Inzwischen hatte ich ja festgestellt, dass sich hormonmäßig in meinem Körper doch etwas tat. Aber ich war eine gesunde und fröhliche Schwangere. All die Unpässlichkeiten, die mit einer Schwangerschaft einhergehen können, blieben mir erspart.
Was für ein Glück! Wir genossen die Zeit in vollen Zügen.
Wir gönnten uns Aktivitäten, die die Seele streicheln. Waren oft Schwimmen und in der Sauna, oft an der Luft. Und dann sahen wir das Plakat: Harry Rowohlt im Musiktheater im Revier. Klasse. Ich kaufte Karten für Hpunkt und mich, meine Mutter und eine Freundin wollten auch mit.
Ich weiß nicht wie es anderen ergeht, aber ich habe es zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft geliebt mich zu pflegen, mir schöne Kleider zu kaufen und mich zu verwöhnen. Und so ein Abend würde etwas Besonderes sein. Ich würde viel Spaß haben, mich am Witz Rowohlts erfreuen und vorher richtig chic machen können.
Zwei Wochen vor dem Rohwolt-Abend sollte ich bei meiner Hausärztin noch einen Bluttest durchführen lassen. Als ich an der Praxis ankam, durfte ich mich an der üblichen langen Schlange anstellen. Erst war alles prima, dann wurde mir schwarz vor Augen.
Den ganzen Tag über schlug mein Kreislauf Purzelbäume. Gegen Abend wurde es besser und ich atmete auf. Hatte ich doch schon befürchtet, mit dem Baby könnte etwas nicht stimmen.
Als die Probleme am nächsten Morgen aber massiv wiederkehrten, begleitete mich eine Freundin zum Arzt. Mein Blutdruck war absolut im Keller.
„Frau Ryschawy, Ihre Venen weiten sich durch die Schwangerschaft, dann sackt das Blut in die Beine und verursacht die Kreislaufprobleme“, so der Gynäkologe. „Ich gebe Ihnen nun ein Rezept für Thrombosestrümpfe, die können sie sich dann im Sanitätshaus anpassen lassen.“
Jaaaaaa, tatsächlich. Thrombosestrümpfe. Dicke, feste Thrombosestrümpfe, hautfarben. Das absolute Gegenteil von Sexy. Die Frau im Sanitätshaus klärte mich darüber auf, dass Hpunkt mir bei fortschreitender Schwangerschaft wohl helfen müsste, die Strümpfe morgens anzuziehen. Okay. Die ganze Sache konnte man humorig angehen. Ich lobte mein Baby für die modische Entscheidung, hängte das Kleid für den Rowohlt-Abend in den Schrank und besorgte mir Hosen.
Der Abend rückte näher, ich las Rowohlt und freute mich.
Und dann war es so weit. Da wir uns mit meiner Mutter und Ihrer Freundin etwas früher treffen wollten um dann gemeinsam zum Musiktheater zu gehen, stieg ich am späten Nachmittag in die Dusche. Diesen Abend würde ich richtig geniessen. Ein weiteres Mal freute ich mich über meine problemlose Schwangerschaft.
Als ich gerade im Begriff war mir die Thrombosestrümpfe überzuziehen, wurde mir flau. Und dann übel. Partner Hpunkt fand mich im Bad vor der Schüssel. Das konnte doch nicht sein. Ausgerechnet jetzt musste die berüchtigte Schwangerschaftsübelkeit einsetzen? Nach einer weiteren Stunde im Bad war klar, dass ich den Abend nicht miterleben würde. So schlich ich also ins Bett und die Anderen gingen, um Rowohlt zu sehen.
Vor dem Einschlafen fand ich mich damit ab, dass mir nun für eine ganze Zeit übel sein würde. Schließlich sagt man ja, dass das während des ersten Trimesters so ist.
Am nächsten Morgen erzählte mir Hpunkt von dem tollen Abend mit Rowohlt.
Und ich schimpfte gedanklich mit dem kleinen Spielverderber in meinem Bauch.
Die Übelkeit war wie weggeblasen und kehrte nie mehr zurück.
Hallo Nina,
versuche ich es mal positiv zu sehen: mit deinem Kind kannst du dann jeden Abend – jeden Tag! – spielen, anstatt dich nur einmal – „wie Bolle!“ – mit Harry Rowohlt zu amüsieren …
Du könntest dir aber natürlich auch eine Hör-CD kaufen:
Harry Rowohlt, „Der Paganini der Abschweifung“, live aus dem großen Saal der Berliner Volksbühne, 6. Januar 2005
Hier eine Kostprobe, Harry Rowohlt, „Eine Ruhrgebietshuldigung“, Zitat:
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“Ich glaube, jetzt drifte ich doch ‘nen bisschen in die Ruhrgebietshuldigung ab –
von meiner Bochumer Omma habe ich nämlich einen Merkvers gelernt –
äh, die war Italienische Zigeunerin und –
damit hat man natürlich automatisch ziemlich wenig Leute, auf die man herabblicken kann –
und ist entsprechend mürrisch –
und da kamen natürlich die Polnischen Arbeitsimmigranten wie gerufen –
und deshalb dieser Merkvers:
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In Kruppsche Baracken da wohnen Polacken,
da laufen die Kackerlacken die Polacken im Nacken,
da nehmen die Polacken die Piekhacken,
und tun die Kackerlacken kaputthacken.
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die sind natürlich alle inzwischen VORBILDLICH integriert –
ich erinnere nur an das legendäre Länderspiel Deutschland–Polen, da wusste man überhaupt nicht, wer bei wem mitspielt –
(…)”
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(den „Merkvers“ habe ich immer wieder vorgetragen, entscheidend Tempo und Aussprache, höre Harry Rowohlt …)