Nach dem Ende der grünen Hegemonie beginnen die Grünen, sich neu aufzustellen

Robert Habeck bei einem Besuch in den USA | Foto: wikipedia / Secretary Blinken / gemeinfrei


Nach der CDU reagieren die Grünen als zweite Partei auf das Ende der grünen Hegemonie.

Postmaterialismus, Wokeness, Technologiefeindlichkeit, Postwachstumsökonomie – all das bildete die Grundlage der kulturellen und politischen Hegemonie des grünen Denkens, dass die Grünen wachsen ließ aber auch die anderen Parteien erfasste. Egal ob Angela Merkel mit der SPD oder FDP regierte, die Politik der CDU-Kanzlerin war von diesem Denken bestimmt. Es zeigte sich in der Energiewende, dem Doppelausstieg aus Kohle und Kernkraft, der nicht nur zur Abhängigkeit von Russlands Gas führte, sondern auch zu hohen Energiepreisen und einer immer unsicheren Versorgungslage.

Wenn in der EU über Wirtschaft ohne Wachstum diskutiert wurde, der Green Deal Europa wirtschaftlich und technologisch ins Abseits führt, die Union gemeinsam mit der SPD 2015 in der Migrationspolitik unter dem Motto „Wir schaffen das“ die Grenzen offen ließ und in der Ampel der ehemalige Agora-Chef Patrick Graichen als Habecks Staatssekretär achselzuckend Hunderttausende Industriejobs abschrieb, war das ein Zeichen einer politisch und kulturellen Hegemonie grünen Denkens, wie sie in Deutschland der westlich orientierte Konservatismus in den 50er und frühen 60er Jahren hatte, die Sozialdemokratie inklusive ihrer Ostpolitik in der zweiten Hälfte der 60er und in den 70er Jahren und eine milde Variante des Neoliberalismus in den 90er und frühen Nullerjahren bis zur Bankenkrise 2008 besaßen.Das jeweilige Denken erfasste nahezu alle Parteien, wurde von den Bürgern und den Medien größtenteils mitgetragen und erschien als „alternativlos“ und vernünftig.

Jede dieser Phasen trug zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung bei, war mehr als Mode und Ausdruck eines Zeitgeistes, sondern immer auch eine Antwort auf aktuelle Herausforderungen. Und jede dieser Phasen ging zu Ende, wenn sich die Mehrheiten verschoben und immer mehr Menschen begannen, Lösungen für Probleme zu suchen, auf die ihrer Ansicht nach im Rahmen der jeweils bestehenden Hegemonie nicht reagiert werden konnte.

Das grüne Denken passte in eine Zeit, in der sich die Menschen weder um ihren Wohlstand noch um ihre Sicherheit sorgten, in denen man über Themen wie den Geschlechterwechsel diskutierte, statt sich über Deindustrialisierung Sorgen zu machen, in denen es genug bezahlbaren Wohnraum gab, die Frage, ob der Zug mit grünem Strom fährt, wichtiger war als die Frage, ob er überhaupt fährt, und der Energiepreis eine Nebensächlichkeit war. Die grüne Hegemonie war Ausdruck einer Gesellschaft, die sich ihres Wohlstandes so sicher war, dass sein Erhalt in den Hintergrund rückte und die volkserzieherische Attitüde, die Teil dieses Denkens war, als unvermeidlich hinnahm.

Diese Zeiten sind vorbei. Die CDU wirbt nicht mehr damit, den Ausstieg aus der Kernenergie umgesetzt zu haben. Die Mehrheit ist in Deutschland längst wieder für die Nutzung von Atomkraft und sieht sie als eine der Technologien an, mit der Strom preiswert und CO2-neutral hergestellt werden kann. Die über Jahrzehnte, auch schon vor Entstehung der Grünen, kultivierte Technologiefeindlichkeit gilt neben den hohen Energiekosten und der Überregulierung nun als einer der Gründe für den wirtschaftlichen Abstieg. Die Menschen wissen, dass Postwachstumswirtschaft nicht den Weg in das grüne Wohlstandsparadies grünen ebnet, sondern Armut bedeutet. Und sie wollen auch nicht mehr jeden, der an der Grenze erscheint, ins Land lassen, sondern bestimmen, mit wem sie zusammenleben. Auch wollen sie sich nicht mehr von einer staatlich alimentierten selbsternannten Elite vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben.

Sie haben ernste Sorgen um ihre Zukunft und ihre Freude, nun bekifft ihr Geschlecht wechseln zu können, hält sich in Grenzen. Und sie wissen, dass die grünlinke Politik auch im Westen – der Osten ist für die Demokratie verloren und seit jeher von autoritärem Denken geprägt – den Aufstieg der Rechtsradikalen und der Wagenknechte befeuert, deren Gründung ebenfalls eine Folge des geänderten Zeitgeistes ist.

Als erste Partei hat die Union wahrgenommen, dass die grüne Hegemonie vorbei ist, sie keine Lösungen für die aktuellen Probleme kennt. Friedrich Merz und sein kluger Generalsekretär Carsten Linnemann haben die CDU entmerkelt und auch CSU-Chef Markus Söder, ein weitgehend überzeugungsfreier Politikunternehmer mit einem ausgeprägten Instinkt für den Zeitgeist, ist längst auf Distanz zum grünen Denken gegangen.

Nun scheinen die Grünen der Union zu folgen und rücken in die Mitte. Der Rücktritt ihres Bundesvorstands und der Austritt der Spitze der traditionell linken Grünen Jugend  aus der Partei sind ein Zeichen dafür, dass die Realos um Robert Habeck dabei sind, die Macht in der Partei zu übernehmen. Das sichert die Existenz der Grünen, auch wenn sie dieser Kurs kaum zu alten Höhen von über 20 Prozent in bundesweiten Umfragen führen wird. Auch eher liberale Grüne bleiben Grüne und werden unter dem Verlust der Hegemonie zu leiden haben, aber sie könnten sich als Partei stabilisieren und Partner einer Merz-Union auch im Bund werden.

Als letzte werden die intellektuell völlig ausgelaugten Sozialdemokraten merken, dass sich die Zeiten geändert haben. Auf Nils Heisterhagen wollten sie nicht hören, der die Entwicklung bereits 2018 in seinem Buch „Die liberale Illusion: Warum wir einen linken Realismus brauchen“ frühzeitig beschrieben hatte. In der SPD durfte er nichts werden, die Sozis setzten auf Kevin Kühnert. Heisterhagen arbeitet heute als BILD-Redakteur, Kühnert darf den Niedergang seiner Partei moderieren.

Bleibt zu hoffen, dass das Ende der grünen Hegemonie nicht zu spät kommt und die wirtschaftlichen und intellektuellen Verheerungen dieser Phase zumindest zum Teil revidiert werden können und statt reaktionärer Technologiefeindlichkeit und Träume von ökologischer Reinheit durch Armut nun eine Zeit des Fortschrittsoptimismus und des Wachstums ihren Anfang nimmt. Es wäre auch eine gute Antwort auf den wachsenden Rechtsradikalismus und den linken Nationalismus der Wagenknechte.

 

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