Der SPD-Parteichef Franz Müntefering war am Wochenende im Revier, besuchte am Sonntag das Bergwerk Ost in Hamm. Er machte sich für den Erhalt des Steinkohlebergbaus stark. Alle anderen Parteien würden weg von der Kohle wollen, sagte Münte, aber es könne doch nicht sein, dass in Deutschland angesichts der weltweiten Energiekrise hier die Tür zugeschlagen werde.
Nun, von der weltweiten Wirtschaftskrise habe ich gehört, von der Finanzkrise auch. Aber die Energiekrise ist mir neu. Kohle ist auf dem Weltmarkt frei verfügbar, zu günstigen Preisen. Der Ölkurs ist derzeit wegen der sinkenden Nachfrage aufgrund der Rezession noch moderat in den 70-Dollar-Bereichen. Wovon redet Münte also?
Er redet von Wahlkampf. Die Kumpel sollen Münte und seiner SPD helfen, wieder an die Macht zu kommen. Das Versprechen: Die SPD sorgt dafür, dass der Ausstiegsbeschluss 2012 zurückgeholt wird. Auch Hannelore Kraft, SPD-Landeschefin hat das gesagt. Es dürfe 2018 kein Ende der Zechen geben. Aber dieses Versprechen ist unrealistisch. Bergleute werden in die Irre geführt. Es gibt keine politische Mehrheit für den Subventionsbergbau, der jedes Jahr Milliarden Euro kostet. Nicht mal mehr im Ruhrgebiet. Die Bergtreue ist Geschichte. Das weiß auch Münte. Das wird er auch nicht ändern. Deswegen sieht das Versprechen in Hamm für mich aus, wie Bergmannsverkaufe.
Um im Wahlkampf die Stimmen abzugrasen, wird den Leuten kurz das Blaue vom Himmel versprochen, danach sind die Jungs vergessen.
Nur zur Erinnerung: In Hamm macht das Bergwerk Ost schon 2010 dicht.
Wenn ich mich richtig erinnere, hat doch die SPD den Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau in der BRD bis 2018 im Schräderschen Basta-Stil im Zusammenspiel mit der CDU durchgesetzt.
DIE LINKE hatte – durchaus im Sinne der von den evangelischen Kirchenkreise im Ruhrgebiet 1995 in Auftrag gegebenen Studie des Wuppertal Instituts „Von der Kohle zur Sonne“ – eine sozial- und klimaverträgliche Alternative vorgeschlagen. Nach dieser Alternative wäre aus technologischen Gründen ein Sockelbergbau – auch nach 2018 – erhalten geblieben. In einer entsprechenden Anhörung im Bundestag, die auf Antrag der LINKEN stattfand, hat sich die SPD seinerzeit mit allen Mitteln gegen diese Alternative zur Wehr gesetzt.
Nun den Bergleuten zu erzählen, die SPD wolle den Bergbau retten, ist unverschämt. Diese Zusage von Franz Müntefering ist von gleicher Glaubwürdigkeit wie das Wahlversprechen der SPD in 2005, die Mehrwertsteuer nicht erhöhen zu wollen. Wie Franz Müntefering seinerzeit sagte, wäre es unfair, nach den Wahlen ein vor den Wahlen abgegebenes Wahlversprechen einfordern zu wollen.
@Jürgen: Nein, die SPD hat den Ausstieg aus der Kohle nicht durchgesetzt. Zu so etwas ist sie gar nicht in der Lage. Der Kohleausstieg gehört für mich zu den größten Erfolgen der CDU/FDP-Landesregierung und kam Jahrzehnte zu spät. Was stimmt ist das populistische Gequatsche der SPD von einer Zukunft der hiersigen Steinkohle. Und was falsch ist, ist das man damit noch Stimmen gewinnen kann. Selbst im Ruhrgebiet lockt man mit diesem Unfug keinen mehr hinter dem (Längst nicht mehr mit Kohle befeuerten) Ofen her.
„…Er machte sich für den Erhalt des STeinkohlebergbaus stark…“ (s.o.)
Ach du je …
Nostalgie ist ja noch ein netter Ausdruck für so was …
Alt werden müssen wir alle, aber dumm werden nicht.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine sog. „Energiekrise“ ausbricht, sprich: bis die Nachfrage wieder steigt, die Preise steigen und die Kohleförderung auch hierzulande ökonomisch wieder interessant wird.
Die Selbstgewissheit, mit der hier für den totalen Ausstieg aus der Kohle plädiert wird, kann ich nicht nachvollziehen.
Weder ökologische, noch finanzielle Gründe sind wirklich stringent.
