Museum unter Tage (MuT) im Park von Haus Weitmar eröffnet. Von unserem Gastautor Daniel Kasselmann.
Nach nur einjähriger Bauzeit wurde das abschließende Erweiterungsgebäude von Situation Kunst im geplanten Kostenrahmen fertiggestellt. Das Museum unter Tage wurde von der Stiftung Situation Kunst mit Unterstützung durch die Stadt Bochum, die Evonik Stiftung, die Stiftung der Sparkasse Bochum und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe realisiert.
Die Architektur
Die Gesamtanlage von Situation Kunst mit dem Kubus in der Ruine von Haus Weitmar war 1988 von Alexander von Berswordt-Wallrabe so konzipiert, dass sich Kunst, Architektur und Natur dialogisch aufeinander beziehen. Um das MuT bestmöglich in die bestehende Gebäudelandschaft zu integrieren und den kontemplativen Charakter des Parks zu erhalten, wurde der großzügige Ausstellungsbereich von 1350 Quadratmetern unter Tage gelegt und bleibt von außen fast unsichtbar. Notwendige Funktionen wie Eingang, Haustechnik und Notausgang wurden in drei Pavillons untergebracht, die oberirdisch jeweils eine Ecke des Gebäudes markieren. Die Oberfläche des Museumsgebäudes (Gestaltung: Erich Reusch) wurde mit Basaltsplit bedeckt, in dem sich die Abmessungen des Gebäudes diskret nach außen artikulieren. Fünf zylindrische Säulen aus Stahl in verschiedenen Größen und Farben strukturieren die Gebäudeoberfläche und schaffen die Verbindung zu den bedeutenden Skulpturen und Installationen, die sich bereits seit längerem im Park befinden.
Das Konzept geht auf; nähert man sich der Situation Kunst auf der Promenade von der Hattinger Straße aus, bildet das Basaltsplitfeld mit Säulen und Pavillons das dezente Entree, dahinter brechen sich Ruine von Haus Weitmar und Kubus im architektonischen Wechsel zwischen alt und neu. Umrahmt wird das Ensemble durch den Park.
Das Museum
Der Kubus mit seinem großen Veranstaltungsraum, Bistro, Büros, Lager und Werkstattbereich bietet fortan Möglichkeiten für kleinere, experimentelle Ausstellungen, während im MuT zukünftig anspruchsvolle Wechselausstellungen sowie die Dauerausstellung Weltsichten zur Landschaftskunst seit dem 15. Jahrhundert gezeigt werden. Damit bekommt Bochum ein Museum mit hochkarätigen Werken der Landschaftsmalerei vergangener Jahrhunderte bis hin zur zeitgenössischen Fotokunst, das Künstlerverzeichnis der Weltsichten liest sich wie ein kleines who-is-who der Kunstgeschichte vom goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei bis zur Gegenwart; von Jan van Goyen über Corot, Courbet, Bonnard, Cezanne, Klee, Picasso, Lichtenstein bis zu Abbott. Damit reihen sich MuT und Situation Kunst ein in die Phalanx der Ruhr Kunst Museen (www.ruhrkunstmuseen.com), deren Aufgabe es ist, die Vielfalt der bildenden Kunstlandschaft des Ruhrgebiet öffentlichkeitswirksam und überregional zu kommunizieren, um den Ruhrpott als spannende Museumsszene international zu etablieren. Dass man beim Bau des Museums im Zeitplan blieb, dass der Kostenrahmen eingehalten wurde und dass die Kosten von vergleichsweise bescheidenen sieben Millionen Euro Baukosten von den oben genannten Beteiligten Mäzenen, Förderern und Sponsoren gemeinsam getragen wurde, hört sich märchenhaft an, ist aber wahr, womit bewiesen wäre, dass so etwas sehr wohl machbar ist. Natürlich ist ein Museum, das fast unsichtbar unter Tage liegt, längst nicht so spektakulär, wie etwa der ehemals geplante Schuhkarton im Duisburger Innenhafen, hat aber dafür auch viel reibungsloser funktioniert. Und während man sich in Dortmunder U noch Gedanken darüber macht, ob man demnächst im eigentlich ,mal als Kunstlager gedachten Keller zukünftig das Feuchtraumbiotop des Dortmunder Zoos mit Algen und Schwämmen unterbringt, plant man in Bochum mit weit weniger Ausstellungsfläche und mehr Augenmaß für das Machbare.
Das Labor der angewandten Kunstwissenschaft .
Situation Kunst ist Teil der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und wird im Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich wesentlich von der 2005 gegründeten und der RUB assoziierten Stiftung Situation Kunst betrieben. Die Einzigartigkeit des „Bochumer Modells“ liegt in der Verknüpfung von Studium und Praxis; die Studierenden der RUB können ihr theoretisch erlerntes Wissen der Kunstgeschichte und Kunstvermittlung durch die Angebote, die dort mögliche Arbeit mit Original-Kunstwerken und eigene Mitarbeit bei der praktischen Museumsarbeit von der Ausstellungskuratierung über die Katalogkonzeption bis zur Museumspädagogik im Museum unter Tage praxisorientiert erproben und damit schon während ihres Studiums im Hinblick auf ihre spätere Berufstätigkeit wertvolle Erfahrungen in der Museumspraxis sammeln. Situation Kunst ist für die RUB das Labor für kuratorische Praxis und das MuT ist der dazugehörige Showroom. Das Gesamtkonzept ist europaweit einzigartig und zieht jetzt schon Studieninteressierte aus ganz Deutschland an, eine Tendenz, die sich mit der Eröffnung des Museums unter Tage noch geografisch erweitern dürfte.
Situation Kunst hat mit dem MuT sein architektonisches Juwel, den Park-Architektur-Kunst-Komplex im Park von Haus Weitmar gediegen erweitert, der Stadt ein neues Museum geschenkt und das Studium der Kunstgeschichte an der RUB erheblich aufgewertet.
Die Ausstellung
Die Ausstellung Weltsichten umfasst über 350 Werke vom 15. Jahrhundert bis heute: Angefangen bei exemplarischen Vorläufern aus dem 15. Und 16. Jahrhundert reicht das Spektrum vom klassischen Ölgemälde bis zur raumfüllenden Video-Sound-Installation. Die Werkauswahl ist repräsentativ, ausdrucksstark und vielfältig, die schlüssige Szenografie und das fabelhafte Beleuchtungskonzept (das ja aufgrund der Situation unter Tage ohne natürliches Licht auskommen muss) machen die Weltsichten zu einer rundum gelungenen Auftaktveranstaltung des neuen Museums unter Tage und für alle Kunstinteressierten zu einem absoluten Pflichttermin. Allen Beteiligten ein herzliches Glück auf! .
Museum unter Tage
Nevelstraße 29c (im Parkgelände von Haus Weitmar)
44795 Bochum
Telefon: 0234-2988901
www.situation-kunst.de
Öffnungszeiten: Mi-Fr 14-18 Uhr / Sa, So + Feiertags 12-18 Uhr
Führungen nach Vereinbarung
Eintritt: 5,-Euro, ermäßigt 3,-Euro