Verabsolutierung.

Und jetzt zu Punkt zwei:

„Migranten, sagt sie, seien ohne Macht, darum Opfer,weil ‚strukturell‘ diskriminiert, während Deutsche von Geburt wegen ‚Nutznießer‘ seien.“

Niemand ist völlig „ohne Macht“ — aber dass Macht in unserer Gesellschaft ungleich verteilt ist, und dass sich diese ungleiche Verteilung ziemlich unheilvoll wirkmächtig an rassistisch konstruierten, aber trotzdem höchst wirkmächtigen Grenzen festmacht, das ist nun wirklich eine Alltagserfahrung für Millionen von in Deutschland lebenden Menschen. Kaum zu glauben, dass ein Pfarrer, dem ich eigentlich ein ziemlich weitreichendes politisches Verständnis attestiere, leugnen will, dass es strukturelle Diskriminierung und strukturelle Bevorzugung in unserer Gesellschaft gibt. Es reicht nun wirklich ein Blick auf die Ungleichverteilung von Einkommen und Ver­mögen, von Bildungschancen — oder einfach nur ein Gespräch mit Betroffenen über ihre alltäglichen Diskrimi­nierungserfahrungen. Vom immer wiederkehrenden dummen Witz über geringere Löhne bei gleicher Arbeit und diskriminierende Fragen bei Vorstellungsgesprächen bis hin zur weitaus größeren Gefahr, Opfer rassisti­scher Übergriffe zu werden: Das alles kann man doch nicht als Hirngespinst abtun.

Lieber Herr Wessel, Hand aufs Herz: Fühlen Sie sich etwa nicht privilegiert, weil Ihnen schon seit Jahrzehnten niemand das Recht streitig machen will, in diesem Land zu leben? Fühlen Sie sich nicht privilegiert, weil von Ihnen niemand einen einen Integrationstest abverlangt, sondern alle wie selbstverständlich davon ausgehen, dass Sie hier sein dürfen? Sie fühlen sich nicht privilegiert, weil Sie oder Ihre Familie niemals von einer Abschiebung aus Deutschland bedroht war? Und Sie fühlen sich auch nicht privilegiert, weil Sie weniger Angst haben müssen zusammengeschlagen zu werden, wenn Sie in bestimmte ostdeutsche Orte reisen, weil Sie dort nicht auf den ersten Blick auf der Straße als Verletzung der Regeln einer „National befreiten Zone“ wahr­genommen werden?

Wenn Sie wirklich nicht der Meinung sind, dass Sie durch all das privilegiert sind, und zwar in einem sehr gro­ßen Maße aus bereits „von Geburt wegen“, dann leiden Sie meiner Meinung nach unter einem ziemlichen Wirklichkeitsverlust.

Aber es kommt ja noch schlimmer. Sie schreiben:

„Es gibt kein Schwarzweiß und keine Weißen oder Schwarzen — entscheidend ist, wie sich das Grau schattiert.“

Gut gebrüllt, der Theologe. Als ob Macht– und Herrschaftsverhältnisse dann nicht mehr existieren würden, wenn man sich einfach die Augen zuhält oder wegsieht. Es gibt keine Weißen oder Schwarzen? Erzählen Sie das mal dem 46jährigen Mann aus Mosambik, der in Chemnitz von Nazis zusammengeprügelt wurde, weil er mit seiner Hautfarbe nicht ins Weltbild der Nazis passte. Und erzählen Sie das mal den vielen Schwarzen Deutschen, die — hier geboren und aufgewachsen — immer wie der „oh, Sie sprechen aber gut deutsch“ zu hören bekommen, und bei denen sich die Leute nicht mit der Antwort „Bochum“ zufriedengeben, wenn sie gefragt werden: „Wo kommen Sie denn her?“

Auch scheinen Sie ein ganzes Jahrzehnt Kritischer Weißseinsforschung völlig ignoriert zu haben — eben­falls für mich kaum zu glauben für jemanden, der sich hier über Rassismus auslässt. Ein paar Literaturtipps gibt es unter anderem hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Weißsein

Und hier ein gut vierminütiges Video: https://blog.derbraunemob.info/2009/06/26/weiszsein-und-rassismus-kritische-weiszseinsforschung-gut-erklaert/ (Auch ansonsten lohnt sich das Stöbern in dem Blog)

Also: Der erste Schritt zu ein wenig mehr Gerechtigkeit wäre es, existierende Macht– und Herrschaftsverhält­nisse nicht so fahrlässig zu leugnen wie Sie das tun. Und eines dieser Herrschaftsverhältnisse ist das, welches man gemeinhin als Rassismus bezeichnet. Und das findet in ganz vielen Formen in unserer Gesellschaft Aus­druck — aber wohl am wenigsten in der Schmiererei an Ihrer Kirche. Dabei handelt es sich um Sachbeschädigung, vielleicht auch um den Aufruf zu einer Straftat. Aber wer Rassismus nicht als in Macht– und Herrschafts­verhältnisse eingebundene Formen von Diskriminierung versteht, sondern den Begriff auf alle möglichen For­men von Kollektivangriffen, Kollektivbedrohungen oder Kollektivbeleidigungen ausdehnt, macht ihn analytisch unbrauchbar. Die tatsächlichen Rassistinnen und Rassisten werden sich drüber freuen.

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