Denn was bringt es ökologisch, statt Revier-Kohle Importe zu verbrennen? Und was bringt es, Kohlesubventionen abzubauen, und das Geld in die militärische Option weltweiter Interventionen zur Sicherung der Energieversorgung umzulenken?
@ Haepke und Schwirske
Natürlich wird der Energiebedarf wieder steigen. Selbst größere Wirtschaftskrisen dauern nicht ewig. Und der Marktmechanismus einschließlich der Börsenspekulation sorgen dann wieder für höhere Preise. Tun sie beim Öl jetzt schon wieder. Aber dieser Mechanismus ist es doch genau, der auch alternative Energien ökonomisch attraktiver machen. Die wissenschaftliche seriösen Aussagen sind dazu eindeutig: Es geht gerade bei steigenden Energiepreisen auch ohne Kohle und Atom, wenn der jetzige Abschwung konsequent zum Aufbau der entsprechenden Infrastruktur genutzt wird.
Selbst die Energieriesen haben das mittlerweile begriffen. Siehe deren Milliardenprojekt zur Sonnenenergieproduktion in den Wüsten Afrikas. Und siehe den krisenfesten Boom bei der Windenergie innerhalb und außerhalb Europas.
Unabhängig von den „ebenso dummen wie durchschaubaren“ Münte-Glückauf-Parolen halte ich es zumindest für nachdenkenswert, den Rohstoff Kohle nicht so ohne weiteres absaufen zu lassen. Ich fände es klug und zukunftsorientiert aus Kohle mehr zu machen als plumpen Heizstoff. Wenn man dafür ein Restbergbau bräuchte, sollten wir im Ruhrgebiet über diese Chancen nachdenken.
GS
Es geht ja nicht gegen die Kohle an sich, denke ich. Aber die deutsche Kohle ist zu teuer. Sie wird zu teuer bleiben – egal was passiert. Denn in anderen Ländern fördern die Kohle im Tagebau. STEINKOHLE. Damit sind die Grenzkosten in Deutschland immer zu hoch. Das ist BWL 2. Semester. Egal wie hoch die Preise steigen, in Deutschland werden wir immer drauf zahlen müssen.
Und mit Küchenwissen das gleiche nochmal: Warum soll der Abbau in Zukunft irgendwann kein Geld mehr kosten, wenn er die letzten 40 Jahre auf Subventionen gelebt hat?
Tut mir leid. Das können wir uns nicht leisten, denke ich.
Die Frage wird sein, ob wir es uns leisten können uns KEINEN Restbergbau mehr zu leisten, weil es eben keine BWL 2.Semester Frage ist, sondern eine allgemeine volkswirtschaftliche ?systemrelevante?Frage(mein Küchenwissen) ist.
Die mit der letzten Lore Kohle ins Museum abgängige Kohle-Technologie und das immense technische Know How wird Deutschland bzw. das Ruhrgebiet ebenso verlassen, wie ehedem die Hochofentechnik, ?und die damit verbundenen Arbeitsplätze und Folgearbeitsplätze- , die mit dem letzten Export von abgeschrotteten Hochöfen gen China ausgewandert ist.
Ich plädiere für eine moderne und innovative Nutzung des Rohstoffs Kohle und nicht dafür, Kohle wie im letzten Jahrtausend zu verbrennen. Wenn es dafür zur Zeit keine technisch bezahlbare Machbarkeit gibt, muss man das System aber als solches erhalten und nicht absaufen lassen. Ohnehin werden die notwendigen Pumpensysteme und die erforderlichen technischen Vorkehrungen zum Erhalt des sensiblen Untertage-Wasserhaushaltes erhalten bleiben, denn ohne stünde die Ruhrstadt nach wenigen Jahren in einer Sumpflandschaft.
Von daher nochmals: Nachdenken muss erlaubt sein über das Nachnutzungskonzept auf der Basis einer modernen und innovativen Nutzung von Kohle.
GS
@Schieweck: Ich glaube die Technologielegende nicht. Wir bieten auch Technik zur Ölförderung ohne Öl zu haben, wir bauen Entsalzungsnalagen für Meerwasser ohen sie selbst zu benötigen – und die Länder die Öl haben besitzen in der Regel weder die technik es zu finden noch es zu verarbeiten. Wir brauchen also für diese Technologie keinen Bergbau. Und wenn sollen ihn die Unternehmen zahlen, die ihn als Referenz haben wollen. Über den Bergbau denken wir seit Jahrzehnten nach und jetzt ist endlich die Zeit gekommen mit diesem Unsinn aufzuhören. Wir brauchen das Geld für Bildung und nicht für eine Folkloreindustrie wie den Bergbau.