Wer sich Sorgen über die Qualität der öffentlichen Debatte macht, hat den Battle of Ideas in London noch nicht erlebt. Das politische Festival, mit seinen 100+ Podiumsdebatten, 450 Rednern und über 3500 Teilnehmern findet jedes Jahr an einem Wochenende im Herbst statt. Gegründet wurde es vor 15 Jahren von Claire Fox – und weil es immer beliebter wurde, zog es vor acht Jahren in das Barbican Centre, das größte Kultur- und Konferenzzentrum der Stadt.
Von unserer Gastautorin Sabine Beppler-Spahl.
Free Speech Allowed (freie Rede erlaubt) ist das Motto des Festivals und es sei bemerkenswert, so Fox, dass sie in den ersten Jahren deswegen belächelt wurde. Die freie Rede sei doch gar nicht bedroht, wurde ihr damals gesagt. Heute – da die Verrohung der Debattenkultur von zahlreichen Politikern beklagt wird und viele überlegen, wo die Grenzen des Sagbaren verlaufen sollten – erscheint es dagegen geradezu radikal.
Für die Festivalorganisatoren steht fest, dass die Beschränkung der freien Rede keine Probleme löst. Viele denken, es sei heutzutage schwer, öffentliche Debatten zu führen sagt die Mitorganisatorin des diesjährigen Festivals, Ella Whelan. Doch wenn man sein Thema kennt und den Mut hat, einem Publikum auch schwierige Diskussionen anzuvertrauen, sei eine gute, zivile Debatte durchaus möglich. Wie könne man eine klare eigene Meinung bilden, wenn man sich nur in Echokammern bewegt und keine gegnerischen Ansichten zulässt? Themen, über die gestritten werden sollte und muss, gibt es in unserer sich schnell verändernden Welt mehr denn je und so ging es in diesem Jahr in London um staatliche Souveränität, Kriminalität, Feminismus, Islam, Verschwörungstheorien, EU, Identität, Brexit, Meinungsfreiheit, Klima, Ökologismus, künstliche Intelligenz usw.
Der Battle of Ideas lädt nicht dazu ein, sich passiv die Vorträge von Experten auf Podien anzuhören. Oft, so Fox, kämen die schärfsten Fragen und intelligentesten Beiträge aus dem Publikum. Auch deswegen sei es wichtig, der heute so weitverbreiteten Kultur der Selbstzensur zu widersprechen. In einer „Session“ musste sich z.B. ein Mitglied des britischen Oberhauses (House of Lords) von einem kritischen Zuhörer sagen lassen, er solle sich lieber für die Abschaffung dieser elitär-feudalen Institution einsetzen, statt für die EU. Der Beitrag beförderte die Debatte in dem randvollen Saal, in dem über 300 Personen saßen. Fragen, die aufkamen waren, „Wer und was ist eigentlich „das Volk“? Wie weit muss die Demokratie gehen und wo müssen die Grenzen zwischen Politik und Rechtsprechung gezogen werden? Der Satz, „das darf man doch nicht sagen“, passt nicht zum Battle of Ideas und trotzdem fühlte sich niemand überfordert oder persönlich beleidigt.
Besonders erstaunlich ist, dass das jährliche Festival nur von einem kleinen Team, bestehend aus 15 Mitarbeitern auf die Beine gestellt wird. Finanziert wird es vor allem durch Sponsoren (darunter auch das Barbican Centre, die britische nationale Lotterie „Camelot“, der Spirituosenhersteller Diageo). Hinzu kommen die Beiträge der Mitglieder der Academy of Ideas. Ohne das große Engagement und den festen Glaube an den hohen Wert des freien Austauschs von Ideen der vielen zusätzlichen Helfer wäre die Organisation eines solchen Festivals nicht möglich. Und die Arbeit ist mit dem Festivalwochenende nicht beendet. Schon am Montag danach heißt es, „nach dem Battle ist vor dem Battle“; denn zusätzlich zu der Veranstaltung in London finden in verschiedenen europäischen Städten sogenannte „Satellite Events“ statt.
In diesem Jahr sind das Veranstaltungen in Athen, Berlin, Brüssel, Dublin, Milan, Porto und Stockholm.
Wer einen Eindruck vom Battle of Ideas haben möchte, aber nicht nach London reisen konnte, ist herzlich eingeladen, an diesem Samstag, dem 23. November, nach Berlin zu kommen. Diskutiert werden die Spaltungen in Deutschland, dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer sowie Sportwettbewerbe in Zeiten der Transsexualität und die Klimakrise.
Da es sich um eine Satellite Veranstaltung des Battle of Ideas handelt, sind alle Debatten auf Englisch. Aus Großbritannien (Academy of Ideas) werden Rob Lyons (Autor von „Panic on a plate” zum Thema Klima) und Dolan Cummings, (Autor von „That Existential Leap – a crime story” zum Thema Spaltungen und Populismus) sprechen. Weitere Redner sind unter anderen Michael Bittner (Kolumnist und Autor: Der Bürger macht sich Sorgen), Steffen Hentrich (Referent Umweltpolitik, FDP), Antje Hermenau (Autorin von „Ansichten aus der Mitte Europa: Wie Sachsen die Welt sehen), Matthias Honegger (Wissenschaftlicher Mitarbeiter IASS Potsdam), Barbara Klimke (Sportredakteurin, Süddeutsche Zeitung), Sven Titz (Meteorologe und Journalist NZZ).
„Battle of Ideas Berlin 2019” – Samstag den 23. November, 14:00 bis 18:45 Uhr. University of Applied Sciences Europe, Dessauer Str. 3-5, 10963, Berlin. Weitere Informationen und Tickets unter battleofideas.org.uk.
Sind da auch ein paar Konservative eingeladen oder ist Hentrich der Alibi-nichtlinke?
@Gerd: Ist Ihr Kompass mittlerweile so dermaßen verstellt, dass Sie an jeder Ecke die „linke Weltverschwörung“ vermuten? Sven Titz, der NZZ-Kolumnist? Antje Hermenau, die in Sachsen für die „Freien Wähler“ kandidiert hat? Robert Lyons, der vor allem libertäre Ansätze vertritt? Alle links? Und auch der Rest scheint mir eher liberal und pluralistisch als „links“ verortet zu sein. In diesem Sinne: Gute Besserung!
Googeln hilft.
Acht Namen. Wir haben hier drei Personen die für linke Publikationen schreiben, zwei die in Sachen Klima und Nachhaltigkeit "forschen", einen Libertären, den von der FDP und die ex-Grüne. Die letzten drei sind nicht links, aber sind sie Konservative?
Ok, das hat weit weniger Schlagseite, als die typische deutsche TV Talkrunde, aber das ist keine Kunst.